Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gentech-Industrie hat uns ein neues Märchenbuch geschenkt. Es war einmal die Vision von den Früchten einer neuen Bioökonomie 2025. Danach wird eine neue Landwirtschaftsklasse zur Schlüsselfigur und zum Rückgrat einer biobasierten Wirtschaft. Das Ganze wird eine Stadtflucht in den ländlichen Raum auslösen. Allergien werden ausgerottet sein. Wir werden uns ernähren mit neuen, für jeden Typ individuell designten Lebensmitteln. Wir werden europäische Qualitätsweine trinken, die bei jedem Wetter gelingen.

(Beifall von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie wahrscheinlich ewig.

Man kann diese Versprechungen, so denke ich, in die Versprechungen einordnen, die wir seit 20 Jahren nach dem Motto hören: Gentechnik macht alle schön, reich und glücklich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außer der CDU und der FDP glaubt das kein Mensch. Denn was haben wir heute für Eigenschaften auf dem Markt? Da ist die Herbizidresistenz mit dem Versprechen, dass einmal Spritzen reicht. Das Versprechen ist längst widerlegt.

Da ist die Insektengiftigkeit, die Resistenzbildung bei Schädlingen massiv beschleunigt und ganz nebenbei dem Ökolandbau eines seiner wichtigsten natürlichen Schädlingsbekämpfungsmittel nimmt.

Es sind allerdings auch - das will ich nicht verschweigen selbstleuchtende Fische in Japan entwickelt worden. Ich nehme an, die werden Sie uns demnächst als ökologisch verkaufen, weil man sich die Aquariumbeleuchtung sparen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Guter Vorschlag! - Zuruf von der FDP: Das ist dem The- ma nicht angemessen!)

Meine Damen und Herren, diese Dinge braucht kein Verbraucher. Die braucht kein Bauer, und die brauchen auch Industrie und Handel nicht. Sie wollen es - ich kann es nur immer wieder betonen in ihrer Mehrheit auch nicht.

Deswegen begrüße ich, dass das neue Gesetz den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft in den Mittelpunkt stellt. Ich begrüße es, dass Sie mit Ihrem verbraucher- und bauernfeindlichen Kurs im Bundesrat vor die Wand gefahren sind. Ich begrüße auch, dass die Kommissarin Wallström erneut daran gehindert wurde, mit viel zu hohen Saatgutgrenzwerten durch die Hintertür eine flächendeckende Verseuchung mit GVO zu verursachen. Ich begrüße insgesamt, dass diese Landesregierung insofern keinen nachhaltigen Schaden anrichten konnte.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wie ist die Situation im Moment? - Wir haben - das hat Greenpeace herausgefunden - im Moment vier Lebensmittel auf dem Markt, die gentechnisch gekennzeichnet sind: ein asiatisches Tofu-Produkt, Getränkepulver, eine Herbalife-Suppe und den berühmten Butterfinger. Ich prognostiziere Ihnen, dass das nicht mehr lange so sein wird. Ich kann nur an die Verbraucher appellieren, weiterhin aufmerksam zu sein. Ich appelliere an die Landwirtschaft, nicht einer Entmündigung und einer neuen Abhängigkeit von Gentechnikkonzernen hinterher zu weinen, sondern sich lieber zusammenzuschließen und gentechnikfreie Regionen zu bilden, um den lukrativen Markt für gentechnikfreie Produkte bedienen zu können; denn da liegen die Zukunftschancen.

Ich erspare mir allerdings den Appell an Sie, unserem Antrag zuzustimmen; denn ich glaube, ideologische Überzeugstäter sind vernünftigen Argumenten nicht zugänglich. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karsten Behr [CDU]: Das müsst ihr gerade sagen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Klein, ich werde einmal nachlesen, was Sie zum Schluss gesagt haben.

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oetjen das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Deutschland ist ein Land, das viele kluge Köpfe hervorgebracht hat. Wir waren einmal führend in vielen Bereichen von Forschung und Technik. Das aber war einmal. Mittlerweile haben wir den Anschluss an die Weltspitze in den meisten Bereichen verpasst.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vor allem im Parlament!)

Viele Forscher, insbesondere junge kluge Köpfe, die Neuland betreten, tun dies lieber in anderen Teilen der Welt, vornehmlich in den Vereinigten Staaten von Amerika.

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Deutschland ist zu einem Land geworden, in dem zuerst die Risiken und dann die Chancen gesehen werden, zu einem Land, das technische und wissenschaftliche Innovationen nicht aufnimmt, sondern zunächst ablehnt.

Meine Damen, meine Herren, im Bereich der grünen Gentechnik passiert derzeit genau das Gleiche. 500 Forscher haben vor kurzem ein gemeinsames Manifest unterschrieben, Herr Kollege Kethorn, und sich hilfesuchend an die Politik gewandt. Sie haben darum gebeten - ich zitiere einmal -, auf der Basis von sachlichen Informationen unvoreingenommen zu handeln. Das möge sich jeder auf der Zunge zergehen lassen: auf der Basis von sachlichen Informationen unvoreingenommen zu handeln. - Schade, dass wir in Deutschland so weit gekommen sind.

Verehrter Kollege Klein, Frau Künast hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Ihre Forderungen erfüllt, ja sogar übererfüllt. Das Vermittlungsverfahren, das eigentlich nie eines war, weil nie nach einem Kompromiss gesucht wurde, ist gescheitert. Die deutsche Regelung wird die Forschung und Erprobung von transgenen Pflanzen so gut wie unmöglich machen. Kollege Klein, Ihr Antrag steht diametral zur Position der FDP.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das habe ich nie anders erwartet!)

Wir wollen ein innovationsoffenes, forschungsfreundliches Deutschland. Sie und Ihre Kollegen in Berlin mit Frau Künast an der Spitze berauben uns einer Zukunftschance.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Klein, wir werden Ihren Antrag heute ablehnen und hoffen darauf, dass die Europäische Kommission in Brüssel dem Treiben von Frau Künast noch Einhalt gebieten wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ripke um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD probt die Landtagsverkleinerung, und schon ist die Stimmung besser.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Ripke, für die Demokratie wäre es nicht gut, wenn der Landtag so klein bliebe.

(Heiterkeit)

Ich stimme dem zu, Herr Präsident. - Herr Klein erzählt Märchen, und schon wird die Stimmung zumindest bei mir wieder etwas schlechter. Ich fühle mich genötigt, bezogen auf das Thema Gentechnik auf Folgendes hinzuweisen, mein lieber Herr Klein: Frau Korter hat gestern im Zusammenhang mit Bildung und unserem Bildungsminister einen Vergleich zwischen Selbstbewusstsein und Ahnungslosigkeit gezogen. Da Sie uns „ideologisch“ genannt haben, sage ich jetzt zu Gentechnik und den Grünen: ideologische Selbstüberschätzung bei vorgetäuschter Ahnungslosigkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das will ich jetzt begründen. Sie verunsichern Bürger und Verbraucher mit sachlich nicht begründbaren Behauptungen.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Wie immer!)

Sie schüren vorsätzlich Ängste, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Ich halte das für verantwortungslos. Die Art und der Inhalt, wie Sie dieses

Thema auch hier im Landtag darstellen, entlarvt diese Vorgehensweise für mich überzeugend.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das liegt nur an den kurzen Redezeiten!)

Sie haben vorhin Ihre Zitate zu einem anderen Thema wiedergegeben. Ich habe Ihre Rede zur Gentechnik vom letzten Male dabei. Ich zitiere daraus wörtlich Herrn Klein. Erstes Zitat:

„Andere reden von grüner Gentechnik. Aber ich weigere mich einfach, eine derart unökologische, unsoziale und undemokratische Technik mit diesem doch positiv besetzten Adjektiv auch noch zu maskieren.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das zeigt, wo Sie stehen. Das ist nämlich rein ideologisch begründet, Herr Klein. Gerade dieses positive Adjektiv „grün“ sollten Sie nicht verleugnen. Das ist meine politische Empfehlung.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Habe ich das damit getan?)

Zweites Zitat:

„Sie wollen die Landwirtschaft in eine Abhängigkeit bringen, gegenüber der die Leibeigenschaft des Mittelalters wahrscheinlich ein wahres Vergnügen war.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage dazu: Wer grüne innovative Gentechnik so einstuft, ist selbst gedanklich über das Mittelalter nicht hinausgekommen. Das würde ich auch aus der Sicht der Forschung so sehen.

Sie denken in diesem Punkt ausschließlich rückwärts gewandt. Das wird Sie einholen.