Protokoll der Sitzung vom 28.10.2004

Sollten jedoch weiterhin bundesgesetzgeberische Regelungen ausbleiben, ist es zwingend erforderlich, dass das Land zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung selbst tätig wird. Mit den Schmierereien geht ein Verlust unserer Werte einher. Der Verfall von Ordnung in unserem Lebensraum wird sehr deutlich. Verunstaltungen durch Graffiti könnten durch eine Verordnung der Landesregierung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. In den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hamburg und Thüringen wurde bereits auf die zögerliche Haltung der Bundesregierung reagiert. GraffitiSchmierereien werden dort als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet. Es ist schon mehr als peinlich, wenn die SPD-Fraktion im Bundestag keine eindeutige Position bezieht. Aber das ist ja nur ein weiteres Beispiel dafür, dass dort Entscheidungen gern vertagt werden und die Konsequenzen daraus auf dem Rücken unserer Bürgerinnen und Bürger ausgetragen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden unsere Augen und Ohren nicht verschließen, und wir werden die Hände nicht in den Schoß legen, bis man in Berlin das Ausmaß dieser Schmierereien endlich wahrnimmt und handelt. Unser Verständnis von Eigentum und Besitz macht es erforderlich, gegen die Sprayer, die ihre zweifelhafte Kunst illegal unter das Volk bringen wollen, vorzugehen.

Zum Schluss bleibt mir noch eine Anmerkung. Im Sinne einer besseren Vermittlung von Werten sollte man sich eines alten Sprichworts bedienen, das da heißt: Narrenhände beschmieren Tisch und Wände. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Briese das Wort. Bitte schön!

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Der Kunstsachverständige kommt zu Wort! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal: Ganz ruhig bleiben, liebe Kollegen, ganz ruhig bleiben. - Ich habe mich schon gefragt, wann dieses Thema von den Mehrheitsfraktionen wieder aufgetischt wird. Einmal pro Plenardebatte muss eine Verschärfung des Strafgesetzbuches selbstverständlich kommen, sonst fehlt Ihnen ja etwas in der Debatte.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben ein gestörtes Verhältnis zum Eigen- tum!)

Ich kann Ihnen nur empfehlen: Lesen Sie einmal öfter im Neuen Testament, dann können Sie, Herr McAllister, zu einer neuen Ethik kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Blättern Sie nicht immer im Strafgesetzbuch herum.

Ich will aber keine Missverständnisse aufkommen lassen, weil aus Ihren Reihen den Grünen gerne unterstellt wird: Wenn Graffiti gesprüht wird, dann

ist das ganz eindeutig ein Straftatbestand. Das ist ganz klar in § 303 StGB geregelt.

(Zuruf von Hans-Christian Biallas [CDU])

- Herr Biallas, Sie haben doch hier den neuen Ordnungsbegriff eingeführt. Jetzt hören Sie doch einmal zu. Sie reden immer von mehr Ordnung und mehr Werten. Dann hören Sie doch einmal in der Plenardebatte zu, bis der Redner zu Ende geredet hat, anstatt die ganze Zeit dazwischenzublöken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Da herrscht also Einigkeit. Graffiti ist nicht schön. Es besteht aus hässlichen Tags und ist eine Beleidigung für das Auge. Graffiti ist eine Verschandelung der Städte und ein Ärgernis für die Bevölkerung. Die Eigentümer sind betroffen. Gar kein Dissens in der Sache!

(Zurufe von der CDU)

Die große Frage und Auseinandersetzung in dieser Sache ist, ob wir das Problem irgendwie lösen, wenn wir den § 303 StGB ändern. Dadurch wird sich am Graffiti-Problem in unseren Städten gar nichts ändern.

(Bernd Althusmann [CDU]: Graffitis sofort beseitigen und die Strafe ver- schärfen, das ist die Lösung!)

Es gibt kein Regelungsdefizit, es gibt keine Gesetzeslücke. Es gibt einzig und allein ein Vollzugsdefizit, und es gibt eine Präventionsproblematik.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Lorberg, ich habe den Antrag genau gelesen. Ihre Behauptung, in den Expertenanhörungen im Rechtsausschuss hätten die Sachverständigen unisono gesagt, dass hier eine Regelungslücke bestehe, stimmt überhaupt nicht. Das stimmt in keinster Weise.

Es gab einen Oberstaatsanwalt aus Berlin, der gesagt hat: Wir kommen mit dem Gesetz bestens klar, wir brauchen keine Gesetzesänderung.

(Bernd Althusmann [CDU]: So sieht das in Berlin auch aus! - David McAl- lister [CDU]: Die begnadeten Juristen der Grünen! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)

- Zuhören, liebe Leute, zuhören! - Dann gab es einen Kriminologen von der Universität Frankfurt, der gefragt wurde: Nutzt es uns irgendwie, wenn wir diesen Paragrafen ändern? Er hat gesagt: Nein, brauchen wir nicht. Wir haben keine Strafrechtslücke, sondern wir haben einzig und allein ein Vollzugsdefizit.

Dann wurde ein Polizist, ein Praktiker gefragt: Kommen Sie mit dem Gesetz schlecht klar, brauchen Sie irgendwelche Änderungen? Er hat gesagt: Nein, mit dem Gesetz kommen wir gut klar. Wir haben einzig und allein ein Problem auf der Vollzugsebene.

Das war eine Anhörung im Bundestag. Da habe ich mir gesagt: Okay, ich setze mich noch einmal ans Telefon. Ich habe in der ganzen letzten Woche telefoniert. Ich habe mit Jugendbeauftragten der Polizei und mit Staatsanwälten gesprochen. Ich habe sie gefragt: Haben Sie ein Problem mit § 303 StGB? Gibt es da Probleme in der Anwendung? Brauchen Sie teure Gutachten?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Fehlanzeige, sage ich Ihnen, Fehlanzeige! Die Gutachtenproblematik gibt es gar nicht, die kolportieren Sie immer. Das ist aber ein großer Unsinn, den Sie hier behaupten. Es ist schlicht und ergreifend nicht wahr, dass es teurer Gutachten bedarf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist also eine ganze Menge Nebelkerzen, die Sie hier werfen, als ob in irgendeiner Art und Weise das Graffiti-Problem verändert werden würde, wenn dieser Paragraf geändert werden würde. Das ist schlicht falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Glocke der Präsidentin - Hans- Christian Biallas [CDU]: Was sollen wir denn machen?)

- Herr Biallas, es gibt zwei gute Vorschläge. In der letzten Woche kam dieses Blättchen von der GdP oder von der Polizei - der Name des Absenders ist mir entfallen -, in dem, glaube ich, aus Wolfsburg berichtet wurde, wie dort die Prävention funktioniert. Dort ist die Zahl der Graffiti-Tatbestände sig

nifikant heruntergegangen, weil dort die Präventionsstrategie verändert wurde. Sie können ja einmal mit der Jugendbeauftragten dort telefonieren.

Insofern ist das, was Sie hier behauptet haben, seit den 90er-Jahren würde sich die GraffitiProblematik immer mehr ausweiten, falsch. Das ist durch die Zahlen nicht belegt.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist absoluter Nonsens, was Sie hier ständig behaupten.

Sie können diese Verordnung erlassen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Okay, Sie stimmen zu! - David McAllister [CDU]: Wir wollen § 303 StGB ändern!)

Wir werden Sie dann daran messen, ob sich das Graffiti-Problem in Niedersachsen in irgendeiner Art und Weise verringert hat. Das müsste jetzt ja schon in Hamburg, in Sachsen und in Thüringen geschehen sein; dort hat man ja eine solche Verordnung schon erlassen. Angeblich wird dort jetzt schärfer bestraft. Dann haben wir ganz klare Daten, ob es besser geworden ist. Daran werden wir Sie messen. Wenn das dann in den nächsten zwei Jahren in Niedersachsen nichts gebracht hat, können Sie die Forderung nach der Änderung des § 303 StGB fallen lassen. Aber diese Forderung werden Sie so oder so erheben. Wir regieren jedoch noch in Berlin, und wir machen keine symbolische Gesetzgebung.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

- So ist es!

Herr Briese, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wenn sich da nichts ändert, dann können Sie eine überflüssige, bürokratische Verordnung wieder zurücknehmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Bockmann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Farbschmierereien eignen sich nicht zum politischen Schmierentheater.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das war für eine Sozialdemo- kratin schon anspruchsvoll!)

Sie von den Fraktionen der CDU und der FDP versuchen, populistische Politik zu machen, obwohl es darauf ankommt, in der Substanz voranzukommen. Denn Sprayen auf Autobahntafeln, Gebäude, Busse etc. ist nicht nur ein Handeln wider die Vernunft, es ist auch kein Kavaliersdelikt. Die Entfernung von Farbschmierereien, vor denen die Eigentümer als Opfer geschützt werden müssen, ist sehr kostenintensiv.