Protokoll der Sitzung vom 19.11.2004

(CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Christian W u l f f (CDU)

Staatssekretär Dr. Roland K o l l e r , Staatssekretär Wolfgang M e y e r d i n g , Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretär Dr. Lothar Hagebölling , Hartmut M ö l l r i n g (CDU) Niedersächsisches Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Dr. Ursula von der L e y e n (CDU)

Kultusminister Bernd B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Walter H i r c h e (FDP)

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n Niedersächsisches Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Hans-Heinrich S a n d e r (FDP)

Beginn: 9.02 Uhr.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Sitzung im 17. Tagungsabschnitt der 15. Wahlperiode.

Geburtstag haben heute die Abgeordneten Volker Brockmann

(Beifall im ganzen Hause)

und Frank Oesterhelweg.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich wünsche beiden Abgeordneten von dieser Stelle aus alles Gute und hoffe, dass sie nachher noch Zeit haben, ordentlich zu feiern.

(Bernd Althusmann [CDU]: Haben wir schon!)

- Nach der Sitzung, nicht jetzt.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagungsordnungspunkt 28, der Fragestunde. Es folgt dann Punkt 2, die Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung. Die heutige Sitzung soll gegen 12.50 Uhr enden.

Ich erinnere an die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst.

Es folgen jetzt geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Inneres und Sport, Herr Schünemann, von der Fraktion der CDU Frau Vogelsang, von der Fraktion der SPD Herr Bachmann, Herr Pickel und Herr Uwe Schwarz, von der Fraktion der FDP Herr Dr. Rösler und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Professor Dr. Lennartz.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 28: Mündliche Anfragen - Drs. 15/1435

Es ist jetzt 9.03 Uhr. Ich rufe auf

Frage 1: Ignoriert die Landesregierung verfassungsrechtliche Vorgaben in der Rundfunkpolitik?

Sie wird vom Abgeordneten Ralf Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über die Erhöhung der Rundfunkgebühren in Deutschland hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. Haben verschiedene Ministerpräsidenten vor einigen Monaten einer Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch eine völlige Absage erteilt, so haben sich nunmehr die Ministerpräsidenten der Länder auf eine Erhöhung von 0,88 Euro für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verständigt.

Demgegenüber hat die staats- und politikferne Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes (KEF) eine Gebührenerhöhung von 1,09 Euro gefordert. Die KEF ist eine unabhängige Institution und trägt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994 Rechnung. Darin hat das höchste deutsche Gericht festgelegt, dass Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes für die Festsetzung der Rundfunkgebühren ein Verfahren verlangt, welches dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgaben im dualen System erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn vor Einflussnahmen auf das Programm wirksam sichert.

Verschiedene Medienrechtler haben die Abweichung der Ministerpräsidenten vom KEF-Vorschlag hinsichtlich der Gebührenerhöhung scharf kritisiert und erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Auch die Intendanten der Sendeanstalten behalten sich eine Verfassungsklage vor. Einigkeit herrscht bei den Intendanten in der Bewertung des fragwürdigen politischen Verhaltens der Ministerpräsidenten. Das Verfahren zur Festsetzung der Gebühr ist nach Ansicht der Medienschaffenden „schwer beschädigt“ und leistet der allgemeinen Normenverletzung Vorschub.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie rechtfertigt sie die Abweichung in der Gebührenfestsetzung durch die Ministerpräsidenten der Länder und somit auch Niedersachsens von der Gebührenermittelung der KEF?

2. Sieht sie durch die Aufhebung des so genannten PC-Moratoriums (im Rundfunkfinanzierungs- staatsvertrag) eine signifikante wirtschaftliche Belastung auf niedersächsische klein- und mittelständische Unternehmen zukommen?

3. Warum sollen an der Gebührenerhöhung nicht die Landesmedienanstalten partizipieren?

Für die Landesregierung antwortet Herr Ministerpräsident Wulff.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen. Einleitend möchte ich sagen, dass das Bundesverfassungsgericht tatsächlich ein Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren vorgegeben hat und dass sich die Länder danach grundsätzlich an den Gebührenvorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten - abgekürzt „KEF“ gebunden fühlen sollen. Aber genau dieses Verfahren des Bundesverfassungsgerichts eröffnet auch die Möglichkeit, aus Gründen der Sozialverträglichkeit von diesem Vorschlag abzuweichen. Für die Ministerpräsidenten aller Länder und für die Regierenden Bürgermeister war klar, dass wir prüfen müssen, ob den Bürgern eine höhere Gebühr zumutbar ist. Das ist der zentrale Aspekt dieser Problematik.

Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung sind wir im Kreise der Ministerpräsidenten zu dem Ergebnis gekommen, dass gemäß § 7 Abs. 2 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages eine Abweichung von den Empfehlungen der KEF geboten war. Im Ergebnis war der deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage Rechnung zu tragen, die große Herausforderungen stellt und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung einschließlich Leistungsreduzierungen auch im sozialen Bereich erforderlich gemacht hat. Das gilt für die Bundes- wie für die Landesebene. Das gilt auch für die Tarifvertragsparteien. Ich erinnere daran, dass man sich bei

Volkswagen auf 28 Monate Nullrunde verständigt hat, eben auch bei Symrise in Holzminden auf zwei Jahre. Die Streichung der Sonderzuwendungen im öffentlichen Dienst ist ebenso zu nennen wie die Tatsache, dass jetzt auch die Landtagsabgeordneten im dritten Jahr in Folge auf eine Anpassung der Diäten verzichten. Das heißt, es geht hier um ein gesamtwirtschaftliches Umfeld, von dem die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten müssen zur Kenntnis nehmen, dass es in Deutschland nicht mehr wie früher immer nur bergauf geht, sondern dass Deutschland in den vergangenen Jahren ärmer geworden ist. In vielen Bereichen müssen echte substanzielle Einschnitte vorgenommen werden. Davon kann man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk doch nicht völlig ausnehmen. Ich weise aber darauf hin, dass es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht um Kürzungen, nicht um Einschnitte geht, sondern dort geht es um die Begrenzung des Zuwachses. Stellen Sie sich einmal vor, welch glänzende Verhältnisse wir hätten, wenn uns nach Anmeldung eines Mehrbedarfes dieser Mehrbedarf zugestanden würde. Man könnte sich für die sozialen Bereiche unseres Landes fast wünschen, einem vergleichbaren Verfahren unterworfen zu sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb sage ich Ihnen sehr offen, dass ich die in Ihrer Anfrage zum Ausdruck kommende Empörung für unangebracht halte, da wir den Parlamenten nicht eine Gebührenerhöhung um 1,09 Euro, sondern nur eine um 88 Cent vorschlagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Faktisch ist es so, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland vom 1. April des nächsten Jahres an unter der Voraussetzung, dass Sie den Vertrag hier demnächst genehmigen - wir werden hier über ihn debattieren, ihn billigen und beschließen -, 17,03 Euro pro Monat zu bezahlen haben werden. Das bedeutet 204 Euro und ein paar Cent pro Jahr - das sind 400 DM pro Jahr -, die wir einem Haushalt an Gebühren für die öffentlichrechtliche Grundversorgung zumuten. Da ist die Frage zu stellen: Was geht noch zusätzlich, und geht überhaupt etwas zusätzlich? - Das ist der Hintergrund für die Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz.

Gleichzeitig wissen Sie, dass ich mich für einen Kompromiss eingesetzt habe und dass ich niemals von einer Nullrunde gesprochen habe oder davon, dass keine Gebührenerhöhung zugestanden werden sollte, was durchaus in den Regierungsfraktionen differenziert beurteilt wird. Ich möchte aber, dass künftig mit der Technologieentwicklung und mit dem hohen programmatischen Qualitätsstandard des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks Schritt gehalten werden kann. Deswegen sehe ich den Kompromiss mit 88 Cent als ein gutes Ergebnis zur Sicherung des dualen Rundfunksystems in Deutschland. Dass die öffentlichrechtlichen Anstalten ihren Verpflichtungen sehr wohl nachkommen können, zeigt wohl auch die aktuelle Verpflichtung eines bekannten deutschen Entertainers für die ARD zu einem doch sehr hohen Honorar. Über die Verwendung dieses Geldes könnte man durchaus andere Vorstellungen haben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die drei Fragen, die leider außerordentlich kompliziert sind und deswegen eine detaillierte Antwort erforderlich machen, wie folgt:

Zu 1: Die Regierungschefs der Länder haben den 14. Bericht der KEF und die Empfehlung, die Rundfunkgebühr um monatlich insgesamt 1,09 Euro zu erhöhen, zur Kenntnis genommen. Sie sind nach umfassenden Beratungen der Rundfunkkommission unter Einbeziehung von ARD, ZDF und Deutschlandradio und nach Erörterung mit der KEF zu dem Ergebnis gelangt, dass hiervon gemäß § 7 Abs. 2 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages eine Abweichung geboten ist. Danach ist die Gebührenerhöhung insgesamt auf 0,88 Euro monatlich festgesetzt worden und im Ergebnis wie folgt begründet - ich muss das hier ausführen, weil möglicherweise Intendanten die Landesregierungen oder Länderparlamente verklagen wollen und diese Dinge mit herangezogen werden könnten; von daher bitte ich um Vergebung, wenn ich Ihre Zeit etwas mehr als üblich strapaziere -: Die von der KEF vorgelegte Gebührenerhöhung fällt in das Umfeld einer deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage, die große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringt. Die Angemessenheit dieser Belastung für die Gebührenzahler war also zu berücksichtigen. In die Angemessenheit einer zusätzlichen Belastung des Gebührenzahlers ist einzubeziehen, dass die KEF selbst in ihrem 14. Bericht vorhandene Einsparpotenziale aufzeigt, die noch nicht hinreichend er

schlossen wurden. Darüber hinaus haben die Rundfunkanstalten mit der Vorlage von Selbstverpflichtungen deutlich gemacht, dass sie entschlossen sind, durch strukturelle und sonstige Maßnahmen jenseits der KEF-Vorgaben solche Einsparpotenziale nutzbar zu machen. Solche Einsparpotenziale ergeben sich weiterhin aus veränderten staatsvertraglichen Rahmenbedingungen. So ist es in der Entscheidung der Rundfunkanstalten unter Wahrung der Möglichkeiten, auf DVB-T umzustellen, die analoge terrestrische Fernsehversorgung dann einzustellen, wenn die Versorgung über einen anderen Übertragungsweg gewährleistet ist. Zusätzlich werden einschließlich der Vereinfachung des Gebührenbefreiungsrechts die die Rundfunkgebühr entlastenden Maßnahmen vorgenommen. Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass es für mich eine ständige Aufgabe ist, die Kommunen zu entlasten, und dass wir als Niedersachsen deswegen darauf gedrängt haben, dass in Zukunft für die Gebührenbefreiungstatbestände die Gebühreneinzugszentrale zuständig ist und nicht mehr die Kommunen. Das wird die kommunalen Sozialbehörden nachhaltig entlasten, also von der Bewilligung von Gebührenbefreiungen. Das ist ein wichtiger Nebenaspekt dieses neu geregelten Bereichs.

(Beifall bei der CDU)