Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung: Fördermöglichkeiten für eine umweltgerechte Grünlandnutzung ausschöpfen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1603

Zur Einbringung für den Antrag der CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Langspecht das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele unserer niedersächsischen landwirtschaftlichen Betriebe sind in der Krise, wobei insbesondere unsere Milchviehhalter besonders betroffen sind. Die Situation der Milcherzeuger hat inzwischen existenzbedrohende Ausmaße angenommen. Bei einem Milchauszahlungspreis im abgelaufenen Jahr 2004 von 27 Cent je Liter oder noch weniger und durchschnittlichen Produktionskosten von 32 Cent je Liter ist uns allen klar, dass bei den Bauern unterm Strich nicht mehr viel übrig bleibt, um nicht zu sagen: gar nichts. Daran ändert auch nichts, dass der Preis aufgrund der erhöhten Nachfrage augenblicklich geringfügig höher, bei 28 Cent je Liter oder vielleicht darüber, liegt und sich sogar im ersten Quartal auf diesem Niveau halten könnte.

Selbstverständlich hoffen wir auf eine leicht rückläufige Milchanlieferung in der EU und auf eine größere Nachfrage in Drittländern, was letztlich zu höheren Preisen führen dürfte. Aber wahrscheinlicher ist, dass die Kostenseite noch mehr als bisher auf die Milchviehhalter durchschlägt. Neben höheren Energie- und Verpackungskosten wird auch die Lkw-Maut möglicherweise zu weiteren Belas

tungen führen. Kurzum: Die Marktverhältnisse werden eher schwieriger, als dass sie sich in absehbarer Zeit grundlegend verbessern.

Wir müssen damit rechnen, dass bei einer hohen Zahl unserer jetzt noch ungefähr 16 600 Milchviehbetriebe in Niedersachsen das Licht ausgeht, wenn sich die Verhältnisse nicht ändern. Weil das so ist, sollten wir auf unserer Ebene nichts unversucht lassen, um den Milchviehhaltern im Kampf um das wirtschaftliche Überleben beizustehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben jetzt schon ein eklatantes Höfesterben. Allein in den letzten vier Jahren mussten bundesweit mit 15 700 Milchviehbetrieben fast genau so viele aufgeben, wie wir heute noch insgesamt in Niedersachsen haben.

Wir schlagen deshalb in unserem Antrag drei Maßnahmen vor: Erstens. Wir sollten trotz der zu erwartenden enormen Schwierigkeiten energisch versuchen, im EU-Agrarministerrat auf eine Reduzierung der Milchmengen hinzuwirken, und auf Nachverhandlungen drängen. Zumindest müssen wir uns massiv dafür einsetzen, dass die beschlossene Erhöhung um 1,5 % ab 2006 ausgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da liegt eine Chance, die Erzeugerpreise zu stabilisieren; denn die angedachte Quotenerhöhung vergrößert das Angebot und erhöht zwangsläufig den Druck auf den Preis.

Wir fordern zweitens die bundesweite Handelbarkeit von Milchquoten. Dies ist schon aus Wettbewerbsgründen unverzichtbar. Es ist schon enttäuschend, dass wir hier in den letzten Jahren nicht weitergekommen sind. Die derzeitige Regelung verhindert die Strukturentwicklung und garantiert auch keinesfalls den Bestand von Betrieben in den Regionen, was einige ja immer noch meinen. Auf jeden Fall würden mit einem bundesweiten Quotenhandel die Milchquotenpreise sinken, was insbesondere für unsere wachstumsorientierten Betriebe attraktiv wäre.

Meine Damen und Herren, sowohl beim Vorstoß im EU-Agrarministerrat als auch bei der bundesweiten Handelbarkeit muss die Bundesregierung mitspielen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen Druck auf Frau Künast machen, damit wir hier weiterkommen. Meine Damen und Herren, sie muss in die Strümpfe kommen: Wir erwarten von unserer Bundeslandwirtschaftsministerin mehr Engagement in diesen Fragen, anstatt durch überzogene nationale Standards und ständige Alleingänge wie bei der Legehennenverordnung oder beim Agrardiesel unsere Landwirtschaft noch weiter vor die Hunde gehen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Schließlich wollen wir einen Teil der uns ab 2006 zur Verfügung stehenden Modulationsmittel gezielt auch für unsere milchviehhaltenden Betriebe einsetzen. Dabei sind wir uns darüber im Klaren, dass diese Mittel weitestgehend ohnehin den wirtschaftenden Betriebe zugute kommen sollten. Wir denken hier an eine Unterstützung der Weidehaltung, an die Laufstallhaltung auf Stroh, aber auch an Maßnahmen zur weiteren Qualitätsverbesserung der Milchproduktion z. B. bei der Milchleistungsprüfung.

Meine Damen und Herren, unsere niedersächsischen milchviehhaltenden Betriebe verfügen über eine international anerkannte hochwertige Qualitätsproduktion. Diese Produktion entspricht den hohen Anforderungen eines modernen Verbraucherschutzes sowie auch dem Umwelt- und Tierschutz in geradezu - das kann man für unsere niedersächsischen Betriebe wirklich sagen - vorbildlicher Weise.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unsere Milcherzeuger haben es verdient, unter besseren Rahmenbedingungen zu wirtschaften. Genau in diese Richtung geht unser Antrag. Deshalb bitte ich Sie hier auch um Unterstützung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, alle Fördermöglichkeiten für eine umweltgerechte Grünlandnutzung auszuschöpfen, kommen wir allerdings - das sage ich von vornherein - nicht klar, und zwar deshalb nicht, weil er schlicht einen Denkfehler enthält. Die Verschiebung der Zahlungsansprüche zu Gunsten von Grünland würde nicht zu einem höheren Schutz von Dauergrünland führen. Wir haben die entkoppelten Prämien. Das heißt: Ob künftig eine Prämie für Ackerland oder

für Grünland zugewiesen wird, wird allein davon abhängen, welchen Status die betreffende bewirtschaftete Fläche im Jahr 2003 hatte.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Sehr richtig!)

Wenn diese Fläche im Jahr 2003 als Dauergrünland eingestuft worden ist, ist sie auch für einen flächenbezogenen Betrag für Dauergrünland vorgesehen, selbst wenn sie im Nachhinein als Acker genutzt würde. Das heißt, mit den jetzt entkoppelten Zahlungsansprüchen kann nicht Grünland gefördert werden, unabhängig davon, wie hoch die Prämie auch sein mag. Eine erhöhte Prämie würde lediglich diejenigen Betriebe begünstigen, die das Grünland im Jahr 2003 tatsächlich bewirtschaftet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein ökologischer Vorteil ist damit aus meiner Sicht nicht zwingend verbunden.

Zur Förderung der extensiven Grünlandnutzung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe bleibt festzuhalten, dass das ML diese Maßnahmen in den Förderkatalog aufnehmen und anbieten wird. Zur Modulation habe ich eben unsere Auffassung dargelegt.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen so nicht umsetzbar ist und von uns deshalb abgelehnt wird. Wir reden darüber, so denke ich, aber noch im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird eingebracht durch Herrn Kollegen Klein. Bitte schön, Herr Klein!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns an dieser Stelle nicht über die besondere Bedeutung des Grünlandes gerade in Niedersachsen streiten müssen. Seine ökologische Bedeutung für den Biotopschutz und die damit verbundene Artenvielfalt ist sicherlich unbestritten. Die offenen Flächen - häufig noch mit ihrem Viehbestand - gehören zu den typischen attraktiven Reizen unseres Landschaftsbildes, auf das wir bei unseren Sonntagsspaziergängen und sicherlich

auch die Menschen, die uns zwecks Erholung besuchen, auch künftig nicht verzichten wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nicht zuletzt ist es natürlich die nahezu alternativlose Wirtschaftsgrundlage für unsere viehhaltenden Betriebe, insbesondere für die Milchwirtschaft.

Ich glaube, mir wird niemand widersprechen, wenn ich sage, dass das Grünland in der Vergangenheit das Stiefkind der EU-Agrarpolitik und ihrer Förderung war. Deshalb, meine Damen und Herren, war es ein wichtiger und richtiger Schritt, bei der EUAgrarreform auf ein Flächenprämienmodell zu setzen und dabei endlich das Grünland mit einzubeziehen.

Die bisherige Benachteiligung wird sehr deutlich, wenn man die Aufteilung der bisherigen Zahlungen auf die künftige Grünlandprämie und Ackerprämie vergleicht. Von Land zu Land ist das unterschiedlich. In der Regel ist es aber so, dass Grünland maximal ein Drittel der jeweiligen Ackerprämien erreicht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch zu bedenken geben, dass es gerade die Milchviehbetriebe sind, die die Mehrzahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft stellen. Die Situation im Milchbereich ist nach wie vor angespannt. Die Erzeugerpreise sind zu niedrig, um eine durchschnittliche Kostenbelastung aufzufangen und um zusätzlich den Einkommens- und Investitionsbedarf zufrieden stellend abzudecken. Zur weiteren Perspektive gibt es in der Fachwelt widersprüchliche Einschätzungen. Man kann aber, glaube ich, sagen: Es überwiegt vorsichtiger Optimismus. Es gibt durchaus Lichtblicke. Es ist die weltweit ansteigende Nachfrage nach Milch und Milchprodukten, die zu einer Stabilisierung des Milchpreises beigetragen hat. Vielleicht entfaltet ja auch die gemeinsame Kampagne von Berufsstand und Politik gegen die Geiz-ist-Geil-Ideologie inzwischen eine kleine Wirkung.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Hoffent- lich!)

Sehr positiv, meine Damen und Herren, fand ich, dass entgegen fast aller Voraussagen die Absenkung des Interventionspreises nicht automatisch zu einem niedrigeren Marktpreis geführt hat. Auch die Wirkung der Entkopplung auf die Milchwirtschaft sehe ich hier eher als Chance denn als Risiko.

Aber, meine Damen und Herren, um es klar zu sagen: Das alles darf kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Wir müssen in Niedersachsen unsere Möglichkeiten ausschöpfen und dieses zarte Pflänzchen stützen, pflegen und weiter entwickeln. Unsere Vorschläge legen wir heute mit unserem Antrag vor. Dabei wollen wir uns im Gegensatz zum CDU-Antrag nicht allein auf die Möglichkeiten der zweiten Säule beschränken. Wir nutzen - ich darf das einmal so sagen - unsere Unabhängigkeit von einzelnen Interessengruppen, um Ihnen auch einen Eingriff bei den Direktzahlungen der ersten Säule vorzuschlagen, den wir für gerecht und für vernünftig halten. Wenn Sie uns dabei folgen wollen, sind wir gern bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen und bei den Ackerbauern als Prügelknabe herzuhalten.

Es geht also um die national eingeräumte Möglichkeit, die Anteile von Grünland und Acker an den Flächenprämien in einem geringen Rahmen zu Gunsten des Grünlandes zu verschieben. Das Gesetz sieht hier einen maximalen Faktor von 0,15 vor. In Schleswig-Holstein, das diesen Weg gehen will, wird es für Dauergrünland dann 117 Euro pro Hektar statt nur 77 Euro geben. Dafür wird die Ackerprämie von 301 Euro auf 283 Euro pro Hektar abgesenkt. Auch in Hessen wird von der Länderoption Gebrauch gemacht. Hier wird der Spielraum aber nicht ganz genutzt. Die Grünlandprämie steigt dort von 47 auf 65 Euro. Die Ackerprämie wird von 327 Euro auf 317 Euro gekürzt. Ich gehe davon aus, dass inzwischen auch unser Ministerium gerechnet hat und uns die niedersächsischen Optionen noch heute nennen kann.

Wir halten eine solche Korrektur zu Gunsten des Grünlandes und unserer Milchviehbetriebe für notwendig und die Kürzungen der Ackerprämie für zumutbar und für verkraftbar. Ich möchte Ihnen die Gründe dafür nennen. Zum einen ist festzuhalten, dass die Gesamtprämiensumme im neuen System höher als im alten Produktprämiensystem ist. Das heißt, insgesamt wird für alle mehr ausgeschüttet. Zum anderen muss ich festhalten, dass insbesondere bei Gemischtbetrieben, also bei Betrieben, die sowohl Grünland also auch Ackerland bewirtschaften, die Verschiebungen minimal sein werden.

Weiterhin ist festzuhalten, dass die Ackerprämie in Zukunft nicht mehr nur für die Grande-CultureFlächen, sondern für alle Ackerfrüchte gezahlt wird. Das heißt, Ackerbetriebe, die vorwiegend

Gemüse, Kartoffeln und Rüben anbauen, werden im neuen System häufig sogar mehr Prämie erhalten, als sie nach dem alten System bekommen haben. Ich erinnere nur an die Zuckerrübenanbauer, die hier einen entsprechenden Zuwachs erhalten.

Schließlich denke ich - auch das muss man berücksichtigen -, dass die Betriebe mit guten Ackerböden in dem neuen marktorientierten System deutlich mehr und bessere Produktionsalternativen haben als die Betriebe, die auf Dauergrünland arbeiten müssen.

Diese Maßnahme in der ersten Säule soll ergänzt werden um die Förderung aus der zweiten Säule, die sich aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe und der Modulation speist. Hier sollen die neuen Möglichkeiten genutzt werden, die Bund und Länder Ende des Jahres gemeinsam vereinbart haben. Es geht da im Einzelnen um die extensive Weidenutzung bestimmter Grünlandflächen, um die Sommerweidehaltung von Rindern, um die Beibehaltung extensiver Schaf- und Ziegenhaltung und um die Erhaltung pflanzengenetisch wertvoller Grünlandvegetation mit einem neuen konzeptionellen Förderansatz, der eine Erfolgsorientierung beinhaltet, nicht mehr aber eine Maßnahmeorientierung. Ich glaube, das ist ein ganz interessanter und sinnvoller Ansatz. Im Ausschuss werden wir die Diskussion über diese Maßnahmen sicherlich noch vertiefen können. Hier habe ich nicht die Zeit, das alles darzustellen.

Herr Kollege Langspecht, Sie haben in Ihrer Einführungsrede gesagt, dass Sie prüfen wollen, was auf unserer Ebene möglich ist. Generell besteht der Unterschied zwischen unseren Anträgen darin, dass sich unser Antrag ausschließlich mit Dingen befasst, die wir auf der niedersächsischen Ebene selbst tun können, während sich Ihr Antrag ein bisschen auf das konzentriert, was andere tun sollen.

Zu Nr. 1 muss man festhalten, dass es natürlich eine Binsenweisheit ist, dass es eine zu hohe Milchquote in der EU gibt. Zweifellos wäre es eine gute Lösung, wenn wir europaweit zu Kürzungen kämen. Aber, meine Damen und Herren, gute Lösungen sind nur dann Lösungen, wenn sie politisch umsetzbar sind. Sie sind ja auch auf der Landvolk-Versammlung gewesen; Sie haben den Stellvertretenden Generaldirektor Landwirtschaft der EU-Kommission, Herrn Hoelgaard, gehört. Er hat sehr deutlich gesagt: Diese Dinge stehen nicht

zur Diskussion. Es handelt sich um einen harten Kompromiss, der damals gefasst und abgeschlossen worden ist; andere haben ihre Erhöhung bereits bekommen; es wäre ungerecht, wenn diejenigen, die bis zum Jahr 2006 warten müssen, nun darauf verzichten sollten - zumindest müssten sie eine riesengroße neue Lösung in diesem Bereich finden. Inhaltlich - ich kann Ihnen nur zustimmen wäre das eine gute Lösung.

Nr. 2 ist - auch das halte ich für legitim - eine Lösung vor allen Dingen aus niedersächsischer Sicht. Die bundesweite Handelbarkeit hilft - das muss man ganz deutlich sagen - nur den starken unter den Milchbetrieben. Es ist sicherlich kein stabilisierendes Element. Sie beklagen ja in der Einleitung zu Ihrem Antrag, dass der Strukturwandel durch die EU-Reform beschleunigt wird. Sie werden bei diesem Punkt aber zugestehen müssen, dass Sie mit einer solchen Maßnahme den StrukturwandelTurbo einlegen würden, der das Ganze mindestens vervielfacht.