Wir kommen zur letzten Abstimmung, nämlich zur Abstimmung über die Eingabe 1741 betreffend Streichung der institutionellen Förderung des TAK. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor mit dem Ziel, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses, Sach- und Rechtslage zu beschließen. Wer dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Ausschussempfehlung ist gefolgt worden.
Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Fahrgastrechte verankern - Kundencharta auch im Nahverkehr - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1609
- Ich werde es ihm aber erst dann erteilen, meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Unterhaltungen hier im Saal eingestellt haben. Sie können sich draußen ja gern weiter unterhalten; nicht aber hier drin.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört zu den guten Prinzipien des bürgerlichen Rechtes schon seit dem Jahr 1900, dass der, der etwas verspricht, es auch zu halten hat. Der Verkäufer muss ordentliche Ware liefern, und der Handwerker muss seine Arbeit ordentlich erledigen. Was verspricht der öffentliche Verkehr? - Pünktlichkeit, Komfort und Service. - Doch die Qualität in Zügen und auf Bahnsteigen in Deutschland lässt oft zu wünschen übrig. Seit der Bahnreform und seit Beginn der Privatisierung auch im Nahverkehr wandeln sich unsere Verkehrsunternehmen zu gewinnorientierten Wirtschaftsunternehmen. Wirtschaftsunternehmen sollten besser keine Narrenfreiheit besitzen, sondern sie haben aus guten Gründen gesetzlich geregelte Haftungspflichten gegenüber ihren Kunden wahrzunehmen. Dieser Schritt ist bei uns überfällig. Die Kunden erwarten das. Die Entwicklung der Privatisierung ist bisher entkoppelt von der Entwicklung des Fahrgastes alter Form hin zum Kunden.
Weil wir im Fernverkehr und auch in weiten Teilen des Nahverkehrs immer noch einen quasi Monopolisten haben, wäre es besonders wichtig, hier politisch nachzusteuern. Dass die DB einen rechtsfreien Raum nach eigenem Gutdünken füllen kann, bekommen Bahnfahrer täglich zu spüren. Auch jeder von uns hier kann sicherlich von ungeplanten Abenteuern mit der Bahn berichten. Ob auf
der Strecke Hamburg - München oder auf der Strecke Hannover - Berlin - wer weiß schon, ob sie oder er mit einem teuren ICE-Ticket tatsächlich auch schnell und pünktlich am Ziel ankommt? Fehlender oder unzureichender Wettbewerb und fehlende rechtlichen Regelungen bilden einen Nährboden für geringe Qualität und mangelhaften Service.
Man kann es der Bahn noch nicht einmal übel nehmen, ihr nicht einmal vorwerfen, dass sie ihren Freiraum zu nutzen versteht. Doch damit muss Schluss sein. Die derzeitige Kundencharta der Bahn hält nicht, was sie verspricht. Auch die Stiftung Warentest kommt in ihrer Dezemberausgabe zu dem Schluss: „Die Kunden haben bei der Bahn kaum Rechte und können bestenfalls auf Kulanz hoffen.“ Das Versprechen der Charta ohne jeglichen Rechtsanspruch an den Fahrgast kann die Bahn nämlich jederzeit auch wieder rückgängig machen. Das bestehende Verfahren ist außerdem viel zu bürokratisch und zeitintensiv und lohnt sich am Ende noch nicht einmal für den einzelnen Kunden. Drei Mal muss sich der Kunde an Schaltern anstellen, um seinen Anspruch auf Erstattung geltend zu machen. Erstattet bekommt er am Ende nur einen geringen Bruchteil seiner Fahrtkosten, selbst wenn sich sein Zug um Stunden verspätet hat.
Wer sich nicht sofort auf den Weg macht, der geht sogar ganz leer aus. Nach nur zwei Tagen erlischt der Anspruch auf Erstattung. Mit Ausnahme der Bahn kann es sich wohl kein anderes Unternehmen in Deutschland leisten, so mit seinen Kunden umzugehen.
Sobald von Fahrgastrechten die Rede ist, lässt das Argument „das ist viel zu teuer“ nicht lange auf sich warten. Bestimmt werden wir es auch in der heutigen Debatte gleich noch ein paar Mal hören. Dieser Reflex ist sicherlich der guten PR-Arbeit der Bahn zu verdanken, entspricht aber wirklich nicht der Realität. Er entspricht einer absurden Logik; denn wenn die Bahn pünktlich fahren würde, müsste sie auch nichts oder nur wenig an ihre Kunden zurückzahlen. Das Versprechen von Qualität würde also für Qualität sorgen.
Es ist schlimm genug, dass die mangelnde Qualität bei der DB heute laut Bahnchef Mehdorn eine Größenordnung von schätzungsweise fast einer halben Milliarde Euro einnehmen soll. Wir müssen nun die Bahn aber wahrlich nicht auch noch dabei unterstützen, sich beim Service nicht weiter anzu
strengen, indem wir ihr weiterhin Narrenfreiheit gewähren. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich der freiwillige Feldversuch bewährt. Während wir hier noch von mehr Kundenrechten sprechen, hat der Großraum-Verkehr Hannover, der GVH, bereits gehandelt. Der GVH garantiert seinen Kunden seit November 2003 Pünktlichkeit und Sauberkeit. Kommt der Kunde 20 Minuten später als geplant am Ziel an, schickt ihm der Großraum-Verkehr Hannover ein Tagesticket zu oder übernimmt auch Kosten für eine Taxifahrt - nachts - bis zu 20 Euro. Alles, was der Kunde zu tun hat, ist, ein Formular aus dem Internet oder an einem Service-Punkt auszufüllen, die möglichen Quittungen beizufügen und alles dem Großraum-Verkehr Hannover zuzuschicken. Von diesem Service wagen Kunden der Deutschen Bahn noch nicht einmal zu träumen.
Nach einer ersten Bilanz im Januar stellt der Großraum-Verkehr Hannover fest: Seine Kunden sind zufriedener. Das beste dabei ist: Der Service kostet nicht mehr als vor der Garantiezusicherung. Auch die CDU im Bund übrigens fordert mit ihrem jüngsten Antrag „grünes Licht für gesetzlich normierte Fahrgastrechte“. Allerdings sind sich Frau Merkel und die Niedersächsische Landesregierung bei diesem Thema offenbar nicht richtig einig. Während nämlich die CDU in Berlin die Ziele des Gesetzentwurfes aus Nordrhein-Westfalen für eine Bahnkundencharta unterstützt, boykottiert das Land Niedersachsen das Bemühen um verbesserte Fahrgastrechte im Bundesrat. Bei der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses dort lehnte die Regierung Wulff den Entwurf aus NordrheinWestfalen schlicht ab.
Der Vorschlag ist sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Daran sollte man noch weiter arbeiten. Aber Sie mit Ihrer absoluten Boykotthaltung und Gesprächsunwilligkeit fallen nicht nur Ihren CDU-Kollegen in Berlin, sondern vor allem auch den Bus- und Bahnkunden in den Rücken.
Es gibt viele Ansätze, das Problem in den Griff zu bekommen, auch hier von Landesseite aus. Wir könnten das Landesnahverkehrsgesetz ändern, eine Schlichtungsstelle nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens einrichten und eine Kundencharta für den Nahverkehr einführen, wenn wir die Bedingungen im Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn nachverhandeln und an Qualität kop
peln würden. Denkbar wäre auch, den Netzbetreiber für mangelhafte Schienenstrecken in Regress zu nehmen, indem wir nicht mehr die vollen Trassenpreise zahlen. Denn oft ist die Netzqualität für die Verspätungen verantwortlich. Vieles könnten wir ohne zusätzlichen Finanzaufwand aus Steuergeldern für die Kunden des öffentlichen Verkehrs verbessern, damit deren gutes Geld künftig auch nur für gute Leistungen ausgegeben wird. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hagenah, Sie wissen, dass ich Ihre Anträge immer ganz genau lese. Eigentlich schätze ich auch Ihre Arbeit sehr. Aber - ich sage das einmal ganz platt - heute fehlt mir irgendwo am Ende der Satz: „Die Erde ist eine Scheibe.“ - Sie können von uns nicht erwarten, dass wir uns über diesen Antrag in einer langwierigen Ausschusssitzung, womöglich länger als eine Stunde, unterhalten.
Was erwarten Sie? Was wollen Sie wirklich? Mehr Rechte für Fahrgäste, auch wenn dadurch die Bahn zwangsläufig - das wissen Sie - langsamer und teurer werden müsste? - Abgesehen davon, dass meiner Meinung nach nicht in einem solchen Umfang in Firmenpolitik eingegriffen werden sollte, müssten die Züge mit größeren Zeitreserven, also langsamer, verkehren, oder die Fahrpreise müssten wegen des Mehraufwandes für Entschädigungen und zur Vermeidung von Verspätungen erheblich steigen. Das wollen Sie nicht - das weiß ich. Haben Sie sich einmal die Summe für die aus Ihrem Antrag entstehenden finanziellen Belastungen für die DB AG nennen lassen? - Das sind 450 Millionen Euro pro Jahr. Das muss man sich einmal vorstellen.
- Ich mache nur einen Vorschlag zur Güte. - Die EU-Kommission, Herr Hagenah, hat im März 2004 eine Verordnung zur Erweiterung von Fahrgastrechten vorgeschlagen. Die liegt Ihnen sicherlich vor. Diese neuen Regelungen könnten auch den innerstaatlichen Schienenverkehr erfassen, da ja umfassende EU-Regelungen nationale Regelun
gen wiederum verdrängen würden. Warten wir doch den Abschluss des gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens erst einmal ab! Vielleicht sollten wir auch erst einmal abwarten und dann bewerten, wie die Kundencharta der DB AG, von der Sie gesprochen haben - es ist ja nicht so, dass gar nichts da ist; sie gibt es ja erst seit dem 1. Oktober 2004 -, angewandt wird. Im Sinne des Verbraucherschutzes könnte sie schon greifen.
- Warten Sie es doch einmal ab! Sie können doch nicht von jetzt auf gleich etwas erwarten. - Denn diese Regelung gewährt bereits Entschädigungen bei Verspätungen und ist dennoch klar, rechtssicher und wirtschaftlich für die Bahn tragbar.
Sie haben eben gesagt: gewinnorientiert. - Das ist doch logisch. Oder haben Sie schon einmal ein Unternehmen gesehen, das nicht gewinnorientiert war? - Aber dann sagen Sie wiederum: zu bürokratisch. - Sie wollen aber mit diesem Antrag doch erst Bürokratie aufbauen.
Was ist denn außerdem mit unserem gemeinsamen verkehrspolitischen Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen? - Das war doch immer unser gemeinsames Ziel. Ihr Vorschlag greift dann auch noch in den Wettbewerb der Verkehrsträger Schiene und Straße ein. Die Bahn würde doch mehr haften als, sagen wir einmal, der Fernverkehr oder die Luftfahrt. Wen machen wir also haftbar, wenn wir auf Sie hören, oder wo bekommen wir den Benzingutschein, wenn wir mit dem PKW eine Stunde auf der A 1 in Richtung Osnabrück im Stau gestanden haben? - Vielleicht sollten wir auch das im Nachhinein noch regeln.
Noch ein paar Worte zum Schienenpersonennahverkehr und zu der von Ihnen vorgeschlagenen Kundencharta. Nach den Verträgen mit den Ländern haftet die Bahn schon heute. Sie hat sich durchaus zu einer bestimmten Leistungsqualität und Pünktlichkeit verpflichtet. Erreicht die Bahn dieses Ziel nicht, dann hat sie Vertragsstrafen an die Länder zu zahlen. Das wissen Sie. Darüber hinaus entschädigt die Bahn Fahrgäste bereits heute auch im Nahverkehr nach kundenorientierter Prüfung in Einzelfällen.
Nahverkehr Schadenersatz schon für 20 Minuten Verspätung - Ersatz für Taxi und Übernachtung zu zahlen, für ziemlich überzogen. Herr Hagenah, Nahverkehr und Übernachtung - irgendwo hört das auf.
Wir beraten das hier das erste Mal. Wir sollten noch einmal im Ausschuss miteinander darüber reden, auch über den unterschiedlichen Bahnservice und Pünktlichkeit für die Strecken zwischen NRW und Niedersachsen. Das ist schon ein sehr großer Unterschied; denn was für Niedersachsen aus Ihrer Sicht erforderlich wäre, war vielleicht für NRW notwendig. Den Unterschied kann ich Ihnen aber im Ausschuss erklären. Wir wissen das: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Herr Hagenah, Ihr Antrag war nicht einmal gut gemeint. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Rühl, Sie haben sich leider zu sehr mit der Bahn AG auseinandergesetzt. Man hätte sich dann auch mit den Dingen stärker beschäftigen müssen, die Niedersachsen selbst steuern kann. Ich denke z. B. an die Landesnahverkehrsgesellschaft. Dort gibt es eine Menge von Möglichkeiten. Aber mit der A 1 bringen Sie einen direkt auf neue Ideen.
Meine Damen und Herren, der von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Entschließungsantrag befasst sich mit dem wichtigen Aspekt der Sicherung der Fahrgastrechte auch im Nahverkehr. Bahn- und Buskunden sind aber insbesondere im Nahverkehr täglich auf einen reibungslosen Ablauf und entsprechende Pünktlichkeit durch die Verkehrsunternehmen angewiesen. Sie erwarten als Nutzer eine entsprechende Beförderungsqualität durch diese Verkehrsunternehmen. Das gegenwärtig geltende Haftungsrecht, nach dem allgemeinen Eisenbahngesetz und dem Personenbeförderungsgesetz, schließt ein Einstehen der Verkehrsunternehmen für die Folgen einer Verspätung bzw. eines Fahr
ausfalls ausdrücklich aus. Diese Regelungen, die aus dem vorletzten Jahrhundert stammen und die verkehrlichen Zustände des 19. Jahrhunderts wiedergeben, sind überholt und dringend an die heutige Zeit anzupassen. Anbieter der schienengebundenen Verkehrsleistung ist längst nicht mehr der Staat allein. Die Deutsche Bundesbahn - inzwischen umgewandelt ist eine Aktiengesellschaft, die den Börsengang anstrebt. Gerade im Regionalverkehr gibt es eine Reihe von Mitwettbewerbern.
Die Verkehrsunternehmen treten ihren Kunden gegenüber mittlerweile als Wirtschaftsunternehmen auf und sind deshalb auch grundsätzlich entsprechend haftungsrechtlich zu behandeln. Insbesondere der öffentliche Personennahverkehr ist dabei der staatlichen Daseinsvorsorge unterstellt und wird in erheblicher Höhe durch öffentliche Mittel gestützt. Diese Gemeinwirtschaftlichkeit des Personennahverkehrs schlägt sich in Fahrpreisen des Nahverkehrs, die nicht im Verhältnis zu der Transportleistung stehen, nieder. Es bedarf dementsprechend auch einer anderen Ausgestaltung des haftungsrechtlichen Verhältnisses im Fernverkehr zwischen Bahn und Fahrgast. Es ist daher sachgerecht und notwendig, die Fahrgastrechte im Nah- und Fernverkehr unterschiedlich zu regeln. Dies berücksichtigt der in den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf.
Die haftungsrechtliche Privilegierung der Nahverkehrsunternehmen bleibt deshalb als solche erhalten, wird aber spürbar zugunsten des Fahrgastes eingeschränkt. Während sich die Haftung der Bahn für Verspätungen und Zugausfälle im Fernverkehr künftig nach den allgemeinen Regeln des BGB richten soll, enthält der Gesetzentwurf eine besondere Regelung für den ÖPNV. Der MangelBegriff ist bestimmt und eingeschränkt; der zu ersetzende Schaden ist beschränkt. Auf der anderen Seite strebt der Gesetzentwurf eine Vereinheitlichung der entsprechenden Regelungen für schienengebundenen Personennahverkehr auf Regionalbahnstrecken mit Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen an.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund unterstützen wir den Entschließungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und damit die Bundesratsinitiative von NRW zur Verbesserung der Fahrgastrechte auch im Nahverkehr. Auf der Grundlage des NRW-Gesetzentwurfs und der Praxis in vielen anderen Ländern Europas ist es folgerichtig, Fahrgastrechte rechts