Eines möchte ich Ihnen noch sagen: Wenn Sie mehr regionale Berichterstattung in Niedersachsen wollen, dann stärken Sie doch den Bürgerfunk! Wir haben in Niedersachsen eine hervorragende Bürgerfunklandschaft.
Dem Bürgerfunk könnten Sie zum Beispiel mehr Mittel geben. Aber was haben Sie beim Staatsvertrag gemacht? - Er darf dieses Jahr an den Mitteln für die Landesmedienanstalt, die auch den Bürgerfunk finanziert, nicht partizipieren. Damit schwächen Sie den Bürgerfunk. Sie konterkarieren also in der Praxis das, was Sie hier einfordern. Sie schwächen den Bürgerfunk und damit auch die regionale Berichterstattung.
Ein Weiteres, das sehr kritikwürdig in dieser ganzen Sache ist. Sie geben mit Ihrer öffentlichen Kritik am NDR und an der Programmgestaltung und damit, dass Sie auch Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen wollen, sehr gute Argumente für Brüssel, jetzt noch einmal genauer hinzuschauen, wie staatsfern eigentlich das Fernsehen in Deutschland ist. Sie wissen ganz genau, dass es gegenwärtig in Europa eine sehr interessante Debatte gibt, ob das Fernsehen in Zukunft noch Kulturgut sein soll oder ob es ein reines Wissenschaftsgut werden soll. Damit haben Sie der Kommission ein hervorragendes Argument gebracht zu sagen: Sehen Sie mal, die Regierung, die Exekutive nimmt Einfluss auf die Programmgestaltung; das werden wir nicht billigen. - Damit haben Sie denen einen Vorwand gegeben, da noch einmal genau zu hinterfragen: Ist die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wirklich so staatsfern, wie dort immer behauptet wird, ja oder nein? - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war ein großer politischer Fehler in Bezug auf die Rundfunkpolitik in Deutschland.
Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Wir wollen ein unabhängiges, staatsfernes Fernsehen in Niedersachsen. Die Vorschläge, die der Ministerpräsi
dent diesbezüglich gemacht hat, waren kontraproduktiv. Sie sind schlicht und ergreifend interessengeleitet. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Wiegel, nach dieser Überschrift hätte ich mir eigentlich einen fetzigeren Aufschlag Ihrer Fraktion zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde gewünscht.
Frau Wiegel, was versteht die SPD eigentlich unter „Staatsfernsehen“, wie Sie es in der Überschrift geschrieben haben? - Wer sich noch an die „Aktuelle Kamera“ mit Ede Schnitzler im DDR-Fernsehen erinnert, der weiß vielleicht, mit welchen Attributen der Begriff „Staatsfernsehen“ belastet ist. Es ging dabei um Indoktrination, um Falschdarstellung, um politische Agitation und um Einschüchterung der Bürger in der DDR. Wer dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten vergleichbare Absichten unterstellt, der hat weder die kriminelle Dimension des DDR-Fernsehens erkannt, noch begriffen, dass Fernsehen in demokratischen und rechtsstaatlichen Systemen immer mit Pressefreiheit verbunden ist und von daher niemals Staatsfernsehen sein kann.
Was der Ministerpräsident mit seinen Anregungen zur Veränderung des NDR gesagt und gemeint hat, wird er Ihnen sicherlich gerne selbst darlegen. Die FDP will ihn jedenfalls unterstützen, wenn es darum geht, dass Niedersachsen als das stärkste Mitglied der Vierländeranstalt NDR mit 54 % des Gebührenaufkommens entsprechend seiner Be
deutung auch in Inhalt und Programm des NDR vertreten ist, wenn es darum geht, dass sich die Menschen in Niedersachsen mit ihrer Region in ihrem öffentlich-rechtlichen Sender wiederfinden, und wenn es darum geht, die Größe und Zusammensetzung der Gremien des NDR den Erfordernissen der Zeit entsprechend anzupassen.
Meine Damen und Herren von der SPD, dafür hätten Sie in Ihrer Amtszeit auch schon sorgen können. Denn schon vor fünf Jahren gab es die Situation, dass zu überlegen war, den NDRStaatsvertrag zu ändern oder ihn durch Verstreichenlassen der Kündigungsfrist stillschweigend um weitere fünf Jahre zu verlängern. Um nichts anderes geht es jetzt.
Zum 28. Februar 2005 kann der derzeitige Vertrag verändert oder gekündigt werden. Das ist ein ganz normaler Vorgang.
Einen kleinen Moment! - Es kommen von hier vorne immer wieder Zwischenrufe. Ich will daran erinnern, dass auch andere Kollegen zum Teil ihre Reden vorgelesen haben. Alle kennen die Geschäftsordnung.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie ist Vize- präsidentin! Sie wird doch wohl eine freie Rede halten können!)
Dieser Vorgang der Verkleinerung der Gremien ist im Übrigen in § 17 Abs. 7 des NDR-Staatsvertrages festgelegt. Ich darf zitieren, Herr Kollege Gabriel.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Das machen Sie doch die ganze Zeit! Sie zitieren doch die ganze Zeit Ihren Referenten! - Heiterkeit bei der SPD)
„... rechtzeitig vor Ablauf jeder Amtszeit darauf, ob die Zusammensetzung eine sachgerechte, der bestehenden Vielfalt prinzipiell Rechnung tragende Bestimmung und Gewichtung der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte noch gewährleistet...“
Es wird auch noch über viele andere Dinge mit den Partnern in den anderen Ländern und mit dem NDR zu verhandeln sein. Ob es dann eines Tages notwendig sein wird, den Staatsvertrag von unserer Seite zu kündigen, hängt wesentlich davon ab, wie die Verhandlungen verlaufen.
- Auf allen Seiten! Es wird mit dem NDR zu reden sein. Wie man aus Schleswig-Holstein von der Chefin der Staatskanzlei, Frau Wolff-Gebhardt, hört, ist sie ja in vielen Dingen mit der Meinung, dass das Gremium verkleinert werden muss und dass auch mehr regionale Berichterstattung stattfinden muss.
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich jetzt dagegen wehren. Genau das Gleiche, was die Gremienzusammensetzung angeht, hat auch Gerhard Schröder 1991 oder 1992 gemacht. Er hat nur das Resultat produziert, dass dieses Gremium so riesengroß wurde. Daraufhin waren es 58 Mitglieder, weil er seine Leute mit hineinbringen wollte, ohne anderen auf die Füße zu treten. Anders hätte er es auch nicht durchsetzen können.
Also, Herr Gabriel, wenn Sie meinen, dass wir hier auf der falschen Fährte sind - ich meine, Sie hätten in Ihrer Zeit alles viel besser lenken können.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Ich glaube, es tut wenig zur Sache, ob das hier vorgelesen oder vorgetragen worden ist. In die Hose gegangen ist die Aktuelle Stunde für Sie allemal, Herr Gabriel.
Denn sie ist angekündigt worden mit einer wirklich an einen Tiger erinnernden Ankündigung: „Nichts gelernt aus Albrechts Debakel: Wulff will NDR zu Staatsfernsehen machen.“ Da will ich erst einmal vorweg sagen, welche Erinnerung ich an die damalige Albrecht-Medienpolitik habe. Es ist keine Erinnerung, wie Sie sie hier ankündigen. Das Erste, was damals durchgesetzt wurde, war privater Rundfunk und privates Fernsehen in Deutschland. Dass das eine richtige Entscheidung war, weil sonst von außen über Satellit nach Deutschland eingestrahlt worden wäre, kann niemand bestreiten.
Zweitens hat es einen Wettbewerb gegeben, der auch dem Norddeutschen Rundfunk gut getan hat, wie alle dort einräumen.
Drittens hat es die Entwicklung eines Medienstandortes Hannover gegeben. RTL wird seitdem bis zum heutige Tage in Hannover lizenziert. Leider ist RTL nach Köln abgewandert, als Sie hier die Regierung übernommen haben. Damals sind jedenfalls wegweisende Entscheidungen zur Stärkung des Medienstandortes getroffen worden. Es ist auch eine Regionalisierung und Dezentralisierung des NDR erreicht worden, die zum erfolgreichsten Radioprogramm Deutschlands geführt hat, nämlich Radio Niedersachsen. Das war ein Ergebnis der damaligen Medienpolitik, und das war ein gutes Ergebnis. - Das vorweg.
In dieser Zeit gab es tatsächlich eine ziemlich anstößige Postenschacherei. Das ging 1990 los, Herr Briese. Damals hat nämlich die neue Landesregierung von SPD und Grünen gesagt: Jetzt haben wir hier das Sagen. Als Erstes muss der Intendant in Hannover ausgetauscht werden, damit auch der NDR die gleichen Farben trägt.