Ich gehe davon aus, dass die Erziehungsberechtigten in ihrer großen Mehrheit die Schulformentscheidung am Kindeswohl orientiert treffen. Wenn wir diesen Mechanismus - noch einmal § 55 richtig miteinander hinbekommen, die Rechte der Eltern, aber auch den Informationsaustausch zwischen Schule und Eltern stark herausstellen, das Kind einbeziehen und vernünftig organisieren, dann kann garantiert werden, dass ein gutes, am Kindeswohl orientiertes Ergebnis dabei herauskommt.
Meine Damen und Herren, es gibt natürlich auch Elternentscheidungen, die zu einer Überforderung des Kindes durch falsche Schulformwahl führen können. Das war in der Vergangenheit so und wird auch in Zukunft so sein. Hier gilt es dann, das Kind vor Überforderung, Scheitern und in der Folge Lernunlust oder gar völligem Schulversagen zu schützen.
Deshalb ist im Gesetzentwurf die Korrekturmöglichkeit einer Elternentscheidung am Ende der Klasse 5 enthalten. Hiermit wird für das Ende des fünften Schuljahrgangs die bis 2002 geltende Regelung für das Ende des siebten Schuljahrgangs entsprechend übernommen. Auch nach der freien Wahl der Schulform nach der O-Stufe wurde noch eine Korrekturmöglichkeit für notwendig erachtet; das war im rot-grünen Schulgesetz ausdrücklich enthalten. Wir können ja über die Frage, wann die Entscheidung zum Wohl des Kindes zu treffen ist, ob nach Klasse 4 oder nach Klasse 6, trefflich streiten. Aber tun Sie nicht so, als hätten Sie diese Korrekturmöglichkeit nicht vorgesehen gehabt und wir hätten uns da etwas Neues ausgedacht. Ich sage hier auch in aller Offenheit: Vorrangig ist das Kindeswohl.
Erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, die Überweisung an eine andere Schulform sei bei bestimmten schulischen Leistungen ein Automatismus. Wie in der zitierten Regelung nach dem siebten Schuljahrgang handelt es sich auch jetzt um eine Ermessensvorschrift, eine Kannvorschrift. Sie haben den Gesetzestext doch hoffentlich gelesen. Das heißt, der Nichtversetzung folgt nicht automatisch die Überweisung. Vielmehr muss von den Lehrerinnen und Lehrern im Einzelfall geprüft werden, ob eine Überweisung für das Kind die beste Lösung ist.
Es ist, wie gesagt, eine Kannbestimmung. Seien Sie doch froh darüber, dass damit auch entwicklungsspezifischen Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Wenn dann aber eine Überweisung für notwendig erachtet wird - das sage ich Ihnen noch einmal -, ist das Kindeswohl das vorrangige Ziel und nicht unbedingt der Elternehrgeiz oder die Elternentscheidung, die vielleicht auch unter sehr subjektiven Gesichtspunkten getroffen wird.
Der Ausdruck „Herausschmeißen“, Frau Seeler, wird dem Anspruch des Gesetzes und der dort tätigen Eltern, Kinder und Lehrer überhaupt nicht gerecht.
Das sind Begriffe aus der bildungspolitischen Kartoffelkiste; damit können Sie uns doch in diesem modernen Parlament nicht kommen.
Zum Verfahren der Beratung und Empfehlung über den Besuch einer geeigneten weiterführenden Schule werden derzeit im Kultusministerium Regelungen erarbeitet - wie auch insgesamt. Vielleicht kommt die Debatte zu früh. Aber das haben wir über die letzten drei Tage immer bemerkt: Man will gar nicht bestimmte Ergebnisse abwarten, Hauptsache man kann mal richtig darüber herziehen. Aber Sie werden schon merken, dass nichts daraus wird.
Ich kann Ihnen nur anraten: Lesen Sie auch einmal die Protokolle! Ich will Sie auch korrigieren, Frau Seeler, zu dem, was Sie gesagt haben zur Eltern
beteiligung rund um § 61, was Ordnungsmaßnahmen anbelangt. Es dürfte doch im Ausschuss klargestellt worden sein, dass dabei ausdrücklich Eltern und Schüler einbezogen werden. Also, erzählen Sie hier nicht etwas anderes. Das dient auch der parlamentarischen Ehrlichkeit.
Ihre Argumentation, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, will ich noch ansprechen. Im Zusammenhang mit der Empfehlung und der möglichen Korrektur am Ende des fünften Schuljahrgangs ist immer auch die Durchlässigkeit des Schulsystems zu sehen. Selbst die SPD-Landtagsfraktion konzediert - das belegt die Begründung in der Anfrage von heute Morgen; es war die Frage 7; ich hatte mich schon gefreut, dass wir das Thema „Durchlässigkeit" miteinander in Frage und Antwort durchspielen konnten, Herr Jüttner, aber leider hat die Zeit nicht gereicht -, dass Niedersachsens Schulwesen als eines der durchlässigsten Schulwesen in der Bundesrepublik gilt. Da haben wir also schon etwas. Wenn wir das Ganze noch durchlässiger machen, wo machen wir dann, bitte sehr, etwas falsch?
Deshalb sagen wir: Das Prinzip der Durchlässigkeit ist ausdrücklich im Gesetzentwurf festgeschrieben.
- Daran können Sie uns alle messen, mich sowieso. - Es wird künftig auch einen Rechtsanspruch auf Wechsel der Schulform bei entsprechenden schulischen Leistungen ebenso geben wie besondere Einfädelspuren, besondere pädagogische Angebote im zehnten Schuljahrgang und die Möglichkeit, dass alle weiterführenden Schulen alle Abschlüsse nach Klasse 10 vergeben.
Darüber hinaus wird die Durchlässigkeit auch über das berufsbildende Schulwesen sichergestellt. Ich habe es eigentlich nicht verstanden, dass Sie die berufsschulische Bildung gerade in Niedersachsen, was die Möglichkeit von Abschlüssen, von Weiterbildung dort anbelangt, immer so gering geschätzt haben, dass Sie geradezu darauf bedacht waren, es nicht so deutlich zu machen, wie es sich eigentlich gehörte. Wir sehen die berufliche Bildung als Riesenchance an, und ich habe geradezu ein persönliches Anliegen, die Möglichkeiten der
Das alles, meine Damen und Herren, sind Maßnahmen für Schülerinnen und Schüler, die den Besuch einer geeigneten Schulform nicht nur nach Klasse 4, sondern im Verlauf ihres gesamten Schulbesuchs sichergestellt haben wollen.
Die Landesregierung wird den bestehenden Gesamtschulen - auch das muss angesprochen werden - eine faire Chance geben, sich dem Wettbewerb der Schulen zu stellen. Deshalb haben die gegenwärtig eingerichteten Gesamtschulen meine Zusage, dass auch künftig ihre Arbeitsgrundlagen gesichert bleiben und dass im Rahmen der örtlichen Bedingungen notwendige und sinnvolle pädagogische und organisatorische Weiterentwicklungen ermöglicht werden. Die erforderlichen gesetzlichen Regelungen hierfür werden gegenwärtig im Kultusausschuss zusammengefügt und sollen die Arbeit der bestehenden Schulen nicht einschränken. Bitte verfolgen Sie das genau in den nächsten Monaten bei den Anhörungen und bei den Beratungen.
- Jawohl! - Anders ist die Frage zu beurteilen, ob weiterhin zusätzliche Gesamtschulen zugelassen werden sollen. Hierbei ist zu beachten, dass angesichts des prognostizierten Rückgangs der Schülerzahlen die Einführung weiterer Gesamtschulen notwendigerweise zulasten bestehender anderer Schulen geht. Damit gefährdet jede neue Gesamtschule den Erhalt eines wohnortnahen, begabungsgerechten und differenzierten Schulwesens. Hierbei ist abzuwägen zwischen dem Interesse eines Teils der Erziehungsberechtigten und der weit überwiegenden übrigen Elternschaft, die auch in Zukunft die Möglichkeit haben will, ihre Kinder Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien in erreichbarer Entfernung besuchen zu lassen.
Gesamtschule. Ich will ausdrücklich Außenstellen von Schulen zulassen. Dadurch wie durch Gymnasien ohne eigene gymnasiale Oberstufe werden weitere gymnasiale Angebote gerade im ländlichen Raum erleichtert. Wir wissen: Hinter dem Wunsch nach einer KGS z. B. stand in der Vergangenheit immer nicht unbedingt der Wunsch nach einer Gesamtschule, sondern eher der Wunsch nach einem gymnasialen Angebot. Wenn wir das auf gesetzgeberischem Weg bedienen, brauchen Sie nicht den Ruf nach weiteren Gesamtschulen zu befördern.
Zum Schluss noch: Was die Grünen anbelangt, ist es schon erstaunlich, dass gerade die Grünen sich zum Gralshüter des Elternwillens machen, heute von den Grünen eingefordert, die neue Freiheit. Da kann ich mich nur wundern. Sie machen sich doch immer stark für eine sechsjährige Grundschule und integrative und kooperative Schulsysteme im Anschluss daran.
Nun frage ich Sie: Wenn es nach unserer Gesetzesgrundlage um den freien Elternwillen nach Klasse 4 geht, wo findet dieser eigentlich bei Ihnen statt? - Dazu habe ich leider gar nichts gefunden.
Die SPD hat mit der von Ihnen beschlossenen Einheitsförderstufe - das habe ich eingangs schon gesagt - das ignoriert, was die Eltern wollen. Heute stellen wir fest: Die Eltern rennen uns die Türen ein - es wurde heute schon mehrfach angesprochen - und fragen, wann endlich die weiterführenden Schulen mit Klasse 5 beginnen. Sie würden lieber heute als morgen ihre Kinder dort anmelden und zeigen damit, was sie von der Zwangsförderstufe der Sozialdemokraten gehalten haben.
Am Ende gibt es nichts von „Steinzeitpolitik“, „Rückfall in die 50er-, 60er-Jahre“ und was wir da alles hören. Wir werden die Schulstrukturfragen im Land Niedersachsen endlich nach 27 Jahren klären. Wir machen ein modernes, durchlässiges, begabungsgerechtes, wohnortnahes Schulsystem auf der Basis der Dreigliedrigkeit. Wir werden damit
Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal die Kollegin Korter. Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich Ihnen eine Redezeit von bis zu drei Minuten, Frau Korter.
Danke schön, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es noch einmal klarzustellen: Wir wollen Schüler und Schülerinnen so lange wie möglich gemeinsam beschulen, damit sie lange voneinander und miteinander lernen können, aber nicht früh aussortieren.
Frau Körtner und Herr Schwarz, Ihr Begabungsbegriff lässt mich Schlimmes befürchten. In der vierten Klasse wollen Sie schon wissen, wer Handwerker und wer Jurist werden soll. Das ist doch abenteuerlich und hat mit Förderung nichts mehr zu tun!
Mir wird angst und bange, was mit den mehr als 20 % Schülerinnen und Schülern werden soll, die nach PISA nicht einmal die Grundqualifikation haben, um eine Ausbildung zu beginnen. Haben Sie doch nicht solche Angst vor integrativen Systemen, wenn Eltern sie wollen!
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Fra- gen Sie einmal die Schüler der inte- grativen Systeme!)