Protokoll der Sitzung vom 28.10.2004

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Dürr zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Hauptdeichen Niedersachsens fallen jährlich im Mittel ca. 125 000 m3 Treibsel an. Allein beim III. Oldenburgischen Deichband wird für das Jahr 2004 mit ca. 20 000 m3 gerechnet. Dies wird wahrscheinlich allein für diesen Deichband Kosten in Höhe von 100 000 Euro verursachen.

(Björn Thümler [CDU]: Zusätzlich!)

Landesweit, Frau Kollegin Somfleth, sind es durchschnittlich Kosten von mehr als 500 000 Euro, also einer halben Million Euro, die von den Deichbänden getragen werden müssen.

Neben den jährlichen Kosten ist aber noch ein gewichtigerer Punkt zu nennen, nämlich die Deichsicherheit. Wenn das abgelagerte Treibsel an der Seeseite des Deiches die Grasnarbe beschädigt, kann der Deich selbst in Gefahr geraten. Meine Damen und Herren, das ist, glaube ich, der wich

tigste Punkt. Bei der Einrichtung des Nationalparks wurde den Menschen an der Küste immer wieder versprochen, dass die Unterschutzstellung nicht auf Kosten der Deichsicherheit gehen würde.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, gerade deshalb ist man so enttäuscht, dass die alte Landesregierung das Problem nicht annehmen wollte, sich dem Problem nicht stellen wollte und es schlicht und einfach ignoriert hat.

Wenn es parlamentarisch möglich wäre, dann wäre das eigentlich der richtige Zeitpunkt, eine mündliche Anfrage an die SPD-Fraktion zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Die Grünen sind natürlich wieder einmal reflexartig gegen den vorgeschlagenen Modellversuch. Es ist schon ein wenig verdächtig, wenn man nicht einmal den Versuch unternehmen will, eine solche extensive Bewirtschaftung auszuprobieren, um die Ergebnisse später genau analysieren zu können.

(Beifall bei der FDP)

Da kommt einem der Gedanke, dass Sie hier ein positives Ergebnis fürchten. Ich glaube, so ist es auch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es reicht eben nicht aus, immer nur zu sagen, wie es nicht geht. Alle sind sich darüber einig - so habe ich Frau Rakow eben auch verstanden -, dass Treibsel ein Problem ist. Sie wissen genau, dass die Einrichtung - der Kollege Thiele hat das vorhin schon erläutert - von Treibselräumwegen weder überall möglich und schon gar nicht überall finanzierbar ist. Es gibt also ernsthaft keine Alternative dazu, das Treibsel von Anfang an zu vermeiden. Die eine Seite macht dazu konstruktive Vorschläge, und die andere Seite hebt einfach nur mahnend den Finger. Das passt zu dem, was wir hier gestern über die Grünen im Landtag gehört haben. Haben Sie - die Frage richtet sich insbesondere an die Fraktion der Grünen - eigentlich schon einmal mit den betroffenen Deichbänden gesprochen?

Es ist hier vorhin gesagt worden, es ginge nur um ein Placebo - ich glaube, von Frau Rakow. Angesichts dessen frage ich mich ernsthaft, warum denn die betroffenen Deichverbände für die Modellversuche sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die drei vorgeschlagenen Formen der Bewirtschaftung des Deichvorlandes stoßen dort nämlich auf positive Resonanz. Die einmalige Mahd, die Bewirtschaftung durch Rinder und die Bewirtschaftung durch Schafe im Rahmen eines Modellversuches werden zu Ergebnissen führen, die uns einer Lösung des Treibselproblems zumindest näher bringen werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Janßen das Wort. Bitte schön!

(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Herr Jan- ßen, machen Sie das ordentlich!)

Keine Frage, Frau Ortgies; Sie kennen mich ja. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem Treibsel ist nicht neu. Es ist aber örtlich begrenzt, z. B. im Bereich Elisabethaußengroden und im Bereich Schweiburger Mühle im Jadebusen.

(Zurufe von der CDU: Nein, nein!)

Es gibt auch schon Untersuchungen zum Einfluss der Nutzung der Salzwiesen auf die Treibselmengen am Deich. Solche wurden im Bereich Westerneßmerheller in Ostfriesland zwischen 1998 und 2002 auf immerhin über 200 ha durchgeführt. Diese Versuche, die im Übrigen vom NLWK durchgeführt wurden, führten zu bahnbrechenden Ergebnissen: Zwischen den an den Deichen angetriebenen Teekmengen und der jeweiligen Beweidungsintensität ist kein Zusammenhang erkennbar.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Aha!)

Weitere Ergebnisse - auch aus dem Untersuchungsbericht - sind sehr unwahrscheinlich. Die Versuche sind sehr teuer, und deshalb werden sie eingestellt. Das war auch zu erwarten; denn bereits 1996 war der von Küstenschützern und Naturschützern besetzte Arbeitskreis „Treibsel“ des MU in Auswertung der vorhandenen Untersuchungen zu folgendem Ergebnis gekommen: Die Reduzierung des Aufwuchses der Salzwiesen durch extensive Bewirtschaftung kann die Entstehung von Treibsel nur begrenzt beeinflussen. Und weiter: Eine entscheidende Reduzierung des Treib

sels geht nur durch intensive und gleichzeitig großflächige Nutzung. - Mit einer extensiven Nutzung wird es also nicht erreicht werden. Das ist reines Wunschdenken.

Eine intensivere Nutzung als bislang, wie sie Ihnen möglicherweise vorschwebt - das konnte man im Ausschuss so vernehmen -, wird aber zu einer Artenverarmung in den Salzwiesen führen und verbietet sich von daher in einem Nationalpark generell.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Das ist eine Behauptung!)

- Herr Kollege, Sie müssen sich einmal die Flächen angucken, die beweidet bzw. gemäht werden.

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Die kennen wir zur Genüge!)

Auch eine flächendeckende Nutzung der Salzwiesen, wie sie augenscheinlich zwischen Carolinensiel in Ostfriesland bis hin zum Elbe-WeserDreieck von Ihnen angestrebt wird, ist mit den Zielen eines Nationalparks und dem Schutzzweck eines Nationalparks nicht vereinbar. Nach internationalen Kriterien der IUCN dient ein Nationalpark zuvörderst dazu, natürliche Entwicklungen zuzulassen. So steht es im Nationalparkgesetz für diesen Nationalpark und auch im Bundesnaturschutzgesetz. Eine großflächige Bewirtschaftung läuft diesen Zielen entgegen. Die Elbtalaue hat uns gelehrt, dass Nationalpark und Dauernutzung nicht miteinander vereinbar sind.

Schon jetzt werden fast 50 % der Außendeichsflächen im Nationalpark genutzt. Wenn es tatsächlich Ihr Ziel ist, den Einfluss der Nutzung zu untersuchen, dann sollten Sie zunächst einmal die Unterschiede bei den Teekmengen in den bisher schon genutzten und den ungenutzten Bereichen auswerten. Da hätten Sie eine große Aufgabe vor sich.

(Christian Dürr [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich gestatte keine Zwischenfrage, weil meine Redezeit zu Ende geht.

Salzwiesennutzung zur Reduzierung des Treibselanfalls ist also keine Lösung, es sei denn, man will es so intensiv und großflächig machen, dass man damit den Nationalpark kaputtmacht.

(Björn Thümler [CDU]: Was ist denn Ihre Lösung?)

Es braucht also andere Lösungen.

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Welche?)

Zum Beispiel müssen bei den anstehenden Deichbaumaßnahmen - die stehen ja im Elisabethaußengroden an, was ein Problembereich ist - Treibselwege angelegt werden, damit bei jeder Witterung das Treibsel vom Deich geholt werden kann.

(Björn Thümler [CDU]: Wir haben ja zu viel Geld!)

Eine andere Möglichkeit, die ich auch im Ausschuss schon erwähnt habe, ist, dass endlich einmal Fahrzeuge mit geringerem Anpressdruck auf den Boden eingesetzt werden. Natürlich kosten diese Maßnahmen Geld. Aber auch die Herrichtung von Salzwiesen für die Bewirtschaftung ist nicht kostenlos möglich, z. B. durch die Anlage der Grüppen und Ähnliches.

(Björn Thümler [CDU]: Was ist mit den Vorlandsabbrüchen?)

- Das hat doch nichts mit der Beweidung zu tun. Dann können wir auch über Erosionsfestigkeit bei Beweidung reden.

(Zuruf von Wolfgang Ontijd [CDU])

- Ja, das können wir machen. Darüber gibt es eine Hellerfestigkeitsstudie, auch vom NLWK.

Den finanziellen Einsatz, den der Unterhalt und der Erhalt der naturnahen Salzwiesen erfordert, sollte uns diese einmalige Naturlandschaft wert sein.

Herr Kollege Janßen, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Letzter Satz: Kehren Sie also um, machen Sie etwas Vernünftiges und betreiben Sie keine Augenwischerei mit untauglichen Versuchen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)