Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Die Mittel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollen von 6,6 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro angehoben werden. Damit steht ihm quasi ein Landeshaushalt zur Verfügung. Da muss man sich schon fragen: Wo lebt der Mann eigentlich, wenn er angesichts dessen von einem Raubzug gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk spricht?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir ringen hier im Landtag darüber, ob wir den Schließern in den Gefängnissen eine Einmalzahlung von 120 Euro zahlen können.

(Elke Müller [SPD]: Die heißen nicht Schließer!)

- Ich habe gerade mit denen diskutiert, und wir waren uns sehr wohl darüber einig, welchen Belastungen man direkt an der Zellentür ausgesetzt ist. Also, da reden wir über einen Zuschuss von 120 Euro. An Rundfunkgebühren muss eine Fami

lie, die einen Fernseher hat, 200 Euro, also 400 DM im Jahr zahlen. Vor dem Hintergrund muss man schon darüber reden, ob diejenigen, die sich Gedanken über Sozialverträglichkeit machen, einen Raubzug gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk führen. Ich jedenfalls halte diese Formulierung für völlig unangemessen und weise sie zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich weise auch noch etwas anderes ausdrücklich zurück, und zwar die generelle Diffamierung von Politikern und Parteien in diesem Land. Wenn wir die Vielfalt der gesellschaftlichen Gruppen in den Gremien abbilden wollen - und das gibt uns das Bundesverfassungsgericht auf -, wenn wir also von Naturschutzgruppen wie Robin Wood bis hin zu den Kirchen, den Gewerkschaften und anderen großen gesellschaftlichen Gruppen alle abgebildet sehen wollen, dann gehören die demokratischen Parteien - ob SPD, FDP, CDU oder Grüne -, denen dieses Land viel zu verdanken hat, dazu.

(Heidrun Merk [SPD]: Die sind doch dabei!)

Ich lasse es nicht zu, dass diese Parteien per se als diejenigen diffamiert werden, die in diesen Gremien falsche Interessen wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Wie Sie wissen, nehme ich das Thema Politikverdrossenheit und Ansehensverlust von Parteien und Politikern sehr ernst, ob bei der Parteispendenaffäre bei uns oder in anderen Zusammenhängen. Als ich 1994 Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen wurde, hat noch mein Vorgänger im Landesvorsitz, Josef Stock, die CDU in den Gremien des NDR vertreten. Ich habe seinerzeit gesagt, dass ich eine größere Staatsferne möchte. Das war für mich nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Frage der Haltung. Die CDU hat daraufhin eine ehemalige Vorsitzende der Landjugend und anschließend eine Kommunalpolitikerin entsandt; wir haben seinerzeit gesagt, dass wir nicht aktive, in der vordersten Linie stehende Landespolitiker in die Gremien des NDR entsenden möchten. Die SPD hatte zu der Zeit ihren Fraktionsvorsitzenden Aller entsandt. Erst später ist sie dazu übergegangen, unserem Vorbild zu folgen. Ich halte das für eine richtige Entwicklung.

Wir müssen jetzt den Staatsvertrag formulieren, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Ich will keinen Staatsvertrag wie den über den Südwestfunk, der vorgibt, dass das Magazin report das eine Mal aus Baden-Baden und das andere Mal aus Mainz gesendet wird. Wir wollen die Staatsferne des Rundfunks und die Vierländeranstalt ebenso sichern wie die Ziele des Staatsvertrages, wenn sie pauschal formuliert sind; dazu gibt es auch den Vorschlag des Südwestfunks, den immerhin der sozialdemokratische Ministerpräsident Beck vor wenigen Jahren auf den Weg gebracht hat.

Außerdem lasse ich es nicht zu, dass das Modell des ZDF diffamiert wird. Herr Gabriel, Ihre Regierung hat 1990 Herrn Staatssekretär Scheibe als Chef der Staatskanzlei in den ZDF-Fernsehrat entsandt; heute ist er noch im Verwaltungsrat des ZDF. Sie haben auch alle anderen Ihrer Staatskanzleichefs in den ZDF-Fernsehrat entsandt, und zwar zu Recht; das war völlig okay. Und deswegen muss sich das ZDF auch nicht von Herrn Ringstorff oder anderen sagen lassen, dass sie das an die Zustände der DDR erinnert. Meine Damen und Herren, wer demokratisch gewählte Regierungen und ihre Repräsentanten nicht von Diktaturen unterscheiden kann, der hat ein nachhaltiges Problem. Aber das werden wir kaum lösen können; das muss in Mecklenburg-Vorpommern gelöst werden.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Meinten Sie Herrn Kauder, oder von wem reden Sie?)

Wer als SPD vor den Staatsgerichtshof in Bückeburg zieht, um im Grunde genommen seinen Einfluss bei ffn oder Antenne zu sichern, der sitzt wahrlich im Glashaus, wenn er über das Verhältnis von Medien und Politik in diesem Lande redet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Gegensatz zu Ihnen damals arbeiten wir mit der nordmedia, der Landesmedienanstalt und dem Intendanten des NDR gut zusammen. Wir werden diese gute Zusammenarbeit fortsetzen, weil wir eben nicht so auftreten, wie Sie beim damaligen Regierungswechsel aufgetreten sind.

Wir halten den Norddeutschen Rundfunk für eine Erfolgsgeschichte. Gerade durch den letzten Staatsvertrag wurde er aus dem Parteiengezänk herausgeführt und konnte deshalb das erfolgreichste Landesprogramm - sowohl „Radio Niedersachsen“ als auch „Hallo Niedersachsen“ - kreie

ren, auf das die ganze Republik positiv schaut und für das die Macher dieser Sendungen allergrößte Anerkennung verdient haben.

In Hannover geht es eben nicht so zu wie in Düsseldorf. Sie können in diesen Tagen im Focus lesen, dass die Düsseldorfer Staatskanzlei alles auflistet und sich beschwert, wenn Herr Steinbrück mal wieder nicht im Programm vorgekommen ist. Ich kann von mir als Ministerpräsident sagen, dass ich die Autonomie des Programms und die Verantwortlichkeit des NDR stets gewahrt und geachtet habe. Darin unterscheide ich mich von den meisten meiner Vorgänger, Herr Gabriel, die auch immer angerufen und gesagt haben, das passt uns nicht, das schadet uns, und das stört uns.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch wenn Sie es eben wieder gut hinbekommen haben, einen Ordnungsruf zu vermeiden, sage ich Ihnen: Ich lasse mich nicht auch nur in die Nähe eines Lügners rücken, wenn ich, wie ich damals ausdrücklich gesagt habe, auszugsweise aus einem Brief zitiert habe. Ich werde auch jetzt auszugsweise aus einem Brief zitieren, weil Herr Briese die richtige Frage gestellt hat. Er hat eben in seiner Rede gefragt: Was steckt dahinter? - Dahinter steckt das Interesse Niedersachsens, das wir als Parlament zu vertreten haben.

Wer das verstanden hat, ist der Deutsche Journalistenverband. Sein Vorsitzender schrieb mir vor wenigen Tagen:

„Der Deutsche Journalistenverband, Landesverband Niedersachsen, unterstützt Ihre Bemühungen, den Medienstandort Niedersachsen zu stärken. Wir teilen Ihre Auffassung, dass der Tatsache Rechnung getragen werden muss, dass 60 % der Rundfunkgebühren für den NDR aus Niedersachsen kommen. Das Landesfunkhaus muss weiterhin Sitz zentraler Redaktionen des NDR bleiben. Außerdem plädieren wir wie Sie für den Erhalt der NDR-Radiophilharmonie in Hannover.“

Das heißt: Auch ich wünsche mir eine Rundfunk-, Medien- und Pressefreiheit innerhalb des NDR, damit innerhalb des NDR auch uns gegenüber Argumente offen genannt werden können, damit offen gesagt werden kann, wie man Niedersachsen

im NDR stärken kann. Es kann nicht sein, dass alle sagen, wir trauen uns nicht, wir wagen es nicht, denn wir wissen nicht, wie Hamburg das goutiert.

Ich plädiere also für ein bisschen mehr Gelassenheit. Ein bisschen mehr Aufgeschlossenheit zu diesem Thema wäre Ihnen wirklich anzuraten. Mit diesem Versuch einer Kampagne werden Sie scheitern; das sage ich Ihnen voraus.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 gewähre ich Herrn Wolfgang Jüttner von der SPD-Fraktion eine zusätzliche Redezeit von drei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind für die Stärkung des Medienstandorts Niedersachsen und Hannover.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Sehr gut!)

Wir sind auch für viel Berichterstattung über Niedersachsen.

(Dr. Harald Noack [CDU]: Sehr gut!)

Wir sind auch für Gelassenheit, aber, meine Damen und Herren, wir lassen uns von Herrn Wulff auch nicht einlullen, und darum geht es hier.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Ich muss hier einige Dinge gerade rücken.

Erstens. Es ist unerhört, was Sie, Frau Kuhlo, hier zum System NDR ausgeführt haben. Damit denunzieren Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Norddeutschland. Das weisen wir strikt zurück.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Herr Wulff, zu Ihrer Gelassenheit und Souveränität hätte gehört, dass Sie in der Sitzung des zuständigen Fachausschusses am 18. Januar die Erläuterungen, die Sie hier gegeben haben, auch den Abgeordneten mitgeteilt hätten. Dort aber wurde gemauert, und das werfen wir Ihnen vor.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Drittens. Herr McAllister hat auf Herrn Schröder im Jahr 1990 zurückgegriffen. Aber was hat Herr Schröder vorgefunden? - Ein System, in dem der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen beim NDR angerufen und mitgeteilt hat, wer ihn interviewen darf. Meine Damen und Herren, das war CDU-Rundfunk im Jahre 1990!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

- Das ist alles nachweisbar. - Die Konsequenz daraus sind veränderte rechtliche Bedingungen, die die Staatsferne dadurch gewährleisten, dass die gesellschaftlichen Gruppen stärker in die Gremien des NDR eingebaut worden sind. Das war vernünftig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Hans-Christian Biallas [CDU])

Es geht nicht darum, die Parteien völlig herauszunehmen, sondern es geht um Staatsferne.

Herr Wulff, Sie haben eben erzählt, dass Sie kollegial mit anderen zusammenarbeiten. Erläutern Sie uns doch einmal, warum Sie mit Kündigung drohen und gleichzeitig von kollegialer Zusammenarbeit sprechen. Das Gegenteil ist der Fall, und so wird das auch in den anderen Hauptstädten wahrgenommen: Sie drohen, weil es Ihnen nicht um die Details geht, über die wir uns hier verständigen könnten, sondern um etwas anderes. Ich zitiere eine kurze Passage aus einem Interview, das Sie am 24. Januar im DeutschlandRadio gegeben haben: „Roland Koch hat seinen Hessischen Rundfunk, Henning Scherf hat sein Radio Bremen.“ Punkt, Punkt, Punkt! Darum geht es Ihnen!

Dann kam die Frage: „Also Sie wollen den Vertrag über die vier Länder kündigen?“ - „Nein“, sagt Herr Wulff. Es geht ihm nicht um Radio Niedersachsen, sondern er möchte sich den gesamten NDR zu Dienste machen. Das ist es, worum es geht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der CDU - Zuruf von der FDP: Das war ein Eigentor! - Bernd Althusmann [CDU]: Helau! - David McAllister [CDU]: Alaaf!)

Er möchte sich den NDR zu Dienste machen auf seinem Weg nach Berlin. Wir werden dafür sorgen, dass er bald wieder in seiner Heimat Osnabrück ankommt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)