„... der Landesjugendring... habe der Politik von sich aus großzügige Einsparangebote zur Rettung unseres Vaterlandes unterbreitet. Die Jugendverbände sind mit Recht über den Verrat ihrer Interessen empört und fühlen sich verschaukelt.“
Diese Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen. Ich will mich hier kurz fassen. Angesichts der Wetterlage habe ich den Wunsch, dass Sie alle heil nach Hause kommen. In Gesprächen mit den betroffenen Verbänden hören wir immer wieder Worte wie „Vertrauensbruch“, „keine Verlässlichkeit“, „Zusagen werden nicht eingehalten“. Ich finde es schon bitter, wenn dem Landesblindenverband die Zusage gegeben wird, dass die Kürzungen nicht wiederholt werden, und wir erleben müssen, dass die Blinden vor dem Parlament demonstrieren, um auf diese Zusage hinzuweisen.
Wie passt das damit zusammen, dass die Ministerin im September 2003 eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Freie Wohlfahrtsverbände können keine weiteren Mittel-Kürzungen verkraften“ herausgab? Gilt 2004 nicht mehr das, was 2003 galt?
Mein Fazit: Diese Landesregierung und die Fraktionen, die sie tragen, sind weit von dem selbst postulierten Weg abgekommen. Deshalb unser Antrag „Partnerschaftliche Sozialpolitik II“. Er ist fast wortgleich mit früheren Aussagen und will Sie an das erinnern, was Sie selbst gesagt haben und was Sie selbst als Maßstab für Ihre Arbeit gewählt
haben. Er will Sie daran erinnern, was in diesem Landtag einmal beschlossen worden ist. Wir verbinden damit die Aufforderung an die Landesregierung, Landtagsbeschlüsse ernst zu nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hemme, vielen Dank für die Fürsorge im Hinblick auf die Rückreise vom Landtag in die Wahlkreise. Die Witterungsbedingungen sind noch einigermaßen erträglich, und Ihre Rede war keinesfalls stürmisch. So dürfen Sie das bitte nicht betrachten.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat mit ihrem Antrag die Entschließung des Landtages aus dem Jahre 2003 aufgegriffen, mit der der Landtag auf Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP richtigerweise, wie ich finde, die Landesregierung aufgefordert hat, bei der Ausformulierung und Durchführung der Sozialpolitik auf die partnerschaftliche Beziehung zu den Kommunen einerseits und den Verbänden von Trägern sozialer Einrichtungen andererseits zu achten.
Auf diese Entschließung hat die Landesregierung im März 2004 ausführlich geantwortet. Frau Hemme, diese Antwort und unser Antrag sind weder im Entschließungsantrag noch in der Begründung auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt worden. Sie haben erstmalig in Ihrer Rede hier darauf hingewiesen. Ich meine, so einfach darf man es sich nicht machen.
Sie setzen noch einen drauf: Mit Ihrem Antrag haben Sie unseren Antrag aus dem März 2003 im Wortlaut nahezu übernommen, förmlich kopiert. In dem Text dieser Entschließung ist der Absatz 1 glatt abgeschrieben worden, in Absatz 2 ist lediglich das Wort „rechtzeitig“ eingefügt worden, in Absatz 3 wurde das Wort „Kommune“ durch ver
schiedene Verbände ersetzt, und hier fordert auch die SPD-Fraktion die Landesregierung auf, für die Verbände Planungssicherheit über den bestehenden Zeitraum eines Haushaltsjahres von zwölf Monaten hinaus zu gewährleisten. Meine Damen und Herren, das ist angesichts der drückenden Schuldenlast Niedersachsens sowie der dafür verantwortlichen rot-grünen Wirtschafts- und Finanzpolitik auf Bundesebene nicht ohne Weiteres möglich. Was helfen Versprechen, wenn hinterher das Geld zur Umsetzung fehlt und nur über die Aufnahme neuer Schulden zu beschaffen ist?
Meine Damen und Herren, Voraussetzung hierfür ist also, dass verbindliche, realistische, seriöse Steuerschätzungen aus dem Bundesfinanzministerium vorliegen, um eine entsprechende Planungsgrundlage zu erhalten.
Meine Damen und Herren, zu Zeiten der von der SPD geführten Landesregierung - das macht sich an den von Ihnen zu verantwortenden Haushalte der Jahre 2002 und 2003 sehr deutlich - haben Sie natürlich auch Gespräche mit den Verbänden über die finanzielle Notlage geführt. Die Verbände haben in diesen Gesprächen aber stets erklärt, dass Abstriche bei den Sozialausgaben mehr als unangenehm seien. Dann sind Sie zu den Kreditinstituten gegangen und haben die Verschuldung nach oben getrieben. Das ist bequem. Auf diese Weise kann man natürlich Konflikten aus dem Weg gehen und über eine erhöhte Neuverschuldung unsere kommenden Generationen belasten.
Offensichtlich ist das auch weiterhin Ihr Politikverständnis trotz Ihrer Klausurtagung vor wenigen Tagen. Denn wenn Sie in der Begründung ausführen, die Landesregierung ignoriere die Bedenken der Verbände und greife deren Vorschläge nicht auf, dann frage ich ernsthaft: Wann sind denn die Sozialpolitiker der SPD-Fraktion tatsächlich in der Wirklichkeit angekommen?
Wir gehen in der Tat einen anderen Weg. Wir richten alle Leistungen, d. h. auch Sozialleistungen des Landes, konsequent an den Einnahmen aus. Das haben wir auch in allen unseren Gesprächen immer wieder deutlich gemacht. Das Problem ist nun, dass die Verbände Schwierigkeiten haben, diese Botschaft tatsächlich zu verinnerlichen und entsprechend zur Kenntnis zu nehmen. Sie fußen offensichtlich immer noch auf den Erfahrungen mit
der SPD-geführten Landesregierung. Ein gutes Beispiel war jüngst in der HAZ vom 9. November nachzulesen.
Da wurde von Herrn Famulla beklagt, dass die Kürzungen ungünstige Folgen haben. Über diese Aussage kann man natürlich streiten. Aber eines ist doch ganz wichtig, wenn man solche öffentlichen Erklärungen abgibt: Es muss auch deutlich gemacht werden, dass Kürzungen notwendig sind, weil wir uns in einer äußerst schwierigen finanziellen Situation befinden. Wir meinen, Partnerschaft heißt auch, zumindest ansatzweise die Lage des Partners zur Kenntnis zu nehmen. Aber was passiert hier? - Es wird so getan, als wenn das Land aus Jux und Tollerei finanzielle Einschränkungen vornimmt. Gerade das ist keine Grundlage für eine Partnerschaft.
Aufgabe in dieser Situation ist es vielmehr, deutlich zu machen, dass eine derartige Argumentation an der Finanzsituation des Landes überhaupt nichts ändert und dass die Freie Wohlfahrtspflege als Partner aufgefordert bleibt, die Finanzlage zur Kenntnis zu nehmen und sich auch entsprechend darauf einzustellen.
Meine Damen und Herren, wir wissen aus vielfältigen Gesprächen mit den Verbänden, dass nicht nur mit uns lebhaft darüber diskutiert wird, sondern auch mit der Landesregierung, insbesondere mit dem Sozialministerium. Nicht nur Hartz IV, sondern darüber hinaus auch viele andere Themen, die wir hier im hohen Haus behandeln, sind fast täglich Gegenstand der Kontakte, die notwendigerweise bestehen.
Die Fraktionen der CDU und der FDP haben zu Beginn der Legislaturperiode mit ihrem Antrag ein deutliches Zeichen setzen wollen, Frau Hemme, wie künftig der partnerschaftliche Umgang mit Kommunen und Verbänden in der Sozialpolitik ge
Die SPD-Fraktion hat damals im Sozialausschuss unseren Antrag abgelehnt und einen eigenen Änderungsantrag eingebracht. Heute hat die Sprecherin der SPD-Fraktion sogar erklärt, dass der Text weitgehend übernommen worden ist.
- Warten Sie doch ab! - Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie haben kopiert. Sie haben nichts anderes zu tun als abzuschreiben. Sie schwächeln, meine Damen und Herren Sozialdemokraten,
angesichts der Auswirkungen Ihrer Landespolitik seit 1990 und der Auswirkungen der Bundespolitik in Berlin.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie zur Kenntnis: Sozialpolitik in der heutigen Zeit bedeutet letztendlich nicht, seinen Sozialträumen nachzuhängen und nicht die Frage der Finanzierung zu stellen, sondern der Wirklichkeit ins Auge zu schauen und dafür Sorge zu tragen, dass die wirklich sozial Schwachen, die wirklich Bedürftigen die Errungenschaften eines deutschen Sozialstaates weiterhin genießen dürfen und auch notwendigerweise zugeführt bekommen.
Dieser Grundsatz war die Voraussetzung für unseren Antrag. Das bedeutet, partnerschaftliche Sozialpolitik wird ganz im Sinne unseres Antrages aus dem Jahr 2003 und der Antwort der Landesregierung betrieben.
Meine Damen und Herren, da Sie über unseren Antrag referiert und hier deutlich gemacht haben, dass Sie marginal inhaltliche und redaktionelle Veränderungen herbeigeführt haben, aber im Wesentlichen die inhaltlichen Aussagen unseres Antrages nunmehr mittragen, freue ich mich sehr darüber, dass wir uns mit unserem Antrag bestätigt sehen, den wir hier vor über einem Jahr eingebracht und beschlossen haben. Wenn es hier jetzt einen gemeinsamen Weg gibt, meine Damen und Herren, dann lassen Sie uns doch diesen Weg auch tatsächlich gemeinsam gehen. Wir haben aufseiten der CDU-Fraktion kein Problem, diesen
Antrag heute zu beschließen. Deshalb beantrage ich im Namen meiner Fraktion sofortige Abstimmung über den gestellten Antrag. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Harden [SPD]: Das können Sie, aber wir müssen es nicht machen! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Das wäre ja ganz merkwürdig! Das kann man nun wirklich nicht ernsthaft machen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, das Wort hat die Abgeordnete Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Böhlke, im Kern geht es darum, dass Sie Anträge beschlossen haben und wir jetzt darauf achten müssen, dass Sie sich auch an das halten, was Sie beschlossen haben.
Die Landesregierung hat in der Regierungserklärung im März letzten Jahres erklärt, einen gemeinsamen Weg zu einem sozialen Niedersachsen verbindlich verabreden zu wollen. Noch im selben Monat haben Sie hier als Regierungsfraktionen den Antrag zur partnerschaftlichen Sozialpolitik vorgelegt, in dem Partnerschaft und Verlässlichkeit geradezu beschworen wurden. Das waren wirklich feine Worte. Das waren auch sehr schöne Versprechungen.
Wie aber sieht nun die Realität für die Träger sozialer Arbeit aus? - Genau vier Monate nach ihrer schönen Regierungserklärung kündigte die Landesregierung ohne Vorankündigung die Vereinbarungen mit der freien Wohlfahrt über die Verwendung der Konzessionsabgaben auf. In einem ersten Verhandlungsgespräch einigten sich dann das Sozialministerium und die Verbände darauf, dass die Mittel nicht angetastet würden, sondern man sich lediglich über Vertragsinhalte verständigen wolle. Dazu gab es sogar eine gemeinsame Presseerklärung. Nur einen Tag später beschloss das Kabinett eine 10-prozentige Kürzung der Mittel. Meine Damen und Herren, Verabredungen mit Halbwertzeiten von 24 Stunden kann man nun auch bei allerfreundlichster Betrachtungsweise nicht mehr als verlässlich bezeichnen.
Aber das ist, auch wenn man es kaum glauben mag, noch steigerungsfähig. Zum 1. Januar 2004 wurde ein neuer Vertrag unterschrieben und die Verbände ließen sich auf die Zusage ein, dass es jetzt keine weiteren Kürzungen geben werde. Und nun wollen Sie die Konzessionsabgaben wieder erheblich kürzen. Ich sage Ihnen ehrlich: Diesen Umgang mit den Trägern sozialer Arbeit finde ich ungehörig.