Spätestens seit IGLU wissen Sie doch - Sie, Herr Schwarz, und wir auch -, dass die Übergangsempfehlungen der Schulen nicht zwingend mit der Begabung der Kinder, sehr wohl aber mit Ihrer sozialen Herkunft zu tun haben.
Es ist deshalb nur berechtigt, wenn immer mehr Eltern den Übergangsempfehlungen nicht mehr blind folgen wollen.
„Der Marsch in die Einheitsschule ist ein... Anschlag auf den freien Elternwillen.“ Abgesehen davon, Herr Minister, dass ich eine solche militaristische Formulierung im Bereich der Schulpolitik für völlig unangemessen halte, zeigt Ihre Erklärung, dass Sie überhaupt nicht begriffen haben, worum es hier eigentlich geht.
Es geht schließlich nicht darum, ob Eltern nach der vierten Klasse zwischen verschiedenen Schulformen für ihre Kinder wählen dürfen wie zwischen Lidl oder Aldi, sondern es geht darum, ob der Staat das Recht hat, Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in Schulformen auszusortieren, die für die Kinder nur noch Bildungssackgassen sind. Dagegen setzen sich Eltern für ihr eigenes Kind zur Wehr, und immer mehr Eltern lehnen dies ab.
Ihre CDU-Kollegen in Schleswig-Holstein - Herr Klare, Sie haben ja gerade darauf hingewiesen haben bereits jetzt den gleichen Reinfall erlitten wie zuvor schon Ihre CDU-Kollegen in NordrheinWestfalen. Auch in Schleswig-Holstein hat die CDU ihre Wählerinnen und Wähler in einer Internetumfrage aufgefordert, sich für eine gemeinsame Schule oder für eine selektive Schule zu entscheiden. Obwohl die CDU in demagogischer Absicht - so wie Sie, Herr Klare, hier gerade auch - diffamierend von Einheitsschule spricht, war das Abstimmungsergebnis ganz anders, als Sie es wollten. Mehr als 70 % votierten nämlich für die Gemeinschaftsschule. Daraufhin haben - wie soll es anders sein? - die nördlichen CDU-Wahlkämpfer dieses Voting ganz schnell von ihrer Homepage verschwinden lassen.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, sehen Sie endlich ein, dass Ihre frühe Sortierung der falsche Weg und von den Eltern nicht mehr gewollt ist.
Lassen Sie den Eltern in Niedersachsen die Chance, die schulpolitischen Fehlentscheidungen Ihrer Regierung wenigstens ansatzweise korrigieren zu können. Wenn der Elternwille für Sie in der CDU nicht zur Disposition steht, dann müssen Sie heute diesem Antrag der SPD zustimmen, so wie wir es tun; sonst sind Sie völlig unglaubwürdig. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zu Frau Korter, weil sie in ihrem Beitrag darauf eingegangen ist. Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, was die KMK zu den PISA-Befunden veröffentlicht hat. Ich zitiere:
„Die Befunde aus PISA 2003 zeigen, dass sowohl integrierte als auch differenzierende Schulsysteme gute Leistungen erzielen können. Zur Schulstruktur kommt der jetzt vorliegende Bericht zu dem Ergebnis, dass kein Zusammenhang zwischen dem Differenzierungsgrad des Schulsystems bzw. dem Alter der Differenzierung und dem Kompetenzniveau besteht.“
Jetzt zu Herrn Meinhold. Verehrter Herr Meinhold, ich habe zwar nur wenig Zeit, aber ich muss gleichwohl auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Ich sage Ihnen ganz offen: Nach Ihrem Beitrag hatte ich den Eindruck, dass Sie von dem, was wir angeregt haben, wirklich nichts verstanden haben.
Sie sind in dieser Frage des Elternwillens schlicht und einfach blockiert. Sie weichen einem ganz bestimmten Problem, das diskutiert werden muss, aus.
Die FDP-Fraktion hat mit ihrer Position zum Elternwillen auf eine Situation aufmerksam gemacht, unter der zahlreiche Kinder leiden, und zwar diejenigen, die aufgrund bester Absicht der Eltern in Überforderung und Frustration geschickt werden, und diejenigen, die aufgrund des Förderbedarfs für den Einzelnen in ihrem Lernfortschritt gehindert werden.
Mit Ihrem Antrag bringen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, eigentlich nur zum Ausdruck, dass Ihnen diese Situation relativ egal ist. Wenn Sie uns Feigheit vorwerfen, dann
Sie unterstellen mit Ihrem Antrag, dass die Schulen und die Lehrkräfte - also denjenigen, die am nächsten am Schüler dran sind - nicht in der Lage sind, ihre Schüler objektiv einschätzen zu können. Das ist falsch. Im Mittelpunkt Ihres Antrages stehen die Erwachsenen, die das Beste für ihre Kinder wollen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer das Beste für ihre Kinder tun können. Im Mittelpunkt unseres Interesses hingegen stehen die Kinder, denen wir Leid, Frust und Überforderung ersparen wollen.
Deshalb fordern wir noch einmal nachdrücklich eine Diskussion darüber, wie man diesen nicht nur unbefriedigenden, sondern auch qualitätshemmenden Umstand beseitigen kann. Unser Vorschlag dazu lautet: Aufnahmeprüfung nach der vierten Klasse für den Fall, dass Elternwille und Schullaufbahnempfehlung auseinander driften, und das immer unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des einzelnen Schülers.
Ich will gerne einräumen, dass gerade in der Lehrerausbildung sehr großer Wert darauf gelegt werden muss, wie wir die Diagnosefähigkeit bei den Lehrern verbessern können. Dazu haben wir am 3. November in einem Hearing zur Bildungsqualität sehr viel gehört. Es ist erstaunlich, wie viel man lernen kann, wenn man sich gegenseitig zuhört.
Natürlich ist die Hauptschule von diesem Thema besonders betroffen. In der vergangenen Woche hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Herr Braun, sich vehement für den Erhalt der Hauptschulen und die Dreigliedrigkeit ausgesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Braun ist der Repräsentant derjenigen, auf die wir angewiesen sind, wenn es darum geht, unseren Kindern Zukunftschancen zu eröffnen. Wir sind jetzt dabei, die Hauptschule zu stärken.
Lesen, Rechnen, Schreiben - das sind die Grundfertigkeiten für einen Beruf. Wenn diese Fertigkeiten in der Grundschule nicht ausreichend vermittelt werden konnten, dann ist die Hauptschule die
Schulform, die am besten geeignet ist, in aller Ruhe diese Elemente zu fördern und zu entwickeln. Das muss man in intensiver Beratung mit den Eltern besprechen. Wer dann immer noch nicht überzeugt ist, der sollte bitte schön nachweisen, dass sein Kind dennoch für eine andere Schulform geeignet ist. Diesen Nachweis kann man besten durch eine Überprüfung erbringen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal auf das eigentliche Thema hinweisen. Der Antrag lautet „Eigenverantwortliche Entscheidung der Eltern erhalten“, und die Opposition will wissen, wie wir oder wie ich es damit halten.
Aber, Frau Korter, selbst wenn man feststellt, dass es sich um einen Rohrkrepierer gehandelt hat, kann man das Thema ja nicht verlassen, ohne wieder die große Schulstrukturdebatte eröffnet und die frühe Auslese beklagt zu haben. Aber ich bin nicht undankbar dafür, dass die SPD das Thema auf der Tagesordnung belassen hat; sie hätte ihn ja auch zurückziehen können.
Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen: Ich kann mich nur an das Schulgesetz halten, und in § 6 steht hinsichtlich der Situation nach Klasse 4 der Grundschule nun einmal seit zwei Jahren schlicht und ergreifend Folgendes: „Die Erziehungsberechtigten entscheiden in eigener Verantwortung über die Schulform ihrer Kinder.“ Dieser Gesetzeswortlaut hat Bestand, und ich habe auch nicht die Absicht, daran zu rütteln. Das habe ich Ihnen, Herr Jüttner, Herr Meinhold und allen anderen, mehrfach gesagt.
Als gelernter Anwalt frage ich mich allerdings immer, wer denn durch wen vertreten wird, denn es geht in dieser Frage ja auch um ein Stück Glaubwürdigkeit. Und da wundert mich schon, dass Sie nun gerade den Elternwillen zum Kardinalthema erheben.
Wenn ich mir nun Ihr Förderstufenmodell ansehe - Herr Klare hat darauf hingewiesen -, wenn ich das Gesamtschulwesen betrachte, wenn ich an die Vorstellungen von Frau Bulmahn in Berlin, die ja heute einen besonders schweren Tag hat, oder an die Pläne der schleswig-holsteinischen Kollegen denke - ganz egal, ob es nun Einheitsschule, gemeinsame Schule oder Regionalschule heißt -, dann habe ich den Eindruck, dass Sie sowieso viel besser wissen als die Eltern, was für unsere Kinder gut ist. Denn wenn Sie eine Einheitsschule für alle von Klasse 1 bis Klasse 9 oder Klasse 10 vorschreiben, dann ist für den Elternwillen nicht mehr viel Platz.
Ich habe nur eine Bitte an Sie: Schreiben Sie möglichst schnell Ihre eigenen Programme, denn ich wäre dankbar, wenn wir schon sehr früh erfahren könnten, was Sie vorhaben.
Dann wissen wir nämlich genau, wer der richtige und wer der falsche Anwalt ist. Wenn Sie in Ihrem Programm mit Einheitsschule oder ähnlichen Dingen aufwarten, in denen der Elternwille nicht mehr stattfindet, dann wird im Lande eine Bewegung für den Elternwillen entstehen. Und ich werde gern an der Spitze dieser Bewegung stehen, das kann ich Ihnen sagen.
Das Schulgesetz sieht eine Empfehlung der Schule und eine Entscheidung der Eltern vor. Ein solches Verfahren, bei dem Eltern und Schule miteinander korrespondieren müssen, will gekonnt sein. Wir wollen die Eltern bei dieser nicht ganz einfachen Entscheidung beraten und unterstützen. Anders als Sie wollen wir ihnen aber eben nicht die Entscheidung abnehmen.
In § 6 Abs. 5 des Schulgesetzes ist die Beratungspflicht der Schule gegenüber den Eltern festgelegt. Die Schule muss im vierten Schuljahrgang mit den Erziehungsberechtigten einen Dialog über die Frage des weiteren Bildungsweges führen. Es geht nicht um eine einfache Verordnung, ein Dialog ist