Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Ich sage für die CDU-Fraktion - ich denke, auch für den Koalitionspartner -, dass diese Verwaltungsreform ein großer Wurf ist, ein in der Geschichte des Landes Niedersachsen einmaliges Vorhaben. Wir haben schon zu Oppositionszeiten zum Ausdruck gebracht, dass die Verwaltungsreform in Niedersachsen eines der zentralen Politikfelder ist, um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu sichern. Die Bürger in Niedersachsen wollten und wollen keinen gängelnden Staat, sondern sie wollen mehr Eigenverantwortung, mehr Bürger- und Kundenorientierung sowie ein höheres Maß an Wirtschaftlichkeit und Produktivität auf allen Ebenen unserer niedersächsischen Landesverwaltung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Verwaltungsmodernisierung ist ein zentrales Anliegen der neuen bürgerlichen Mehrheit von Union und FDP in diesem Hause. Im Koalitionsvertrag, in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Christian Wulff und in anderen Grundsatzbeschlüssen haben wir klare Eckpunkte vorgegeben. Danach sind erstens die Bezirksregierungen abzuschaffen, zweitens 6 000 Stellen entbehrlich zu machen und drittens eine tiefgreifende Verwaltungsreform im ganzen Land durchzuführen. Viertens soll sich das Land auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Fünftens ist die Mittelinstanz mit dem Ziel der Zweistufigkeit zu ordnen. Sechstens sind die Personalkosten zu senken und die Gesamtausgaben zu reduzieren. Siebtens sind die kommunale Selbstverwaltung und der ländliche Raum zu stärken. Achtens ist die Reform sozialverträglich durchzuführen. Genau das, was wir vor und nach der Wahl angekündigt haben, setzen wir jetzt konsequent um.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Alles ohne Sinn und Verstand!)

Wir stellen fest, dass selbst die Optimistischsten unter uns heute sagen können, dass wir unser Ziel viel schneller erreichen, als wir es selbst zunächst erwartet haben. Alle erforderlichen Gesetzentwürfe zur Umsetzung der größten Verwaltungsreform in

der Geschichte Niedersachsens präsentiert diese Landesregierung dem Parlament nach etwas mehr als 15 Monaten. Das ist eine Riesenleistung des Innenministers und der gesamten Landesregierung. Dafür sage ich ebenfalls allen Mitarbeitern herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So, wie die Landesregierung Tempo gemacht hat, werden auch wir als Parlament jetzt unser hohes Tempo aufrechterhalten. Die Koalitionsfraktionen sind fest entschlossen, die Gesetzespakete zügig und präzise zu beraten. Es ist unser fester Wille, alle Gesetze im November dieses Jahres im Plenum abschließend zu beraten und zu verabschieden. Wir werden dann gemeinsam mit der Landesregierung die umfassendste Verwaltungsreform in der Geschichte unseres Landes umgesetzt haben. Herr Minister, Sie können sich auf die CDUFraktion und die FDP-Fraktion definitiv verlassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ah! bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum machen wir diese Verwaltungsreform?

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das weiß keiner!)

Warum sind wir bei diesem Thema so leidenschaftlich? - Wir tun das zunächst einmal aus tiefster ordnungspolitischer Überzeugung. Eine wesentliche Vorgabe unserer Politik - das gilt nicht nur für die FDP, sondern auch für die CDU - ist: Wir wollen, dass sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentriert. Wir wollen so viel Staat wie nötig, vor allem aber so wenig Staat wie nur möglich. Wir müssen den seit 1968 grundsätzlich falsch eingeschlagenen Weg hin zu immer mehr Staat und immer weniger Eigenverantwortung verlassen. Deshalb sind wir mit besonderer Verve bei diesem Thema dabei.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Verhältnis des Staats zum Bürger und zu den Unternehmen muss dringend neu justiert werden. Aufgaben, die der Staat nicht unbedingt selbst erledigen muss, müssen abgebaut oder auf Private übertragen werden. Insofern zitiere ich gern den Vorsitzenden der FDP-Fraktion:

„Ja, wir wollen dieses Land, wir wollen diesen Staat Schritt für Schritt den

Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir machen diese Verwaltungsreform auch aufgrund der dramatischen Haushaltslage. Angesichts einer Verschuldung des Landes in Höhe von rund 46 Milliarden Euro, die Sie, Herr Gabriel, ganz maßgeblich zu verantworten haben, und aufgrund einer den größten Ausgabenblock des Landes darstellenden Personalausgabenquote von fast 45 % wollen wir mit dem sozialverträglichen Abbau von 6 743 Stellen einen deutlichen Beitrag zur Verringerung der Personalausgaben und zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung leisten.

Das diese Aufgabe so groß ist, dass es eine Herkulesaufgabe ist, die Uwe Schünemann und Wolfgang Meyerding sowie die Regierung und die Koalitionsfraktionen zu leisten haben, liegt auch daran, dass die Sozialdemokraten dieses Thema während ihrer 13-jährigen Regierungszeit, als sie hier in diesem Hause die Mehrheit hatten, verdrängt und nicht gehandelt haben.

(Beifall bei der CDU)

Das bekannte RWI-Gutachten aus dem Jahr 1994 hat es bereits belegt: Die SPD hat bei ihrem Amtsantritt im Jahr 1990 mit Gerhard Schröder vergleichsweise günstige Bedingungen vorgefunden. Zum einen hatte die Albrecht-Administration bereits erhebliche quantitative Konsolidierungsleistungen erbracht, und zum anderen verbesserte sich gerade in den Jahren 1991/1992 die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte im Zuge des Einigungsbooms erheblich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch Sie, Herr Bartling, haben schon damals Verantwortung getragen. Eines der schwersten Versäumnisse nicht nur der Sozialdemokraten, sondern auch der Grünen - denn von 1990 bis 1994 haben auch die Grünen in diesem Hause mit regiert - ist: Während andere Bundesländer wie Bayern und BadenWürttemberg schon damals eine restriktive Personalpolitik angestrebt haben, haben Sie erhebliche Mehrausgaben zur Finanzierung von Landesbediensteten verwandt. So sagt der Schlussbericht der Arbeitsgruppe „Personalkostenreduzierung“ aus dem Jahr 1996 schwarz auf weiß: Die Landesregierung hat die Zahl der Stellen in der Landesverwaltung seit dem Haushaltsjahr 1990 von 173 781 um sage und schreibe 9 720 Stellen oder 5,6 % erhöht. - Sie haben in unverantwortlicher Art

und Weise 10 000 zusätzliche Stellen geschaffen. Auch das ist ein Grund dafür, dass wir jetzt diese riesigen Probleme haben. Stellen Sie sich endlich einmal Ihrer Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nachdem Sie Ihre eigenen Parteifreunde in unvorstellbarem Ausmaß mit Stellen im Landesdienst versorgt haben, haben Sie sich dem Thema Verwaltungsreform gewidmet. So wurde zunächst unter Ministerpräsident Schröder eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die zwar eine Verwaltungsreform geplant hat, umgesetzt wurde davon aber nie etwas. Seit 1993 gab es eine Odyssee von Aktivierungen, Modernisierungen, Reformierungen, aber auch von Lähmung und Stillstand. In mehr als sage und schreibe 200 Projekten wurde herumreformiert, wurden Mitarbeiter- und Vorgesetztengespräche ausprobiert und kontinuierliche Verbesserungsprozesse angeregt.

Nicht umsonst warf der damalige Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Verwaltungsreform“, Herr Rieger, im Februar 1997 der Landesregierung vor, die seit Jahren geplante Verwaltungsreform komme nicht vom Fleck. In der HAZ hieß es im Februar 1997, Schröder wolle vorläufig keine Unruhe in der Verwaltung. Er sei nicht bereit gewesen, eine schonungslose Analyse der Finanzsituation des Landes im Bericht der Reformgruppe zuzulassen. - Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, das war nichts anderes als ein vorsätzliches Verdrängen bekannter Realitäten. Deshalb war dann auch das Verhalten von Herrn Rieger konsequent.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie ging es dann weiter? - Noch zu Amtszeiten von Gerhard Schröder legten zwei damals noch junge Abgeordnete - Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann - ein Papier zur Verwaltungsreform in Niedersachsen mit dem Titel „Von der Notwendigkeit, ins eigene Fleisch zu schneiden“ vor. Herr Gabriel, Sie schreiben ja viel; Sie reden auch viel. Vielleicht aber können Sie sich an dieses Papier von vor neun Jahren noch erinnern.

(Ursula Körtner [CDU]: Ja, ungern!)

Sie haben damals angekündigt eine tabulose Diskussion über die Aufgaben- und Organisationsstruktur der Landesverwaltung, die zeitlich befristete Schaffung eines Sonderstaatssekretärs zur Verwaltungsreform, keine Angst vor dem Kahlschlag und der internen Auseinandersetzung über

lieb gewordene Forderungen, Strukturen und Besitzstände sowie eine Reduzierung der Ministerien. Das schrieb ausgerechnet der, der anschließend Wolfgang Senff zum Europaminister gemacht hat. So viel zu Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, vermisst eigentlich irgendjemand den Europaminister? - Ich zumindest nicht. - Wie gesagt: Es passierte wiederum gar nichts.

Im Jahr 1998 legte Herr Gabriel - mittlerweile zum Vorsitzenden der SPD-Fraktion avanciert - hier im Hause nach. Wörtliches Zitat vom 9. Juli : Wir von der SPD nennen es „Verwaltungsreform“. Aber gemessen an den Maßstäben des preußischen Beamtenrechts ist auch vieles, was wir hier machen wollen, eher eine Verwaltungsrevolution. Herr Kollege Gabriel, ich frage mich: Wo ist Ihre Verwaltungsrevolution in Niedersachsen geblieben?

(Sigmar Gabriel [SPD]: 12 000 Stel- len!)

Vermutlich ist sie in der Okertalsperre versenkt worden. Wie auch immer.

Und dann: Glogowski mittlerweile gestürzt, beiseite geschoben, Gabriel wird Ministerpräsident. Am 15. Dezember 1999 sagt er in seiner Regierungserklärung - wörtliches Zitat -:

„Wir brauchen in Niedersachsen eine öffentliche Diskussion um die Reform, den Erhalt oder auch die völlige Abschaffung der Bezirksregierungen und der staatlichen Mittelinstanzen. Wir brauchen mehr regionales Management für Wirtschaft und Beschäftigung. Eine Bestandsaufnahme der staatlichen Mittelinstanz wird alle denkbaren Alternativen mit den entsprechenden Wirkungen und Folgen darzustellen haben.“

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das stimmt! Das hätten Sie mal machen müssen!)

Herr Kollege Gabriel, Sie müssen sich doch selbst ernsthaft fragen, wie weit dieses Land beim Personalabbau, beim Ämterabbau, bei der Reduzierung der Personalkosten sowie bei der Abschaffung von Vorschriften und Gesetzen in Ihrer Amtszeit denn

vorangekommen ist. Was haben Sie tatsächlich gemacht? - Viel zu wenig!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein herrliches Zitat - das ist schon fast Realsatire zeigt mir, mit welcher geradezu unglaublichen Dynamik Sie in Ihrer Amtszeit voranmarschiert sind. Das steht im Nordreport vom 22. März 2000. Wörtliches Zitat:

„SPD-Landesregierung und Gewerkschaften haben die bisherigen Erfolge der Verwaltungsreform in Niedersachsen bilanziert. Als erfolgreiche Maßnahmen werden dabei u. a. verbucht: großes Verständnis für die Reform der Verwaltung, die Förderung frauenpolitischer Belange, die Beteiligung der Gewerkschaften und Personalräte am Reformprozess sowie die Verbesserung des Einsatzes von Informationsund Kommunikationsmitteln.“

Das war Ihre Bilanz. Viele leere Phrasen und sozialdemokratische Gefühlsduselei - nichts anderes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was ich Ihnen persönlich übel nehme, gerade auch als jüngerer Mensch, ist, dass Sie in den drei Jahren Ihrer Amtszeit Schulden über Schulden gemacht, Geld verprasst und Millionen von Euro für sinnlose und nutzlose Gutachten und Berater ausgegeben haben. Das war die wahre Bilanz Ihrer Amtszeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie selbst während Ihrer Amtszeit schon nichts zustande bekommen haben, dann stören Sie jetzt wenigstens uns nicht, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden und die Karre wieder aus dem Dreck ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Verwaltungsmodernisierung basiert auf drei Säulen:

Erstens. Konsequente Deregulierung. Wir wollen weniger Vorschriften. Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung am 4. März angekündigt - das ist unser gemeinsames Ziel -: Wir wollen alle Rechtsvorschriften auf deren Notwendigkeit und sinnvolle Ausgestaltung hin überprüfen mit