Protokoll der Sitzung vom 17.11.2004

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das gilt ausdrücklich auch für den allerallergrößten Teil der bei uns lebenden Muslime, die friedlich und rechtstreu sind und sich täglich um Integration bemühen. Aber ein nicht unbeträchtlicher Teil der in Deutschland lebenden Muslime ist in Parallelgesellschaften verhaftet. Diese Getto-Mentalität, so Professor Bassam Tibi, bietet dem so genannten Islamismus Nährboden. Unser Problem ist also nicht der Islam als solches, sondern eine radikale politische Bewegung, der militante Islamismus.

Nur 1,2 % der 3 Millionen Islame in Deutschland gehören der politischen Bewegung des Islamismus an. Aber für diese Islamisten darf staatliches Handeln nicht auf den Willen des Volkes oder Mehrheitsentscheidungen gestützt werden, sondern darf nur von Allah hergeleitet werden, dessen Wille sich im Koran offenbart habe. Die Weltherrschaft des Islam ist ein offen bekanntes Ziel der Islamisten.

Schätzungen sagen - so haben wir nachgelesen -, dass in Deutschland etwa 35 000 Islamisten leben; davon sind 3 500 als gewaltbereit zu bezeichnen, darunter einige hundert in Niedersachsen. Meine Damen und Herren, von diesen Islamisten geht eine nicht zu verharmlosende Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands und unsere freiheitlich demokratische Grundordnung aus.

Meine Damen und Herren, Bundespräsident Horst Köhler hat in den letzten Tagen die Menschen in unserem Land aufgefordert, sich mit Respekt und Toleranz zu begegnen.

„Keine Gruppe soll aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, keine soll sich selbst ausschließen. Nur gemeinsam können wir unsere Gesellschaft zum Wohle aller gestalten.“

So der Bundespräsident.

Wir haben in Niedersachsen in den letzten Monaten gerade deshalb bereits viel getan. Für uns beginnt Integration bei den Kindern, und Integration erfolgt vor allem durch Sprache. So setzt das Land Niedersachsen 4,8 Millionen Euro als freiwillige Leistung auch weiterhin für die Beschäftigung zusätzlicher Fachkräfte und die Weiterbildung des Fachpersonals in Kindergärten mit einem hohen Anteil an Kindern ausländischer Herkunft oder aus besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen ein.

Das Land hat in den letzten sechs Monaten an den Schulen insgesamt 14 175 Lehrerstunden eingesetzt, um die Sprachkenntnisse im ersten Halbjahr vor der Einschulung zu verbessern. Niedersachsen gibt somit mehr als 18 Millionen Euro für die Sprachförderung aus. Das ist mehr als in allen anderen Bundesländern. Diese Politik von Kultusminister Bernd Busemann zeigt erste Erfolge und erfährt deshalb die volle Unterstützung der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass alle in Deutschland lebenden Ausländer deutsch sprechen können. Innenminister Uwe Schünemann hat deshalb Forderungen zur Integration durchgesetzt, z. B. dass Deutschkurse verpflichtend besucht werden müssen. Wir müssen fördern und fordern. Der Integrationswille aller Beteiligten muss erkennbar sein. Wer von Sozialhilfe lebt und Deutschkurse ablehnt, der muss in Zukunft weniger staatliche Hilfe in Kauf nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Toleranz ist die Anerkennung des anderen auf der Basis von wechselseitigem Respekt. Wir dürfen aber Toleranz nicht mit Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit verwechseln. Unsere wehrhafte Demokratie erfordert Toleranz gegenüber den Toleranten, aber null Toleranz gegenüber den Intoleranten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und deshalb gilt für Rechtsextremisten, über die wir häufig schon hier im Landtag debattiert haben, deshalb gilt für Linksextremisten und ebenso für islamistische Extremisten: keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir von der CDU sind der Auffassung: Wer in Deutschland lebt, der darf nicht aktiv den islamistischen Terror unterstützen. Terrorverdächtige Personen haben dieses Land konsequent zu verlassen, und das muss im Interesse aller schneller gehen! Die Klagemöglichkeiten gegen Abschiebungen dürfen nicht jahrelang über drei, vier, fünf oder sechs Instanzen gehen. Wir brauchen beschleunigte Verfahren und eine Rechtsinstanz für diesen Personenkreis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dazu sind wir einer Meinung mit vielen Innenpolitikern in Deutschland: Einen eigenen deutschen Pass zur Unterstützung ihrer Taten dürfen diese Menschen gar nicht erst in die Hände bekommen. Deshalb fordern wir strenge Maßstäbe für die Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft. Wir sagen: kein deutscher Pass für Extremisten und Terroristen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Verfassungsschutz, die Polizei und der Bundesgrenzschutz brauchen effektive Instrumente. Dazu zählen u. a. die verdachtsunabhängigen Kontrollen, die Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr, die Einreisedatei, die EUROPOL-Gefährder-Datei, um nur einige Beispiele zu nennen.

Und schließlich, meine Damen und Herren, die Tageszeitung Die Welt schrieb gestern:

„Laut Verfassungsschutzangaben wird in 100 der insgesamt 2 000 Moscheen in Deutschland die Predigt als Aufruf zu Hass und Gewalt missbraucht.“

Wenn dem so ist, müssen wir konsequent sagen: Hassprediger haben in Deutschland nichts zu suchen!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist deshalb richtig, dass der so genannte Kalif von Köln, Metin Kaplan, abgeschoben wurde, und

wir hoffen, dass viele seiner Gesinnungsgenossen folgen werden. Mir ist dabei ziemlich egal, in welcher Sprache in der Moschee gepredigt wird. Deutsch wäre im Sinne der Transparenz wünschenswert, aber entscheidend ist, was ein Imam sagt, und weniger, in welcher Sprache er dieses tut.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundrechte schützen die Würde und die Unverletzlichkeit der Person - unabhängig vom Glauben der Person. Deshalb hat niemand das Recht, unter Berufung auf religiöse Regeln oder Traditionen anderer Gesellschaften Menschen zu etwas zu zwingen oder sie zu verletzen. Das gilt insbesondere im Umgang mit Frauen und Kindern.

Was wir deshalb flankierend brauchen, sind viele, viele Integrationsmaßnahmen. Dazu zählen Kurse über Menschen- und Frauenrechte schon in den Schulen. Wir brauchen eine Kontrolle der an den Koranschulen gelehrten Inhalte. Wir brauchen eine offensive Jugendarbeit durch staatliche, kirchliche und vereinsgebundene Stellen in den Stadtvierteln, wie das bereits vielfach in Niedersachsen täglich praktiziert wird. Wir brauchen Hilfsangebote für unterdrückte Frauen und Berufseinsteigermodelle für Musliminnen. Was wir vor allem jetzt sehr schnell brauchen, sind die im Zuwanderungsrecht vorgesehenen Integrationskurse für das Erlernen der deutschen Sprache und zur Orientierung über die deutsche Rechtsordnung, Kultur und Geschichte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für uns ist und bleibt die Sprache das A und O der Integration. Für uns ist uns bleibt die deutsche Sprache der Schlüssel zur erfolgreichen Integration in Deutschland.

Meine Damen und Herren, was wir wollen, was wir brauchen und was wir uns wünschen, sind eine aktive Integration der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer und gleichzeitig ein entschlossenes Handeln des Staates zum Schutze unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Kollege Gabriel hat jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast alles von dem, was der Kollege McAllister gesagt hat, ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage zuerst, was nicht selbstverständlich ist und wobei man wohl aufpassen muss. Selbst wenn wir alle der Überzeugung sind, dass so etwas wie bei Herrn Kaplan und anderen ein Skandal ist, dann würde ich mich nicht hier hinstellen und sagen, dass es über vier, fünf oder sechs Instanzen geht - wissend, dass es in Deutschland gar nicht so viele Instanzen gibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn man diese Debatte führt, dann gehört absolute Seriosität in die Argumentation, weil man sonst über die Sprache, die man wählt, ganz nah dabei ist, diejenigen zu bedienen, die man nicht meint. Ich bin ganz sicher, dass Herr McAllister diese nicht meint.

Aber zurück zu dem eigentlichen Problem: Trotz dieser Einigkeit in der Sache hat sich in den letzten Jahren nichts verbessert. Es gibt in Deutschland ein Riesenproblem: Wir nehmen die Desintegration vieler Menschen, die seit vielen Jahren bei uns leben, seit Jahrzehnten zur Kenntnis, haben in Plenardebatten darüber gesprochen, haben durchaus auch mit gesetzgeberischen Initiativen, sogar mithilfe von Fördermitteln, versucht, etwas dagegen zu tun. Es hat sich aber kaum etwas bewegt. Im Gegenteil: Obwohl wir seit Jahrzehnten Erfahrungen mit mangelnder Integration von Menschen - Sie haben die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter genannt, die wir angeworben haben, damit sie in Deutschland arbeiten - haben, haben wir in dem Bereich, in dem wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten die größte Zuwanderung hatten, nichts aus dieser Erfahrung und dem Integrationsverhalten derjenigen, die als Arbeitskräfte zu uns gekommen sind, gelernt. Die Parallelgesellschaften, die wir dort erleben, erleben wir erneut, insbesondere in den letzten zehn Jahren, bei den zu uns kommenden Aussiedlerinnen und Aussiedlern und ihren Familien. Warum reden wir darüber nicht genauso offen, warum begrenzen wir das Integrationsproblem auf einen Teil der Muslime, die sich dem Fundamentalismus zugehörig fühlen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich behaupte, Herr McAllister, es ist die gefährlichste Form der Parallelgesellschaft, wenn sich Leute, die sich einer politischen Bewegung zugehörig fühlen und die in Wahrheit in ihren Heimatländern versuchen wollen, islamistische Staaten zu errichten, bei uns dafür nur die Agitations- und Handlungsbasis suchen. Wenn wir aber über Desintegration und Parallelgesellschaften reden, dann müssen wir doch auch offen über die viel größere Anzahl von Menschen reden, die hier leben und die aus dem Ausland als Arbeitskräfte zu uns gekommen sind und in zweiter und dritter Generation immer noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, aber auch über die Familien von Aussiedlern, die anders als vor zehn bzw. fünfzehn Jahren bei uns keine Arbeit finden, auf die uns unsere Nachbarn und die Wählerinnen und Wähler in unseren Wahlkreisen ansprechen, indem sie sagen, es handele sich doch um die Russen und nicht etwa um die Deutschen, obwohl wir wissen, dass sie einen deutschen Pass haben.

Wir wissen, dass in der Jugendstrafanstalt in Hameln immer mehr jugendliche Aussiedler einsitzen und langjährige Haftstrafen zu verbüßen haben. Die Sozialarbeiter dort sagen uns: Wenn ihr den Zuzug nicht endlich stoppt, dann werden wir das nicht wieder in den Griff bekommen, auch mit den meisten Resozialisierungsmaßnahmen nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das bedeutet, Herr McAllister, wer über Integrationsprobleme in Deutschland redet, der darf nicht so tun, als gäbe es nur ein einziges, wenn auch - das gebe ich zu - ein außerordentlich gefährliches Problem. Wir haben uns in unserem Land seit vielen Jahrzehnten auf allen Seiten damit zufrieden gegeben, dass wir uns nicht umeinander kümmern mussten. Wir Deutsche haben doch in Wahrheit kein Interesse daran gehabt, große Integrationsleistungen - und zwar nicht mit Geld und Gesetzen, sondern im Alltag - zu vollbringen. Diejenigen, die wir hereingeholt haben, waren auch zufrieden, dass wir sie nicht mit einer Integration belästigt haben, die keine Assimilation bedeutet, die aber ein aktives Eintreten und Mitmachen in unserer Gesellschaft bedeutet hätte. Was wir im Zweifel nicht brauchen, sind größere Integrationsleistungen in gesetzgeberischer Form, sondern wir brauchen eigentlich mehr Softwareintegration. Wir brauchen die türkische Mutter im Elternbeirat, wir

brauchen den türkischen Vater nicht nur im Betriebsrat, sondern wir brauchen endlich z. B. Leute aus anderen Herkunftsgebieten, die in weit größerem Umfang als bisher in der Polizei tätig werden, damit sie im Alltag sichtbar sind.

Bei Softwareintegration geht es nicht immer nur um große Programme, sondern vor allem darum, dass wir uns denjenigen öffnen, die über Jahrzehnte hier leben. Herr McAllister, ich habe gut in Erinnerung, welche Argumente hier vorgetragen worden sind, als es schlicht und ergreifend um die Frage ging, ob jemand, der 10, 15, 20, 30 Jahre hier lebt, nicht wenigstens das Kommunalwahlrecht erhalten sollte, meine Damen und Herren, wenigstens das.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir Islamisten entgegentreten wollen - um das Thema einmal aufzugreifen -, dann müssen wir uns natürlich über deren Stoßrichtung im Klaren sein. Ich wiederhole: Das ist eine politische und keine religiöse Bewegung. Sie haben als erstes das Ziel, Regierungen in ihren Heimatländern, also im arabischen Raum, die ihnen nicht passen, zu beseitigen. Das ist das eigentliche Ziel von Osama bin Laden in seinem Herkunftsstaat, in Saudi-Arabien. Sie versuchen natürlich, bei uns Unterstützer zu finden. Wo suchen sie die? - Unter Menschen ihres Glaubens, die den Eindruck haben, dass sie sich mit ihrer Kultur und ihrem Glauben bei uns nicht werden bewegen können. Ich glaube, dass das falsch ist. Ich glaube, dass alles, was Sie zur aktiven Integrationsleistung gesagt haben, richtig ist. Aber ich sage Ihnen auch: Wenn wir diesen Menschen immer dann, wenn es darauf ankommt, zeigen, dass wir lieber auf ihrem Rücken Unterschriftenkampagnen oder politische Wahlpropaganda - z. B. über das Thema Türkei - vorbereiten wollen, dann, meine Damen und Herren, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn sie den Eindruck haben, dass wir sie hier gar nicht wollen. Auch darum geht es.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich stimme Ihnen zu: Es ist wichtig, dass die deutsche Sprache gelernt wird. Aber bevor ich einen Imam öffentlich auffordere, in der Moschee auf Deutsch zu predigen - was ich im Zweifel auch gut fände; in deutschen Schulen muss Unterricht allemal in deutscher Sprache erteilt werden; auch da