Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

Sie haben zugesagt, dass die Gesamtschulen eine Chance hätten. An solchen Beispielen wird aber deutlich, was in Ihrem Hinterkopf abgeht. Sie wollen dafür sorgen, dass sie ihre Chance nicht eingeräumt bekommen. Das lassen wir nicht zu!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was haben wir hier in der letzten Dreiviertelstunde erlebt? Wir haben einen Ressortchef erlebt, der sich beruflich neu orientieren will - als Legendenstricker.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Ich nenne drei Teile der Legende. Diese sind nicht neu. Sie werden durch Wiederholung übrigens auch nicht richtiger; auch das muss man sagen. Den ersten Teil hören wir in jeder Plenarsitzung: Die SPD hat alles an die Wand gefahren. - Jetzt dürfen Sie klatschen.

(Beifall bei der CDU)

Sie werden ansonsten nicht mehr viel Gelegenheit dazu haben. Der zweite Teil: Busemann hat alles klasse gemacht.

(Beifall bei der CDU - Bernd Althus- mann [CDU]: Sehr richtig!)

Der dritte Teil: Die niedersächsische Bevölkerung ist von Punkt 2 geradezu begeistert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wer sich so geben kann, verdient, dass überprüft wird, was ihn treibt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er ist ein begnadeter Schauspieler und reif für den Komödienstadel oder aber die Geschäftsordnung im Kultusministerium ist ohne unsere Kenntnis dahin gehend verändert worden, dass nur noch gute Nachrichten in das Ministerbüro durchgelassen werden. Sie können auswählen, welches für Sie die angenehmere Variante ist. Ich halte beide Varianten für tragisch und werde Ihnen Ihre Legenden eben einmal zerpflücken.

Fangen wir mit dem an, was die SPD getan hat. Sie konnten vor Stolz und Kraft wegen der Lehrereinstellungen und der Unterrichtsversorgung ja kaum noch laufen. Ich will einmal darauf hinweisen, dass in den Jahren von 1998 bis 2003 mehr als 15 000 neue Lehrerinnen und Lehrer in den niedersächsischen Schuldienst gekommen sind.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Hören Sie doch zu! - Von diesen entfielen über 3 000 auf zusätzliche Stellen. Die Bilanz von 2003 bis 2008 werden wir uns ja in dreieinhalb Jahren ansehen können, meine Damen und Herren. Ich kann Ihnen sagen, wie weit Sie bis heute gekommen sind. Heute befinden Sie sich allenfalls auf dem alten Stand. Darüber hinaus gibt es so gut wie gar nichts, weil Sie schon abkassiert haben. Darauf kommen wir gleich.

Zweitens sei der Redlichkeit halber - Herr Busemann, Sie haben mitunter darauf hingewiesen, das heute aber ausgespart – gesagt: Sie haben sich bei Themen wie Sprachförderung, selbstständige Schule, Hochbegabtenförderung, Modernisierung der Eingangsstufe an Grundschulen und dem frühen Lernen von Fremdsprachen engagiert und sich diese Themen zu Eigen gemacht. Das sind aber Dinge, die vor 2003 im Niedersächsischen Kultusministerium qualifiziert entwickelt worden sind.

(Zustimmung bei der SPD - Ursula Körtner [CDU]: Aber nicht finanziert!)

Es ist ja auch in Ordnung, dass Sie das übernehmen. Das kritisierten wir überhaupt nicht. Was nicht in Ordnung ist, ist, zu sagen, dass vorher alles fatal gewesen und gegen die Wand gefahren worden sei, während Sie aber mit den gleichen

Ergebnissen heute hier brillieren wollen. Wir werden dies öffentlich machen und entsprechend kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Dazu hat Herr Busemann heute hier in seiner umfassenden Regierungserklärung kein Wort gesagt. Es mag ja sein, Herr Klare, dass Herr Busemann insgeheim der Meinung ist, dass er sich, was den Grad der Ideologie angeht, von Ihnen unterscheidet. Ich glaube sogar, da hat er Recht. Er hat einen Schuss Pragmatik in seinem politischen Agieren,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das stimmt!)

der Ihnen relativ wesensfremd ist.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Gleichwohl muss hier deutlich werden: Zur Redlichkeit gehört das einfach dazu. Dazu hat er hier aber nichts ausgeführt. Herr Klare wird bei dem, was er tut, ideologisch angetrieben. Das ist überhaupt keine Frage. In dieser Funktion wäre er nicht in der Lage gewesen zu sagen: Och, das war gut. Das mache ich weiter. - Das war das, was ich eben ausgeführt habe. Das unterscheidet ihn davon, bei aller Kritik, die wir haben.

So, jetzt kommen wir zu den Teilen 2 und 3 der Legende, die ich zusammenfassen muss.

(Hermann Eppers [CDU]: Wir haben doch genug Zeit!)

Beginnen wir mit dem Thema Unterrichtsversorgung. Sie haben die Messlatte auf 100 % hochgelegt. Daran wollen Sie gemessen werden. Der Ausgangspunkt bei Ihrem Amtsantritt waren 98 % Unterrichtsversorgung. Das haben Sie immer scharf kritisiert. Dann haben Sie Neueinstellungen vorgenommen. Das ist korrekt.

(Zuruf von Hermann Eppers [CDU])

- Ja, richtig. Im September 2003 haben Sie damit die Unterrichtsversorgung auf 99,5 % gebracht. In Ordnung. Im Februar 2004 lag die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen aber schon wieder bei 98 %.

(Ursula Körtner [CDU]: Wegen Ihrer 700 Lehrer!)

Warum war das so? - Die Unterrichtsversorgung ist Ihnen so wichtig, dass Sie zum 1. Februar 2004 die ersten 700 Stellen gestrichen haben.

(Ursula Körtner [CDU]: Sie! Sie haben sie nicht finanziert!)

Außerdem führen Sie zwar gute und richtige Projekte wie etwa den Sprachunterricht, die wir in der Mittelfristigen Planung mit zusätzlichem Personal versehen haben, durch, stellen aber nicht das dafür notwendige Personal ein. Das ist die Situation.

(Beifall bei der SPD)

Das war für Sie noch der leichte Teil der Aufgabe. Dann aber griff im August 2004 das Schulgesetz. Unstrittig ist ausweislich der schriftlichen Vorlagen des Kultusministeriums, dass dieses unserer Meinung nach wirklich überholte und unnütze Schulgesetz mehr als 1 161 Lehrerstellen zusätzlich bindet. Auf gut Deutsch: Sie haben ein Gesetz verabschiedet, und um dieses Gesetz realisieren zu können, mussten Sie diese Lehrereinstellungen vornehmen. Daraus resultiert aber keine einzige zusätzliche Unterrichtsstunde. Das ist die Situation. So arbeiten Sie sich auf annähernd 100 % hoch.

Die Folgen dieses Vorgehens sind in den niedersächsischen Schulen zu spüren, worauf Herr Busemann fairerweise ja hingewiesen hat. Die Klassenfrequenzen werden erhöht. Übrigens: Die Ausstattung der Vollen Halbtagsschulen - das hat er nicht gesagt - ist - entgegen Ihren Zusagen im Juni des letzten Jahres anlässlich der parlamentarischen Gesetzesberatung dramatisch verschlechtert worden. Der Förderunterricht ist rasiert worden; nicht vollständig, aber zum Teil. Mehr als 200 Stellen. Die Anrechnungsstunden sind gekürzt worden. Die Zeiten für Beratungslehrer sind verschlechtert worden. Die zweite Person beim Schwimmunterricht ist abgezogen worden.

Meine Damen und Herren, dieses Maßnahmenpaket ist nur einem Ziel geschuldet, nämlich dem Ziel, eine Unterrichtsversorgung von annähernd 100 % weiterhin aufrecht zu erhalten. Um das Ganze auch noch so zu gestalten, dass es niemand so recht merkt, muss alles natürlich auch noch mit einer neuen Software unterlegt werden mit der Folge, dass die Schulen nicht mehr in der Lage sind, Vergleiche anzustellen. Das herauszukriegen war unheimlich schwierig. Ich zeige Ihnen aber anhand einzelner Beispiele auf, was das heißt. Der Beschönigungsfaktor Busemann bringt

an einzelnen Realschulen 5 bis 8 % Unterrichtsversorgung. Auf gut Deutsch: Wo vorher 100 % waren, sind es jetzt noch 94 %. So rechnet man das einfach. Bei den Gesamtschulen werden zum Teil mehr als 10 % des Unterrichtsbedarfs weggerechnet. So kann man natürlich alles schönrechnen, meine Damen und Herren. Man sollte aber nicht den Eindruck erwecken, als würde man den Schulen etwas Gutes tun. Herr Busemann will vielmehr sich etwas Gutes tun, damit die niedersächsische Öffentlichkeit glaubt, dass es bei 100 % Unterrichtsversorgung bleibt. Das aber ist überhaupt nicht in Ordnung. Deshalb werden wir das auch deutlich machen.

(Beifall bei der SPD)

Auch Sie haben in den letzten Wochen und Monaten doch die Schreiben mit all den Hilferufen bekommen: Hier fehlt eine Lehrkraft, da fehlt eine Lehrkraft. - Herr Busemann hat mir ja verboten, darüber zu reden, weil das kleines Karo ist. Aber genau diese Hinweise gibt es. Das hat auch damit zu tun, wie das ganze Paket in den letzten Wochen durchgesetzt worden ist.

Der Schulleitungsverband Niedersachsen, in dem fast alle niedersächsischen Schulleiter organisiert sind, hat Ihnen, Herr Busemann, im Juni dieses Jahres geschrieben: Die Umsetzung neuer Erlasse und Verordnungen in den Schulen gestaltet sich schwierig. - Im Anschluss daran wird das lang ausgeführt, und es wird darauf hingewiesen - ich zitiere -:

„Mit Verärgerung wird von unseren Mitgliedern und vom Vorstand registriert, dass der Sachverstand nahezu aller befragten Verbände in den Anhörungen zu den Erlassen und Verordnungen kaum berücksichtigt wurde.“

Frieden im Lande, meine Damen und Herren. - Ich zitiere:

„Die Verärgerung der Schulen nimmt zu.“

Ich zitiere weiter:

„Wir protestieren im Namen unserer Mitglieder ausdrücklich gegen die offenkundige Nichtbeachtung unserer Stellungnahmen zu den hier angesprochenen Erlassentwürfen und gegen die Vernachlässigung der Fürsor

gepflicht des obersten Dienstherrn gegenüber der zeitlichen und organisatorischen Überlastung der niedersächsischen Schulleiterinnen und Schulleiter. Der SLVN sieht mit Sorge, dass durch diese Situation in den Schulen keinerlei Ressourcen mehr für die Sicherstellung des originären pädagogischen Auftrages und die Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität zur Verfügung stehen.“

Frieden im Lande, meine Damen und Herren.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Ja, so sieht es aus!)

Das sind diejenigen, die die Verantwortung tragen bei der Umsetzung dessen, was Sie da auf den Weg gebracht haben. Diese Kritik setzt sich im Juli fort. Ich könnte weiter zitieren. Viele Beschwerdemails und verzweifelte Hilferufe – Originalzitate von diesem doch auch von Ihnen für wichtig gehaltenen Verband.

Natürlich haben Sie an dieser Stelle Recht: Das Chaos ist im August bzw. September dieses Jahres nicht in der Schärfe aufgetreten,