Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal verstehe ich die Aufregung bei dem Thema der Mindeststandards nicht. Der Antrag ist jetzt schon sieben oder acht Monate alt. Man müsste doch mittlerweile gemerkt haben, dass an den fachlichen Mindeststandards des Niedersächsischen Kindertagesstättengesetzes - ich habe das wiederholt klargestellt - nicht gerüttelt wird. Der Herr Ministerpräsident und auch alle anderen haben das klargestellt. Versuchen gerade Sie vonseiten der Grünen also nicht - weil Sie vielleicht einen Mangel an Themen haben -, sozusagen ständig den Knopf an die Backe zu nähen. Das bringt nichts. Sie sollten das sein lassen, weil die Sache viel zu wichtig ist, als dass sie immer nur auf diesen Aspekt reduziert werden sollte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich wende mich hier genauso an die Sozialdemokraten. Kollege Voigtländer, Sie haben hier eine lange, interessante Rede mit viel kabarettistischem Talent gehalten. Zu den Mindeststandards haben Sie aber nicht viel gesagt. Das Thema ist ja auch in gewisser Weise erledigt und alles ist mittlerweile ein Stückchen weiter gediehen. Wir wissen jedenfalls, dass die Anforderungen an eine gute pädagogische Arbeit in den Kindertagesstätten in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind. Wir wissen auch, dass die Standards allein nicht die notwendige pädagogische Weiterentwicklung in den Kindertagesstätten bewirken. Das sollte uns klar sein. Bei der Diskussion über Standards möchte ich noch einmal sagen, dass ich verstehe, dass sich die Kommunen manchmal Spareffekte erhoffen. Ich sehe dies allerdings etwas anders, auch was den Baubereich angeht. Wenn es - Gott sei es geklagt - so ist, dass wir mangels starker Nachwuchsjahrgänge gar keine Kindertagesstätten mehr bauen, erübrigt sich das Thema der zu ersparenden Baukosten. Auch das sollten wir miteinander erkennen.

Nun zu Ihrem Hinweis auf die OECD, Herr Kollege Voigtländer. Aus den OECD-Berichten kann man vieles lernen. Jedes Land mag sich dabei gewissermaßen an die Nase fassen. Im Blick auf Deutschland wird im letzten OECD-Bericht übrigens gesagt - ich will das doch einmal zitieren -: „Der Bereich der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in Deutschland weist viele Stärken und Ressourcen auf... Der englischsprachige Raum kann von diesem ganzheitlichen Ansatz und der dazugehörigen Praxis viel lernen.“ - Es gibt also auch Leute, die sagen, dass die Situation bei uns so schlecht nicht ist und dass vielleicht auch andere in diesem Bereich von uns lernen können. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass ich sage, es sei alles in Ordnung und die Dinge würden nicht weiter vorangetrieben. Im Gegenteil, wir sagen ausdrücklich, dass die Weiterentwicklung von Kindertagesstätten ganzheitlich betrachtet werden muss. Es ist durchaus so - das kommt den Antragstellern sicherlich entgegen -, dass wir Kindertagesstätten zu Bildungsstätten weiterentwickeln wollen, denn dies ist für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder von elementarer Bedeutung. Wir fühlen uns diesem Auftrag in entsprechender Weise verpflichtet. Es muss dann aber zusammenkommen, dass gute Rahmenbedingungen bestehen und dass inhaltlich gute Arbeit geleistet wird. Ich wäre dankbar, wenn die Sozialdemokraten, aber auch die anderen einmal anerkennen

würden, dass wir uns mit allen Trägern der Kindertagesstätten im Lande, wo auch immer sie politisch anzusiedeln sind,

(Beifall bei der CDU)

ob es nun die kommunalen Träger oder die kirchlichen Träger sind - zum Teil sind die Träger auch bei den Hilfsorganisationen, beim DRK usw. angesiedelt -, zusammengesetzt und den Orientierungsrahmen für Bildung und Erziehung entwickelt haben. Wir haben sozusagen 4 200 Kitas konsultiert und somit fachlich eingebunden. Diese Kitas haben uns beraten. Am Ende ist dann ein Papier entstanden, das außerordentlich wichtig und interessant ist, das die notwendigen Hilfestellungen gibt und das alle unterschrieben haben, wobei auch nicht auf Kosten abgestellt wurde, weil gesagt wurde: Wir kriegen das miteinander kostenneutral hin. Darauf haben auch die kommunalen Spitzenverbände geachtet. Es war das gemeinsame Ansinnen, nicht wieder Kosten zu produzieren, sondern das Anliegen gemeinsam voranzubringen.

(Zustimmung bei der CDU)

In dieser Hinsicht lohnt auch keine Kritik. Man sollte vielmehr einmal ein Lob in alle Richtungen der Kindertagesstättenträger aussprechen. Wir haben hervorragende Empfehlungen ausgearbeitet, bei denen es auch darum gehen wird, den im Kindertagesstättengesetz verankerten Bildungsauftrag entsprechend wahrzunehmen. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, der miteinander erarbeitet wurde. Deswegen lohnt, wie ich glaube, in dieser Hinsicht die politische Auseinandersetzung gar nicht. Es ist nun eine Sache, einen Orientierungsrahmen zu entwickeln. Eine andere Sache ist, wie das Ganze evaluiert wird und wohin die Reise geht. Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen. Damit die Umsetzung der Ziele des Orientierungsplanes gelingen kann, unterstützen wir die Tageseinrichtungen durch Fortbildungsmaßnahmen und die Beteiligung an Projekten. So nehmen wir neben drei anderen Bundesländern - auch hier ist Niedersachsen also wieder vorne - an dem vom Bundesministerium geförderten Projekt des Deutschen Jugendinstituts „Bildungs- und Lerngeschichte von Kindern als Instrument zur Konkretisierung und Umsetzung des Bildungsauftrags im Elementarbereich“ teil. Das Jugendinstitut erprobt Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren und schult Multiplikatoren, die die Erkenntnisse und Verfahren an weitere Einrichtungen bei Fortbildungsveranstaltungen weitergeben, damit eine regelmäßige

Dokumentation der Bildungs- und Lerngeschichte der Kinder gelingen kann.

Ein weiteres wichtiges Anliegen, bei dem wir gute Fortschritte machen, ist die Verbesserung der Kooperation zwischen den Kindergärten und den Grundschulen. Eine unserer 13 KonsultationsKitas, die wir im vergangenen Jahr eingerichtet haben, gibt ihre Erfahrungen auf dem Gebiet bei vielen Fortbildungsveranstaltungen weiter und wird von den anderen Kitas sehr häufig um Rat gefragt. Mithilfe dieser Konsultations-Kitas vernetzen sich diese Einrichtungen untereinander. Diese Entwicklung vollzieht sich von Standort zu Standort. Ich muss sagen, dass das ganz prima funktioniert. Daran kann man wieder einmal sehen, wie engagiert die Kräfte unterwegs sind.

(Beifall bei der CDU)

Auch gemeinsame Fortbildungen von Erzieherinnen in Kitas und Lehrkräften der Grundschulen im Rahmen der Förderung der deutschen Sprache im Elementarbereich sind ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Kooperation. Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang entstehen häufig so genannte Kooperationskalender, beispielsweise konkrete Verabredungen über wechselseitige Hospitationen oder gemeinsame Elternabende von Kindergarten und Grundschule. Nun wird hier immer wieder die Frage aufgeworfen, wie die Sprachförderung - das ist Teil der frühkindlichen Bildung - z. B. an den Kindertagesstätten angenommen wird. Insoweit bitte ich um etwas Fairness. Es ist doch so, dass schon das von den Sozialdemokraten initiierte Schulgesetz von vor 2003 die Sprachförderung installiert hatte. Meinetwegen hatten wir gemeinsame geistige Grundlagen. Dass Sie vergessen haben, dafür Mittel in den Etat einzustellen, können Sie uns heute aber nicht vorwerfen.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

- In der Mipla wohl, aber im Etat war nichts ausgewiesen. Das habe ich doch gemerkt. Herr Kollege, ich kann wohl noch unterscheiden, ob ich 15 Millionen Euro habe oder nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben diese Aufgabe etatmäßig belegt und 288 Vollzeitlehrerstellen für Sprachförderung im letzten Jahrgang der Kitas eingesetzt. Das ent

spricht einem Gegenwert von 14 bis 15 Millionen Euro. Das ist ein gewaltiger Geldbetrag und eine große Leistung. Die Maßnahme wirkt. Das muss man anerkennen. Das ist ein Gebot der Fairness, die ich hier einfordere.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Ausgangszahl der Mittel für die Sprachförderung lautete ursprünglich über 7 Millionen Euro. Im letzten Jahr, 2004 wohlgemerkt, hat sich der Betrag bei 5 Millionen Euro eingependelt, und diesen Betrag haben wir auch in 2005 beibehalten. Dieser Betrag mag Ihnen wie mir 1 Million zu wenig sein. Die Förderung funktioniert aber, weil man die Maßnahmen in diesem Bereich als Bündel betrachten muss.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Eingepen- delt? Sie haben das gestrichen!)

- Herr Jüttner, 190 Einrichtungen mit einem hohen Migrationsanteil haben die Möglichkeit, unter Inanspruchnahme dieser Mittel zusätzliche Fachkräfte einzustellen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Eingepen- delt, Herr Busemann!)

Achten Sie einmal darauf! Wir haben im ganzen Land aus diesem Topf 6 500 Fachkräfte der Tageseinrichtungen mit Fortbildungsmaßnahmen unterstützt,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben das denen weggenommen!)

um eine inhaltliche Verdichtung zu bewirken. So schlecht sind wir gar nicht, wie Sie uns immer reden wollen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber schlecht genug!)

Herr Jüttner, unter dem Strich hat sich eine ganze Menge bewegt. Bei mir ist das Thema „frühkindliche Bildung“ sehr gut aufgehoben. Wir müssen die Entwicklung rund um die Tageseinrichtungsplätze und die Weiterentwicklung der Kindertagesstätten berücksichtigen. Sie sehen bei mir auch das Prä, die Kindertagesstätten als Bildungsstätte zu sehen. Es ist doch ein lohnenswertes Unterfangen, sich in den nächsten Jahren genau anzusehen, wie die aktuellen Maßnahmen wirken und was in diesem Bereich in Zukunft vielleicht zu tun sein wird. Das ist ein offener Diskussionsprozess. Ich bin immer gespannt darauf, was Sie dazu anbie

ten. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Sie sind fast auf den Tag genau zwei Jahre lang abgewählt. Schlechter geworden ist die Situation in dem Bereich jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Wir haben deutliche Signale gesetzt und können durchaus sagen, dass sich die Situation in der Zukunft verbessern und der Bildungsauftrag an den Kindertagesstätten erfüllt wird. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben um zusätzliche Redezeiten gebeten. Bündnis 90 erteile ich zwei Minuten, der SPD drei Minuten. Frau Janssen-Kucz, Sie haben das Wort.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Voigt- länder, Sie haben doch gar keine Kin- der mehr in der Kindertagesstätte!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um zu dem Thema zu reden, braucht man nicht unbedingt Kinder in Kindertagesstätten zu haben. Ich glaube, dass jeder in seinem Freundeskreis Kinder hat, die noch Kindertagesstätten besuchen. Auf so ein Niveau sollten wir nicht absacken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich meine, dass man zu der Argumentation von Frau Vockert nichts mehr sagen muss. So argumentiert eine Person, die sich völlig in die Ecke gedrängt fühlt

(Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU)

eine Person, die sich von Ihren Innenpolitikern, Herrn Schünemann und Herrn Biallas - ich kann gleich noch weitere nennen -, und von der FDPFraktion in die Ecke gedrängt fühlt. Hier findet nämlich ein munteres Tauziehen statt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Herr Busemann macht das sehr gut und sehr souverän

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

auch wie er hier seinen Orientierungsplan verkauft. Ich glaube es ihm gerne, aber ich weiß auch, dass er gegen die Widerstände auf Ihrer Seite und gegen die Widerstände der Innenpolitiker ankämpfen muss und dass er höchstwahrscheinlich heilfroh

ist, dass wir als Grüne das Thema „Mindeststandards“ immer wieder auf den Tisch bringen.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Nun zum Thema „Qualitätsentwicklung in den Kindertagesstätten“. Sie haben morgen die Gelegenheit, zu zeigen, wie viel Interesse Sie daran haben, wenn unser Antrag, der darauf abzielt, die Qualifikation der Erzieherinnen zu erhöhen, beraten wird. Wir wollen einmal sehen, was dann von Ihnen vorgebracht wird.

Herr Bode, bitte vermengen Sie nicht alles unter dem Titel „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“!

(Jörg Bode [FDP]: Aber das ist wich- tig!)

- Das ist sehr wichtig. - Ich spreche aus 20 Jahren persönlicher Erfahrung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit zwei Kindern und kann einiges an Erfahrung beisteuern. Ich kann nur betonen, wie wichtig es ist, die Standards, die wir uns auf diesem Gebiet über die Jahre erkämpft haben, zu halten. Darin werde ich auch nicht lockerlassen. Ich möchte keinen Brei als Ergebnis dieser Diskussion. Das nämlich wäre fatal für diese Entwicklung. Ich bin gerne bereit, Ihnen einiges von meiner Erfahrung auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der Männerwelt abzugeben, die heute noch genauso wie früher geführt werden muss. Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Voigtländer, Sie haben das Wort. Anschließend hat auch die CDU-Fraktion noch einmal drei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Kultusminister Lob braucht, dann muss man auch noch einmal nach vorne gehen dürfen. Das tue ich gerne. Aber, Herr Busemann, man kann natürlich nicht nur uneingeschränkt loben, Herr Busemann, sondern man muss das Lob schon etwas relativieren. Es war in Ordnung, dass Sie das fortgesetzt haben, was wir im Bereich der Sprachförderung angefangen haben. Es ist auch immer gut, dass Sie, Herr Kultusminister, sich hierfür viel

vorgenommen haben. Aber dass Sie dann schon so schnell bei 4,8 Millionen Euro gelandet sind, ist bedauerlich. Ich hätte Ihnen mehr Unterstützung in Ihrer Fraktion gewünscht, weil Sie das Thema zu Recht wichtig finden.

(Beifall bei der SPD)