Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Es ist im Moment schwierig, dieses Gleichstellungsgesetz auf den Weg zu bringen, und zwar aus folgenden Gründen: Wir haben in der Regierungserklärung Konnexität versprochen. Wir haben den Kommunen gesagt, wir wollen sie nicht mit Kosten befrachten, die wir oben beschließen. Sie wissen ganz genau, dass dort über Behindertenräte und Behindertenbeauftragte gesprochen wird, die wir so bislang nicht haben. Dort müssen wir sehr genau prüfen, ob man das durchsetzen kann und wie man das durchsetzen kann. Darum gibt es auch noch kein Gesetz.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich weiß genau, dass in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen - und ich bin in vielen solcher Einrichtungen gewesen, auch in Einrichtungen für Menschen mit Schwerstbehinderun

gen - Schwerstarbeit geleistet wird. Es gibt leider immer mehr Menschen, die mehrfach schwerstbehindert sind. Auf diese Menschen müssen wir unser besonderes Augenmerk legen. Deshalb enthält der Haushalt des Sozialministeriums auch immer noch mehr als 60 % der Mittel zur Unterstützung dieser Menschen.

Nächster Punkt: die BISS-Stellen. Im Sommer rauschte durch den Blätterwald, dass der Gewaltschutzbereich kommunalisiert werden soll; Frau Helmhold sprach das auch an. Genau das ist aber nicht der Fall. Das war nur ein kurzzeitiges Gerücht. Wir haben uns alle vehement dagegen gewehrt. Gewaltschutz kann man nicht kommunalisieren. Er muss auf jeden Fall eine Landesaufgabe bleiben, und das tut er auch.

Die BISS-Stellen haben in dem Modellprojekt gezeigt, dass sie sehr wertvolle und wichtige Arbeit leisten, um Frauen, Mädchen und Kindern mehr Sicherheit zu geben. Deswegen wollen wir sie auch erhalten; das ist schon angesprochen worden.

Dass es in diesem Bereich jetzt weniger Geld gibt als vorher, hat damit zu tun, dass wir uns nunmehr nach dem Bemessungsschlüssel richten, der in dem Modellprojekt - nachzulesen im begleitenden Bericht ermittelt wurde: eine BISS-Stelle für 500 000 Einwohner. In diesem Umfang finanzieren wir die BISS-Stellen jetzt. Dass das im Einzelfall bedeutet, dass für eine bestimmte Kommune dann weniger Geld zur Verfügung steht, ist zwar richtig, aber, wie gesagt, wir haben als Bemessungsgrundlage das zugrunde gelegt, was als notwendig erachtet wird.

Wir haben auch gesagt, dass wir die BISS-Stellen landesweit ausweiten wollen. Das ist ab 2006 geplant. Ich hoffe, dass wir das schaffen. Jedenfalls bräuchten wir dafür im Jahr 2006 800 000 Euro, eventuell etwas weniger, nämlich dann, wenn sich das Innenministerium - Herr Minister, Sie sind ja gerade da - dafür stark macht, dass das PPSProjekt in Hannover fortgeführt wird. Wir sind jedenfalls dazu bereit, uns dafür noch mehr einzusetzen.

Die drei Mädchenhäuser mussten deswegen Streichungen und Kürzungen hinnehmen; das ist richtig. Das finde ich schade, weil ich mich davon habe überzeugen können, dass sie wirklich sehr gute Arbeit leisten. Darum habe ich mich auch dafür stark gemacht, dass zumindest um 10 000 Euro

pro Mädchenhaus weniger gekürzt wird. Das ist zwar nicht viel, aber immerhin etwas.

(Beifall bei der FDP)

Die Mädchenhäuser leisten auch überregionale Arbeit. Dem ist hiermit Rechnung getragen.

Frauenprojekte sind ebenfalls angesprochen worden. Im Jahr 2004 haben wir 2,4 Millionen Euro für die Integration von Frauen in das Erwerbsleben ausgegeben, im kommenden Jahr werden es 2,5 Millionen Euro sein, also sogar noch mehr.

Hier wurde gesagt, die Frauenpolitik würde auf diesen Punkt reduziert. Frau Helmhold, in einem Punkt haben Sie sogar Recht; denn weder das Gender-Thema noch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind reine Frauenthemen, auch wenn sie in erster Linie Frauen betreffen dürften. Dem müssen wir Rechnung tragen, und darauf müssen wir reagieren. Dass jetzt mehr dafür getan wird als vorher - das wird sogar in Hartz IV berücksichtigt -, ist ja nur gut.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Auch Hartz IV ist schon angesprochen worden. Im Zusammenhang mit Hartz IV müssen wir im Haushalt sogar mehr bereitstellen, als wir eigentlich eingeplant hatten. Aufgrund der Umlagen ist es nun notwendig, 105 Millionen Euro Wohngeld auszuzahlen anstatt - wie ursprünglich geplant 90 Millionen Euro. Auch die mussten wir erst einmal irgendwie wuppen und unterbringen.

Ansonsten möchte ich zu Hartz IV nur noch so viel sagen: Es ist ganz wichtig, dass wir gemeinsam, also überfraktionell alle Anstrengungen unternehmen, um möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen. Dabei müssen wir auch unklare und ungeregelte Fälle ansprechen, etwa die stationäre Unterbringung, die über sechs Monate hinaus geht. Wir müssen prüfen, ob diese Menschen trotzdem arbeitsfähig sind oder nicht. Das gilt sowohl für Nichtsesshafte als auch für Menschen mit Behinderungen. Da muss die Arbeitsfähigkeit das entscheidende Kriterium für den Bezug des Arbeitslosengeldes II und für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sein. Bei der Umschulung muss man darauf achten, dass alles erhalten bleibt, was sich bewährt hat. Mit einigen Fortbildungen wurde schließlich eine Vermittlungsquote von 100 % erreicht.

Hinsichtlich der Nichtsesshaftenhilfe - das haben sowohl Frau Jahns als auch ich schon angesprochen - haben sich CDU und FDP gemeinsam dafür stark gemacht, dass sie nicht gestrichen wird, sondern dass es Übergangslösungen gibt. Das ist gelungen, und das ist gut so. Denn die Begründung, warum die Nichtsesshaftenhilfe gestrichen werden sollte, war de facto nicht richtig. Es lagen falsche Zahlen vor. Darum ist es gut, dass entsprechend reagiert wurde.

Auch den Jugendbereich hat Frau Jahns schon angesprochen. Neben den Pro-Aktiv-Centren fährt das Wirtschaftsministerium auch noch andere Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Das ist sehr wichtig für die Jugendlichen. Ich spreche zum Thema Chancengleichheit für Jugendliche auch ganz bewusst das Hauptschulprofilierungsprogramm an, das aus meiner Sicht sehr gut dazu dient, die Chancen zu verbessern.

(Zustimmung von Jan-Christoph Oet- jen [FDP])

Genauso verweise ich auf alles das, was wir tun, um die Gesundheit der Kinder zu fördern, durch bessere Ernährung und durch Bewegung vom Kindergarten an. Damit tun wir etwas für die Kinder und Jugendlichen, also für die künftige Generation.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum Jugendbereich gehört auch Steinkimmen. Ich bedauere sehr, dass die Kürzung dort nicht abzuwenden war. Gekürzt worden ist sowohl bei Steinkimmen als auch bei Juist. Juist kann es, meine ich, allein schaffen; bei Steinkimmen ist das äußerst schwierig. Wir als FDP haben uns dafür sehr stark gemacht; einige in der CDU auch. Leider hat sich dafür in der CDU keine Mehrheit gefunden, sodass in diesem Bereich gestrichen werden musste. Ich bedauere das sehr, aber das ließ sich nicht verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Zur Homosexuellenselbsthilfe. Frau Janssen-Kucz hat letztes Jahr gesagt, sie geht davon aus, dass wir die Mittel dafür in diesem Jahr endgültig streichen würden. Das haben wir nicht gemacht. Wir haben zwar um 5 000 Euro gekürzt, aber 47 000 Euro sind noch vorhanden. Auch das finde ich sehr gut. Daran kann man sehen: Manchmal sind wir gar nicht so schlimm, wie die Opposition das erwartet.

Nun zu den letzten Punkten. Ganz wichtig war es, bei den Wohlfahrtsverbänden nur 10 % statt 11 % zu kürzen. Sicherlich wäre es am besten gewesen, gar nicht zu kürzen.

(Beifall bei der SPD)

Das ging aber leider nicht. Herr Schwarz hat gesagt, dass es zwei Krisengipfel gegeben hat. Nun gut. Aber wir machen ständig Krisengipfel, weil wir versuchen müssen, diesen Haushalt für die Zukunft über die Runden zu bringen.

Wir kürzen bei den Wohlfahrtsverbänden also nur um 10 %. Dem Sport wurde ja schon sehr früh versprochen, dass bei ihm nur um 10 % gekürzt werde. Uns war wichtig, dass die Wohlfahrtsverbände dem Sport gleichgestellt werden; denn sie leisten hervorragende Arbeit. Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen, die in Wohlfahrtsverbänden arbeiten, ausdrücklich danken.

Im Städtebaubereich wird die Förderung ausgesetzt; auch das ist schon angesprochen worden. In einigen wenigen Fällen ist dies schwierig, z. B. in Wilhelmshaven, wo keine Mittel mehr aus 2004 vorhanden sind, die 2005 genutzt werden könnten. In den meisten Fällen ist diese Maßnahme jedoch tragbar. Im Jahre 2006 nehmen wir die Städtebauförderung aber wieder auf.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie jetzt zum letzten Mal, die Gespräche zu unterbrechen. Wenn Sie unbedingt etwas besprechen müssen, dann gehen Sie doch raus!

Danke. Leider geht das alles von meiner Redezeit ab.

Das Ethno-medizinische Zentrum ist eine bundesweit einmalige Sache. Deshalb fördern wir es auch in dem Umfang, der tatsächlich benötigt wird. Dieses Zentrum organisiert nicht nur den Dolmetscherdienst für die ausländischen Mitbürger, die ja ein Anrecht darauf haben, beim Arzt und in Bezug auf Medikamente Aufklärung zu erhalten - dies ist also ein wichtiger Punkt der Integration unserer ausländischen Mitbürger -, sondern macht auch weitere sinnvolle Dinge. So hat es z. B. erreicht, dass der Durchimpfungsgrad der Kinder entschei

dend verbessert wurde und dass die interkulturelle Mundgesundheit besser geworden ist. Das klingt nicht nur gut, sondern das ist auch wichtig und richtig.

Bei der Krankenhausplanung - das ist schon gesagt worden - ist Niedersachsen zukunftsweisend. Wir machen hier mehr als alle anderen Länder. Vor kurzem ist beschlossen worden, dass im nächsten Jahr wieder entscheidend in diesen Bereich investiert wird.

Mein Fazit: Ich möchte mich zunächst bei all denjenigen bedanken, die sich im sozialen Bereich in diesem Jahr tatkräftig eingesetzt haben. Ich verspreche von dieser Stelle aus, dass wir auch im nächsten Jahr weiterhin das Gespräch mit allen führen und über alles Notwendige diskutieren werden.

Als Letztes - ich habe es schon zu Anfang gesagt -: Wir wollen für die Menschen in Niedersachsen eine bezahlbare und möglichst gerechte Sozialpolitik, und zwar nicht nur heute, sondern auch morgen. Dem haben wir entsprochen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Frau Janssen-Kucz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, ich bewundere Ihren Optimismus. Aber ich würde einmal sagen: mitgehangen - mitgefangen.

(Beifall bei der SPD)

Da nützt auch Ihr Bedauern nichts, das Sie hier 15 Minuten lang geäußert haben. Sie tragen diesen Haushalt mit, und damit stehen Sie in der Verantwortung!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Sozial-, Gesundheits- und Jugendhaushalt, den die Landesregierung vorgelegt hat, ist deprimierend. Da haben auch alle Versuche der Regierungskoalition, noch etwas zu kitten, nichts genutzt. Das ist alles Makulatur.

Das gilt auch für Ihr Versprechen, nach 2005 wird es besser. Wissen Sie was? - Ich habe Sie und Ihre Versprechen bislang immer so erlebt: Die Milch wird ganz schnell sauer.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben die Entscheidung getroffen, die Städtebauförderung, die Förderung der Sozialen Stadt auszusetzen. Dabei wissen Sie doch ganz genau, vor welch immensen Herausforderungen die Kommunen im Zuge des demografischen Wandels, der Globalisierung, der Zersiedelung, der Suburbanisierung stehen. Aber das scheint Sie irgendwie nicht zu interessieren. Sie lassen die Kommunen und die Städte in diesen schwierigen Zeiten im Stich. Sie sollen sich erst einmal über das Jahr retten, und dann warten wir auf Ihr Versprechen. Sie, die Sie immer kommunalfreundlich sein wollten, sind eindeutig kommunalfeindlich. Das sage ich Ihnen als Kommunalpolitiker.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Gerade in den Projekten der Sozialen Stadt, gerade dort, wo Arbeitslosigkeit und soziale Bedürftigkeit zu einer Kumulation von Problemen führen, ist es notwendig, Perspektiven für die Menschen aufzubauen. Es geht nicht darum, in Beton zu investieren, wie die Ministerin sagt. Es geht darum, in die Menschen, in ihr Wohn- und Lebensumfeld zu investieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)