Bis heute, meine Damen und Herren, verschweigt die Landesregierung die Kosten der Polizeireform einschließlich der Umorganisation des Brand- und Katastrophenschutzes. Bis heute verweigert uns die Landesregierung eine Auskunft über die Kosten, die infolge der Umorganisation des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr und der Hafenämter entstehen werden. Bis heute verschweigt die Landesregierung die Folgekosten der Umorganisation der dem Umweltministerium nachgeordneten Bereiche, obwohl sie in diesem Bereich bereits sehr deutliche Worte vom Landesrechnungshof ins Stammbuch geschrieben bekommen hat. Bis zum heutigen Tage verheimlicht diese Landesregierung ihre wahren Pläne mit dem Landesamt für Statistik und sorgt so für eine erhebliche Verunsicherung der Beschäftigten, die nicht wissen, ob sie allesamt nach Bremen umziehen müssen.
Meine Damen und Herren, ebenfalls ausgeklammert wurde der Bereich des Justizministeriums, obwohl der Staatssekretär im Justizministerium noch in der Woche vor der unrühmlichen Pressekonferenz des Innenministers das Innenministerium ausdrücklich auf das Fehlen der Finanzfolgenabschätzung hingewiesen und darauf bestanden hat, auf die negativen Auswirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens auf den Justizhaushalt hinzuweisen. Trotz dieser eindringlichen Aufforderung durch das Justizressort hat der Innenminister weder auf seiner Pressekonferenz noch in der dem Landtag vorgelegten Finanzfolgenabschätzung die in diesem Bereich zu erwartenden erheblichen Mehrkosten auch nur in einem Nebensatz angesprochen.
Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, von einer seriösen Landesregierung erwarte ich, dass sie in ihrer Folgekostenabschätzung wenigstens darauf hinweist, dass aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern einiges dafür spricht, dass es im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsreform einen erheblichen personellen Mehrbedarf geben wird. Diese Information habe ich mir übrigens nicht aus den Fingern gesogen, denn selbst in der Kabinettsvorlage ist wörtlich nachzulesen:
„Sofern sich ein unabweisbarer Personalbedarf einstellen wird, werden entsprechende Vorkehrungen getroffen, um zeitnah mit zusätzlichem Personal reagieren zu können.“
„Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens wird nach Überzeugung des Justizministeriums zu einem Mehrbedarf an richterlichem und nichtrichterlichem Personal in der Verwaltungsgerichtsbarkeit führen, dessen Höhe derzeit nicht konkret bezifferbar ist. Im weiteren Haushaltsaufstellungsverfahren 2005 sind die Auswirkungen der Abschaffung zu konkretisieren und Vorkehrungen zu schaffen, die Gerichte in dem erforderlichen Maße auszustatten."
Meine Damen und Herren, man hat eher den Eindruck, dass es schöner ist, sich auf einer Pressekonferenz im Glanz unrealistischer Einsparziele zu sonnen, als das Vorhaben sorgfältig umzusetzen. Herr Minister, Sie haben mit dieser Aktion der Glaubwürdigkeit der Politik allgemein, der Landesregierung aber im Besonderen schweren Schaden zugefügt.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen braucht keinen populistischen Lautsprecher an der Spitze des Innenministeriums, sondern Niedersachsen
Genau genommen gibt es für den Ministerpräsidenten einen Grund, am Innenminister festzuhalten, der mit seinem spektakulären Betrug der Öffentlichkeit gerade sehr unangenehm aufgefallen ist.
(Bernd Althusmann [CDU]: Frau Prä- sidentin, es reicht jetzt! - David McAl- lister [CDU]: Das war schon 2,5!)
Dieser Grund liegt darin, dass sich auch der Ministerpräsident und das gesamte Kabinett an dem Täuschungsmanöver beteiligt haben.
Herr Ministerpräsident, die Menschen in Niedersachsen merken, dass die Mitglieder der Regierung Wulff am Sonntag Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit predigen, von Montag bis Samstag aber das genaue Gegenteil praktizieren.
Meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zu Ihrer so genannten Folgekostenanalyse. Obwohl die Landesregierung eine ganze Reihe von Kostenfaktoren bewusst und mit voller Absicht aus ihrer Folgekostenanalyse ausgeblendet hat und obwohl es die klare Ansage gegeben hat, schon im ersten Jahr schwarze Zahlen zu schreiben, führt die gesamte Verwaltungsreform selbst nach diesen geschönten Berechnungen nur zu einer bescheidenen Einsparung von 500 000 Euro.
(Minister Möllring spricht mit dem Prä- sidium - Axel Plaue [SPD]: Unglaub- lich, was sich der Möllring da erlaubt! Das gibt es doch nicht! Schauen Sie doch mal in die Verfassung hinein, Herr Möllring! So eine Frechheit! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Was ist denn da los? - Heinrich Aller [SPD] meldet sich zur Geschäftsordnung!)
Meine Damen und Herren, diesen Einsparbeitrag in Höhe von 500 000 Euro hätte man schon durch den Verzicht auf die Beschäftigung eines hoch bezahlten Sonderstaatssekretärs erbringen können.
Meine Damen und Herren, dass die Einsparziele, die uns der Innenminister in der vergangenen Woche verkaufen wollte, absolut unrealistisch sind, hat uns die Landesregierung übrigens, wie ich finde, bereits selbst sehr eindrucksvoll bestätigt. Es ist doch kein Zufall, dass sich nicht ein einziges Fachministerium bereit erklärt hat, sich gegenüber dem Finanzminister zu verpflichten, die vom Innenminister präsentierten Einsparungen auch tatsächlich abzuliefern. Das zeigt doch, was man am Kabinettstisch von den vermeintlichen Einsparpotenzialen hält, die der Innenminister der Öffentlichkeit in der letzten Woche verkaufen wollte.
Auch dazu gibt es eine Passage in der Kabinettsvorlage, die in der Landtagsdrucksache auf wundersame Weise nicht mehr enthalten ist: Das Finanzministerium hat die Kabinettsvorlage lediglich in Anbetracht der vorgegebenen zeitlichen Enge mitgezeichnet. Eine Zustimmung hinsichtlich der Bereitstellung von zusätzlichen Haushaltsmitteln für die Durchführung der in Aussicht genommenen Verwaltungsreformmaßnahmen erfolgt damit ausdrücklich nicht. - Eine schallendere Ohrfeige kann ein Finanzminister seinem Kabinettskollegen gar nicht verabreichen.
Doch der Innenminister hält stur an seinem Einsparziel fest. 894 Millionen Euro will der Innenminister nach eigenen Angaben in den kommenden fünf Jahren durch die Verwaltungsreform einsparen. Wir haben den vom Innenminister zugrunde gelegten Personalkostenansatz einmal eingesetzt, um seine Einsparungen mit den Einsparungen zu
SPD-Zeiten zu vergleichen. Danach spart das Land Niedersachsen durch den von uns bereits tatsächlich realisierten Stellenabbau im Umfang von 11 187 Stellen sage und schreibe 864 Millionen Euro - und das nicht in fünf Jahren, sondern in jedem Jahr. Mit anderen Worten: Das, was CDU und FDP mit ihrer Verwaltungsreform in fünf Jahren einsparen wollen, spart das Land durch unsere Verwaltungsreform in einem einzigen Jahr.
Meine Damen und Herren, dass sich diese Regierung zwar gerne als Spar-Regierung präsentiert, in Wirklichkeit aber Steuergelder mit beiden Händen zum offenen Fenster hinauswirft, wird deutlich, wenn man die übrige Personalpolitik der Landesregierung in die Berechnungen einbezieht. Durch die Einstellung von 2 500 Lehrern, die durch Ihre rückwärts gewandte Schulreform im System verpuffen und nicht ein bisschen mehr zur Verbesserung der Unterrichtssituation beitragen,
haben Sie vom ersten Tag Ihrer Regierungszeit an - ich betrachte wiederum den Kostenansatz des Innenministers - die Verschuldung des Landeshaushalts um 193 Millionen Euro pro Jahr erhöht. Selbst wenn man die Zinsausgaben völlig ausblendet, ergibt das allein in dieser Legislaturperiode eine Mehrbelastung von knapp 1 Milliarde Euro. Hinzu kommen 1 000 zusätzliche Polizisten - noch einmal Mehrausgaben von 193 Millionen Euro, die CDU und FDP in dieser Legislaturperiode zu verantworten haben.
Meine Damen und Herren, rechnet man das zusammen, dann zeigt sich, dass diese Landesregierung durch ihre unverantwortliche Personaleinstellung in den Bereichen Lehrer und Polizei allein in dieser Legislaturperiode bereits Mehrkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro verursacht hat.
Selbst wenn man den Innenminister beim Wort nimmt, dass er durch die Verwaltungsreform bis 2008 894 Millionen Euro einsparen könne - was er nicht kann, weil die Berechnung unehrlich und unvollständig ist -, wird diese Regierung immer noch mit einem fetten Minus im Personalkostenbereich abschließen. Die Personalentscheidungen
dieser Landesregierungen werden, selbst wenn der von Ihnen geplante Stellenabbau gelingt, noch auf Jahrzehnte den Landeshaushalt mit mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr belasten.
Meine Damen und Herren, ich halte es offen gestanden für einen Skandal, dass sich diejenigen, die den Haushalt derart wissentlich gegen die Wand fahren, in der Öffentlichkeit als große Haushaltssanierer präsentieren.
Herr Bartling, Sie haben vorhin den Minister als Betrüger bezeichnet. Dafür muss ich Ihnen noch einen Ordnungsruf erteilen.