Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

In dieser Zeit gab es tatsächlich eine ziemlich anstößige Postenschacherei. Das ging 1990 los, Herr Briese. Damals hat nämlich die neue Landesregierung von SPD und Grünen gesagt: Jetzt haben wir hier das Sagen. Als Erstes muss der Intendant in Hannover ausgetauscht werden, damit auch der NDR die gleichen Farben trägt.

(Zuruf von Ralf Briese [GRÜNE])

- Herr Briese, Sie müssen in der politischen Landschaft schon ein bisschen Haftung für Ihre Väter und Mütter übernehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Sie können schlecht sagen: Was hatte ich damals mit Schröder und Trittin zu tun? - Ab und an werden wir Sie daran erinnern.

Sie werden auch aktuell daran erinnert. Mir hat nämlich der Personalratsvorsitzende des NDR in Hannover, Henry Prätsch - viele von uns kennen ihn ja noch aus Jugendzeiten -, einen offenen Brief geschrieben. Wäre es kein offener Brief, würde ich gar nicht daraus zitieren; denn ich finde, man muss vernünftig miteinander umgehen. Der offene Brief ist aber wohl breit gestreut worden, und bisher ist noch nicht darüber berichtet worden. Insofern möchte ich da nachhelfen. Darin heißt es:

„1978 war es Ernst Albrecht, der über die Kündigung des Staatsvertrages mehr Macht in der Dreiländeranstalt wollte. Er bekam Landesprogramme für Hörfunk und Fernsehen. In der Folge hieß dies wesentlich mehr regionale Berichterstattung, mehr Büros mit Korrespondenten, mehr Studios mit eigener Programmverantwortung. Eines davon ist in Ihrer Heimatstadt Osnabrück.“

Ich möchte erst einmal sagen: Es ist toll, dass wir das in Göttingen, in Vechta, in Oldenburg und anderswo haben. Es ist toll, dass wir die Regionalstudios, die Landesfunkhäuser und die Stärkung Niedersachsens haben. Zugestanden, das ist ein toller Erfolg. Wir bekennen uns dazu. Von Ihnen scheint es zwar bedauert zu werden, aber ich finde es eine tolle Sache.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Henry Prätsch schreibt weiter:

„Als 1990 Gerhard Schröder das Regierungsamt übernahm, wollte auch er einen anderen Staatsvertrag, vor allem einen anders zusammengesetzten Rundfunkrat, um“

- ich zitiere weiter

„mehr Einfluss nehmen zu können auf die Geschicke des NDR.“

(Aha! bei der CDU und bei der FDP)

„Er bekam sein neues Gremium und ein bisschen mehr.“

Die Frage ist - ich muss ja darauf antworten -, was dieses „bisschen mehr“, das er bekommen hat, gewesen sein könnte. Aber wir können es uns schon ungefähr denken. Ich zitiere weiter:

„Jetzt wollen Sie“

- an mich gerichtet

„nach Ihrer Wahl zum Ministerpräsidenten u. a. eine weitere Regionalisierung und mehr Beiträge sowie Sendungen aus Niedersachsen.“

Jetzt möchte ich Ihnen hier im Landtag vortragen, was ich in den nächsten Wochen zusammen mit den anderen drei Trägerländern des Norddeutschen Rundfunks möchte. Ich möchte im Wesentlichen sechs Dinge - aus Zeitgründen habe ich mich auf sechs konzentriert -:

Erstens möchte ich die Umsetzung der verschiedenen Rundfunkänderungsstaatsverträge seit 1991 in den NDR-Staatsvertrag mit Begrenzung der Onlineaktivitäten im Interesse der Verlagslandschaft, aber auch im Interesse der Europatauglichkeit. Europa fordert hier zunehmend Klarheit, die wir hineinbringen wollen. Weiterhin wollen wir auch den Jugendmedienschutz in den Staatsvertrag übertragen.

(Ursula Körtner [CDU]: Sehr gut!)

So viel zum Bereich Umsetzung von Rundfunkänderungsstaatsverträgen.

Zweitens möchten wir die Konkretisierung des Kulturauftrages des NDR. Ich möchte, dass sichergestellt ist, dass das Unterhalten der Radiophilharmonie in Hannover eine der Kernaufgaben des Norddeutschen Rundfunks ist, um rundfunkge

rechte Programme zu produzieren, zu fördern und das Musikleben zu bereichern.

(Zustimmung von Ralf Briese [GRÜ- NE])

Ich bin es leid, dass bei jeder Debatte zuerst über die Verlagerung der Videotextredaktion von Hannover nach Hamburg und dann über die Einstellung der regionalen Fußballberichterstattung und über die Frage der Radiophilharmonie diskutiert wird. Ich möchte, dass es zu den Kernaufgaben des Norddeutschen Rundfunks gehört, solche Aktivitäten im gesamten Verbreitungsgebiet zu unterhalten, und das können wir im Staatsvertrag darstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens möchte ich eine verstärkte regionale Berichterstattung sehen, weil es mit dem Selbstbewusstsein unseres Landes ganz untrennbar verbunden ist, dass aus Niedersachsen und über Niedersachsen berichtet wird. Nach Neuschaffung des Südwestfunks aus mehreren Bundesländern ist beispielsweise im Staatsvertrag festgelegt worden, dass „REPORT“ nicht mehr aus BadenBaden, sondern aus Mainz gesendet wird. Was der SPD-Landesregierung in Rheinland-Pfalz Recht ist, ist uns geradezu billig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist eine der Billigkeit entsprechende Forderung, dass wir bestimmte Sendungen in Hannover produzieren. Es soll nicht nur die „Münchner Runde“ und Sendungen aus Berlin und Hamburg geben, sondern auch Sendungen aus Hannover. Mainz ist nun mal nicht so bedeutsam wie Hannover. Selbst die Mainzer werden das zugestehen, auch wenn sie uns inzwischen beim Fußball und anderswo auf den Fersen sind.

Wir wollen, dass „Hallo Niedersachsen“ - David McAllister hat darauf hingewiesen - über Satellit analog überall empfangbar ist, und zwar auch im Ausland. Wir wollen nicht jeden Abend das Landesprogramm aus Mecklenburg-Vorpommern sehen, nur weil das 1991 in den Staatsvertrag geschrieben wurde, sondern wir wollen z. B. montags und dienstags das Landesprogramm aus Mecklenburg-Vorpommern, mittwochs und donnerstags das „Schleswig-Holstein Magazin“ und freitags, samstags und sonntags „Hallo Niedersachsen“ sehen. Es ist doch eine faire, billige und angemessene Regelung, solche Forderungen zu erheben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Briese, es mag ja die Medienpolitik der Grünen sein zu sagen: Es muss nur auf die Quote geguckt werden und nur darauf, was die Leute sehen wollen. Wir fragen: Was wollt ihr sehen? Mehr Pornografie? - Dann senden wir eben mehr Pornografie.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Eine so bil- lige Nummer hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut! - Zuruf von Wolfgang Jütt- ner [SPD])

- Sie haben gesagt: Machen Sie eine Umfrage, was die Leute sehen wollen, und legen Sie nicht fest, was die Leute sehen und hören wollen.

Ich sage Ihnen: Die Rundfunkgebühr von 17 Euro im Monat ist nur gerechtfertigt, weil auch Minderheitenprogramm gemacht wird - zum Beispiel Kirchenprogramme, beispielsweise werden Sonntagvormittags Gottesdienste übertragen - und weil auch über Minderheitensportarten berichtet wird. Das macht aus Niedersachsen eben nicht der Bayerische Rundfunk, der Mitteldeutsche Rundfunk, der Westdeutsche Rundfunk oder der Hessische Rundfunk, sondern das macht entweder unsere Vierländeranstalt oder gar niemand. In Deutschland aus Niedersachsen heraus auch für Minderheiten Programm zu machen, ist nicht das alleinige Kriterium. Aber Ihre Quotenorientierung als Position der Medienpolitik weise ich zurück.

Viertens wollen wir Kontrollrechte der Landesrechnungshöfe. Es kann doch nicht sein, dass im Landtag demnächst jeder Landtagsabgeordnete jede 10 Euro öffentlich oder dem Landtagspräsidenten gegenüber bekannt geben muss, aber ein Vertrag aus öffentlich-rechtlichen Gebühren mit möglicherweise mehr als 6,5 Millionen Euro im Jahr keinem Gremium gegenüber dargestellt und überprüfbar gestaltet werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es kann doch nicht sein, dass Sie ernsthaft vertreten, dass sich alleine dadurch, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten eines Tochterunternehmens, wie Degeto, bedienen, alles nicht mehr transparent und nachprüfbar ist. Vielmehr müssen die Rechnungshöfe die Anstalten, aber auch die Tochtergesellschaften prüfen können, wie das inzwischen beim Deutschlandfunk, beim ZDF, beim Bayerischen Rundfunk und beim Südwestfunk längst der Fall ist. Ich würde Sie hier gerne an

meiner Seite wissen, als dass Sie dieses Bemühen, gute Staatsverträge auszuhandeln, schon wieder konterkarieren.

Fünftens möchte ich eine flächendeckende Versorgung über neue Übertragungstechniken, z. B. DVB-T. Wir wollen kein Ballungsraumfernsehen nur für Hannover, Braunschweig und Bremen, sondern wir wollen das im Flächenland Niedersachsen haben und mit dem NDR gemeinsam ausbauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies entspricht auch der einstimmigen Entschließung des Landtages.

Letzter Punkt: Effizienz der Aufsichtsgremien. Wenn in der konstituierenden Sitzung 58 Leute sitzen - sonst sitzen da kaum so viele ordentliche Mitglieder, allerdings insgesamt mehr als 100 Leute -, dann kann es in einem solchen Aufsichtsgremium wie dem Rundfunkrat zu keiner sinnvollen Debatte kommen. Und eines geht nicht, Herr Gabriel: Ihnen kann es überall nicht wenig genug sein - im Landtag sollen irgendwann weniger als 100 Leute sein -, aber der Rundfunkrat kann ruhig mit mehr als 100 Leuten tagen. - Irgendwo müssen doch die Relationen stimmen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was im privat-rechtlichen Bereich mit der Versammlung der Landesmedienanstalten geht, wird auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich sein. Wenn wir in dieser Woche den Landtag verkleinern - darauf haben wir uns innerhalb weniger Wochen verständig -, kann es nicht angehen, dass beim Rundfunkrat getrödelt und getändelt werden kann.

Ich kann nur sagen: Bevor sich der NDRStaatsvertrag ohne Veränderungen für die nächsten sieben Jahre verlängert, sollten wir uns bis zum 28. Februar 2005 um eine Verständigung bemühen. Ich sehe das als wirklich machbar und realistisch an. Die Rundfunkreferenten der norddeutschen Länder tagen schon wieder am Freitag. Wenn es nicht gelänge, wenn wir also mehr Zeit bräuchten, müssten wir den Staatsvertrag kündigen, um nicht vorgeworfen zu bekommen, wir könnten nichts mehr erreichen, weil wir nichts gekündigt hätten und könnten bis 2012 nichts mehr verändern. So einfach ist die Sache. Ich lade Sie zu einer sachlichen Debatte ein. Wir hätten Sie

zwar lieber an unserer Seite, aber notfalls können wir es auch ohne Sie machen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt 1 c liegen nicht vor. Ich stelle fest, dass wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt haben.