Von einem Kahlschlag in der Kultur kann keine Rede sein. Wir als FDP-Fraktion haben darüber hinaus in den Beratungen durchgesetzt, dass die Mittel für die freie Kulturförderung, in der sehr viel ehrenamtliches Engagement steckt, doch noch um 600 000 Euro aufgestockt werden. Dazu wird mein Kollege Roland Riese sprechen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kultur ist bekanntlich eines der wenigen Politikfelder, die sich nur durch eine geringe Regelungsdichte auszeichnet. Das ist ein Gebiet, in dem wir in Niedersachsen wie auf kaum einem anderen Feld unabhängig von Bundesrecht politische Gestaltungskraft an den Tag legen können. Ich habe mich deswegen besonders gefreut, dass es gestern in der Generaldebatte der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Dr. Philipp Rösler, war, der insbesondere auf die Kulturpolitik und den Stellenwert der Kultur im Lande hingewiesen hat. Es sitzen hier viele im Saal, die beschämt schweigen müssen, weil sie nämlich nach der Vorstellung der ersten Rahmendaten des Haushaltsentwurfs im Juli 2004 für den Haushalt 2005 durch die Lande gezogen sind und behauptet haben, die freie Kultur würde abgeschafft und 8 Millionen Euro würden dort eingespart.
Die Kollegin Dr. Heinen-Kljajić war sich sogar nicht zu schade, diesen Umstand noch einmal in Erinnerung zu rufen. Es galt aber damals wie auch heute das Wort von Gorbatschow: Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben!
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Nein, wer zu spät kommt! - Uwe Harden [SPD]: Das war ein falsches Zitat! - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Manche wa- chen jetzt auf! Herzlich willkommen!)
Wohl sind noch in dem Haushaltsentwurf, den die Landesregierung im Oktober in dieses Haus eingebracht hat, schmerzhafte Kürzungen im Bereich der Kultur enthalten. Es sind dies aber - wir alle müssen einmal die Hand aufs Herz legen - unvermeidbare Beiträge zum Aufräumen in einem chaotischen Landeshaushalt, den diese Regierung von ihren Vorgängern geerbt hat.
Wenn ich die Zahlen richtig aufaddiere, dann komme ich nicht mehr auf 4 Millionen, verehrte Kollegin Heinen-Kljajić, sondern auf noch gut 1 Million im Haushaltsentwurf. Erfreulicherweise haben wir in den Beratungen durch die Fraktionen diese Vorschläge in ihrem Wert noch vermindern und auf intelligente Art und Weise decken können. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktion CDU bedanken. Die FDP hat in den Haushaltsberatungen vorgeschlagen, die qualitätsvolle und fantasiereiche Arbeit der vielen freien Theater im Lande dadurch zu würdigen, dass wir speziell für diesen Bereich in den Haushaltsentwurf noch weitere 300 000 Euro eingestellt haben. Es ist mir persönlich eine besondere Freude, dass wir für eine Kürzung um 50 000 Euro, die Sie vorschlagen mussten - Herr Minister, ich weiß, dass Ihnen das nicht leicht gefallen ist, weil Sie insoweit ein Versprechen von Ihrem Vorgänger Oppermann geerbt haben, dass die Haushaltsansätze gleich bleiben sollten -, einen Deckungsvorschlag gefunden haben. Insofern können wir auch beim Weltkulturerbe Rammelsberg das Vorjahresniveau wieder erreichen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Kulturdiskussion haben wir uns vielfach mit Leuchttürmen beschäftigt. Dazu hat der Minister für Kultur Lutz Stratmann am 15. September 2004 an diesem Pult folgende Worte gefunden:
„Was das Stichwort ‚Leuchttürme‘ angeht, so sage ich Ihnen: Für mich ist der strahlendste und hellste Leuchtturm in diesem Lande die Ehrenamtlichkeit.“
Dafür haben Sie viel Applaus bekommen, Herr Minister. Er war auch völlig berechtigt; denn ohne diesen Leuchtturm kommen wir nicht zurecht. Es ist aber so, wie alle Seefahrer wissen. Leuchttürme geben über große Entfernungen hinweg nur eine grobe Orientierung. Sie müssen durch Richtfeuer,
durch Leitfeuer und durch eine Unzahl befeuerter Bojen ergänzt werden, damit der Richtungsuchende nicht auf gefährliche Untiefen gerät. Für diese Richtfeuer und beleuchteten Bojen sorgt der von der Regierung vorgeschlagene und von den Fraktionen beratene Haushalt.
(Axel Plaue [SPD]: Haben Sie schon einmal eine beleuchtete Boje getrof- fen? - Gegenruf von Dr. Harald Noack [CDU]: Nicht auf dem Maschsee! Aber es gibt sie! - Weitere Zurufe)
Natürlich ergeben sich, wenn man einen solchen Haushalt beschließt, immer auch Aufgaben für die Zukunft. Das sind Aufgaben sortierender Art. Ich durfte Ihnen an dieser Stelle schon einmal vortragen, dass auch in der Organisation der vielschichtigen Kulturlandschaft Aufgaben zu erledigen sind, die mehr als 15 Jahre liegen geblieben sind und jetzt angefasst werden müssen.
Ich nenne drei dieser Aufgaben. Der zugegebenermaßen nicht sehr üppige Kulturhaushalt des Landes Niedersachsen - er beläuft sich auf weniger als 1 % des Gesamthaushaltes - ist zu zwei Dritteln und mehr durch große und teure Einrichtungen bestimmt, nämlich durch die Theater. Hier müssen - der Kollege Klare hat schon darauf hingewiesen - Umstrukturierungen stattfinden. Hier müssen wir über Tarifverträge reden. Wir müssen über Kooperationen reden und über die Organisation des Spielplans, um zu zeitgemäßen Formen zu kommen. Außerdem werden wir dort erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven heben. Die werden wir nicht dazu verwenden, um den Haushalt zu sanieren - das ist mit solchen relativ kleinen Beträgen auch gar nicht möglich -, sondern aus diesen Wirtschaftlichkeitsreserven werden wir Kraft für eine gestaltende Kulturpolitik in der Fläche und für die vielen anderen Kulturfelder gewinnen, wie wir es uns vorgenommen haben.
In der reichhaltigen organisch gewachsenen Kultur- und Kulturförderungslandschaft müssen wir uns auch in Zukunft politisch über die Frage auseinander setzen, was Aufgabe der Kommunen und was Aufgabe des Landes ist. Hier ist das Stichwort „Übungsleiterpauschale“ genannt worden. Jetzt dürfen Sie wieder einmal etwas schmunzeln; denn hier am Pult steht einer der wahrscheinlich wenigen Chorleiter im Saal. Die Übungsleiterpauschale kommt beim einzelnen Gesangverein mit 300 Euro an. Dieser Gesangverein hat 20 oder, wenn es ein großer ist, 50 Mitglieder. Wenn die im Jahr 300 Euro bekommen, dann bedeutet das: Wenn jedes einzelne Mitglied pro Monat ein Bier weniger trinkt, dann bringt der betreffende Verein die gleiche Summe schon von sich aus auf. Bei solchen Beträgen kann nicht wirklich von einer Landesaufgabe die Rede sein.
Diese Beträge sollten wir besser in eine vom Landesmusikrat organisierte gute Bildungs- oder Qualifizierungsmaßnahme für die Übungsleiter hineingeben. Das als nur ein Beispiel.
Es gedeiht im Fördersystem über den Haushalt, über diverse meist staatsnahe Stiftungen ein bunter Strauß von Blumen. Allerdings sind viele der Blüten in ihrem Duft nur lokal begrenzt wahrnehmbar. Viele kleine Projekte, auch im Bereich Soziokultur, sind von ihrer Natur her eben doch kommunale und nicht unbedingt staatliche Aufgaben. Auch dort geht es - wie übrigens auch bei den Museen - darum, eine gewisse Qualität und gewisse Standards zu garantieren. Es geht aber nicht darum, auch noch der letzten kleinen Einrichtung den letzten kleinen Geldbetrag zu geben. Damit verzetteln wir uns.
Der dritte Aufgabenbereich, mit dem wir uns beschäftigen müssen, bedarf eines zähen Ringens. An dieser Stelle spreche ich alle Kulturpolitiker im Hause, aber auch alle Haushaltspolitiker an. Dieser dritte Bereich umfasst die Gestaltung von Förderverfahren, die Richtlinien, die Anwendung und auch die Formulierung der Landeshaushaltsordnung. Wer mit Kulturvereinen und Ehrenamtlichen spricht, der bekommt jeden Tag praktische Beispiele dafür geliefert, wie sich hier Hemmnisse aufbauen, die wir durch eine Überprüfung der Rechtsnormen beseitigen müssen. Ich rate Ihnen allen, diese Gespräche zu führen.
Was die Haushaltsansätze und die im Rahmen der Diskussion vorgeschlagenen Änderungen angeht, so finden Sie in allen Kulturvereinen verständige Staatsbürger, die wissen, dass auch sie einen Beitrag leisten müssen. Ich habe mit Vertretern der Soziokultur, der freien Theater, der Museen und der Kulturvereine überall im Land gesprochen und dort viel Verständnis gefunden. Deshalb sollten wir hier nicht den Untergang des Abendlandes zitieren. Er findet nicht statt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen ganz herzlich dafür bedanken, dass es in finanziell extrem schwierigen Zeiten gelungen ist, einen Einzelplan 06 vorzulegen, der davon gekennzeichnet ist, dass es in den Hochschulkapiteln keine weiteren Kürzungen geben wird.
Das heißt, er ist davon gekennzeichnet, dass wir Wort halten - eine Selbstverständlichkeit für diese Regierung und die Regierungsfraktionen. Außerdem ist es gelungen - liebe Frau Bührmann, das ist hier eben völlig zu Recht vorgetragen worden -, die Horrorzahl im Kulturbereich in Höhe von 8 Millionen Euro, die Sie zum Anlass genommen haben, hier im Landtag ein großes Spektakel zu veranstalten, auf 1 Millionen Euro abzusenken. 1 Millionen Euro, bezogen auf 8 Millionen Euro, die hier vor einigen Wochen ein Thema waren - meine Damen und Herren, dies kann man als wirklichen Erfolg im Rahmen der Haushaltsplanberatungen bezeichnen.
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Sie diese Kürzung der Kulturmittel um 1 Millionen Euro auf einen Gesamtansatz in Höhe von 175 Millionen Euro beziehen müssen, dann bitte ich Sie, die Kirche im Dorf zu lassen. Hier in Niedersachsen geht deshalb keineswegs die Welt unter,
auch wenn ich gut nachvollziehen kann, dass Betroffene, die in Zukunft etwas weniger bekommen, darüber nicht glücklich und erfreut sind. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich mir selbstverständlich wünschen würde, mich in der Rolle eines Kulturministers zu befinden - um einmal bei diesem Bereich zu bleiben -, der im Übermaß über Geld verfügen und durch das Land reisen und neue Museen - eines luxuriöser und schöner als das andere - eröffnen kann. Diese Rolle wünscht sich wohl jeder herbei, weil es menschlich wäre, sich so zu verhalten.
Ich stelle aber auch fest, dass meine Vorgängerinnen und Vorgänger - alle, wie sie da sind - ihr Amt vielleicht zu häufig nach diesem Prinzip ausgeübt haben, sodass wir heute diese sich in aller Dramatik stellenden Probleme haben.
Freude löst ein solches Verhalten allemal mehr aus. Es ist aber nicht verantwortlich, wenn ich an die Bürden denke, die wir künftigen Generationen damit aufgelastet haben.
Mit großem Bedauern, liebe Frau Dr. Andretta, stelle ich fest, dass sich in Zeiten wie diesen, die eigentlich ein völlig anderes Verhalten erfordern würden, die Opposition offensichtlich dazu entschieden hat, sich auf Fundamentalkritik zu begrenzen, ohne auch nur im Ansatz Lösungsvorschläge aufzuzeigen.
Ich habe mir die Anträge der SPD-Fraktion zum Einzelplan 06 mit großem Interesse angeguckt. Ich habe gesagt: Das ist konsequent. Da stehen 50 Millionen, also eine Rücknahme der hier kritisierten Kürzungen im Hochschulbereich. - Dann habe ich ein zweites Mal hingeguckt und gesehen: Da fehlt ja eine Null. Sie wollen die Kürzungen ja um nur 5 Millionen Euro reduzieren. - Frau Dr. An
dretta, behaupten Sie gegenüber der Öffentlichkeit doch nicht, dass Sie die Kürzungen im Hochschulbereich zurücknehmen wollten. In Wahrheit beantragen Sie eine Verringerung der Kürzungen um nur 5 Millionen Euro. Das ist noch nicht einmal ein Zehntel der von uns beschlossenen Kürzungen. Das ist nicht seriös. Sie werden damit unglaubwürdig.
Ich würde mich erheblich lieber mit Ihnen auseinander setzen, wenn Sie hier Vorschläge in einer entsprechenden Größenordnung und dafür auch Deckungsvorschläge unterbreitet hätten. Dann würde ich mich gerne mit Ihnen darüber unterhalten, ob diese Deckungsvorschläge richtig und seriös sind oder nicht. Aber überhaupt keine Vorschläge zu machen und hier zu sagen, Finanzzuweisungen dürfen nicht gekürzt werden - das war einer Ihrer letzten Sätze -, ist nicht seriös. So können wir nicht miteinander umgehen.
Sie haben auch Haushaltsvorschläge gemacht, die den Kulturbereich betreffen. Dort wollen Sie zusätzlich 500 000 Euro ausgeben. Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen haben einen Antrag vorgelegt, der einen Betrag von 600 000 Euro umfasst. Das heißt, die Regierungsfraktionen liegen mit 100 000 Euro über den Vorschlägen der Opposition - so viel zur Seriosität Ihrer Vorträge hier!
Die Grünen - liebe Frau Heinen-Kljajić, Sie haben ja die Diktion von Frau Dr. Andretta aufgegriffen machen Folgendes: Sie versuchen noch nicht einmal, unseren Haushaltsplanansatz sozusagen positiv zu korrigieren, sondern sie reduzieren ihn bei der Studienstiftung sogar noch um 10 000 Euro. Sie haben es also noch nicht einmal geschafft, mehr draufzupacken, sondern Sie nehmen sogar noch etwas heraus. Ich finde das ungeheuerlich. So können wir nicht miteinander umgehen.