Protokoll der Sitzung vom 14.05.2003

Die Frage ist nun, wie verantwortbar Ihre Entscheidung ist. Heute sehen Sie mit der Geschichte ja noch ganz gut aus.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Mor- gen auch!)

Aber abgerechnet wird im Jahre 2008.

Wir haben in der letzten Wahlperiode 15 000 Lehrinnen und Lehrer eingestellt. Sie haben bis 2008 Gelegenheit, 2 500 zusätzlich einzustellen und dann in jedem Jahr die Ausscheidenden zu ersetzen. Jedes Jahr sind das mindestens 2 000, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Im Wahlkampf 2008 werden wir uns dann treffen und sagen: 5 mal 2 000 ergibt 10 000, und 2 500 ist die Messlatte für Sie. - Herr McAllister guckt schon ganz traurig, weil er weiß, wie schwer das wird. - Mindestens 12 500 - das ist die logische Konsequenz aus Ihrem Beschluss zu den 2 500. Das haben Sie der Öffentlichkeit aber nicht gesagt, meine Damen und Herren. Deshalb werden wir mit Interesse beobachten, wie Sie in den nächsten Jahren mit den ausscheidenen Lehrerinnen und Lehrern und der Frage der Wiederbesetzung umgehen. Das wird eine ganz spannende Angelegenheit.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU)

Ich muss noch drei Bemerkungen dazu machen, wie Sie diese Geschichte gerade angehen.

Die Finanzlage des Landes war für uns ausschlaggebend, den Mund nicht so voll zu nehmen. Sie können nicht behaupten, Sie hätten nicht gewusst, was auf Sie zukommt. Ich habe mir eine ganze Liste von Zitaten von Ihnen, Herr Möllring, Presseerklärungen und Redebeiträgen im Plenum zusammenstellen lassen,

(Reinhold Coenen [CDU]: Die sind gut!)

in denen deutlich wird, dass die Finanzlage des Landes schwierig ist - seiner Meinung nach eher noch schwieriger, als wir es geäußert haben - und man deshalb überhaupt keinen Spielraum hat. Aber die CDU und die FDP schaffen die Stellen und gehen zusätzlich zu der exorbitant hohen Neuverschuldung, die wir schon hatten, eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 195 Millionen Euro ein. Ich zitiere Herrn Möllring aus der Presseinformation vom 14. November 2002: „Eine höhere Verschuldung hat das Land noch nie nach vorne gebracht.”

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, da muss man sich genau überlegen, wie viel man sich an der Stelle zumutet. Sie haben jetzt die Verantwortung dafür; und dann wollen wir jetzt einmal schauen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU)

Dann wollen wir der geneigten Öffentlichkeit auch mitteilen, was alles in anderen Ressorts zur Finanzierung notwendig geworden ist; denn eines ist ja auch klar: Die Landespolitik ist mehr als Bildungspolitik. Es führt beispielsweise dazu, dass Sie in der Arbeitsmarktpolitik 3,2 Millionen Euro kürzen, davon allein 3 500 Euro für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

(Hört, hört! bei den GRÜNEN)

- an der Stelle muss man das auch diskutieren, meine Damen und Herren -, und das führt dazu, dass 980 000 Euro im Bereich niedrigschwelliger Betreuungseinrichtungen gestrichen werden sowie - hören Sie gut zu - dass im Bereich der Familienpolitik - die öffentlichen Bekundungen sind ja

anders - familienpolitische Leistungen in Höhe von 1,32 Millionen Euro gestrichen worden sind. So viel zum Thema andere Ressorts. Man kann das für richtig halten, aber dann muss man das wenigstens mitdiskutieren und darlegen, was das insgesamt heißt.

Dann haben Sie eine Sache gemacht, die ich für besonders fatal halte: Sie finanzieren eine Bildungsmaßnahme durch Bildung. Sie benutzen die niedersächsischen Hochschulen als Steinbruch, um eine Ihrer Wahlaussagen einhalten zu können. Das ist wirklich eine Sauerei.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie gehen in den Forschungsbereich hinein, wissen aber, was Forschung für Innovation und Zukunftsfähigkeit bedeutet, und Sie kassieren 3 Millionen Euro bei dem Thema Lernmittelfreiheit ab. Bildung durch Bildung finanzieren - meine Damen und Herren, dazu kann ich die Kollegin Mundlos, die es immer auf den Punkt zu bringen weiß, zitieren: Aber eine Bildungsoffensive, bei der dem Hochschuletat etwas genommen wird, was den Schulen zufließt, und bei der einzelne Bildungsbereiche gegeneinander ausgespielt werden, ist keine Bildungsoffensive. - Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben. So sagt es Frau Mundlos.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich finde, sie hat ausnahmsweise Recht.

Meine Damen und Herren, ich weiß, Sie kriegen für diese Neueinstellungen Beifall. Wir machen hier keine Fundamentalopposition,

(Lachen bei der CDU - Zuruf von Karl-Heinz Klare [CDU])

wie Sie das früher gemacht hätten, und fordern mal eben 3 000 Stellen - das wäre ja auch möglich gewesen. Wir glaubten, 700 verantworten zu können. Ich habe es gesagt: Der Preis für die Neueinstellungen ist hoch. Sie müssen ihn verantworten. Es gibt - das wissen Sie - keinen automatischen Zusammenhang zwischen Neueinstellungen und Qualitätssteigerung. - Sie ahnen, dass das so ist. Ich sage Ihnen: Wir werden Ihnen in den nächsten Monaten eine Qualitätsdebatte aufzwingen, in der Sie keine

Chance haben, solange Sie weiter für Einfalt statt für Vielfalt streiten und an Ihrem statischen Bildungsbegriff festhalten. - Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Klare.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jüttner, herzlichen Dank für Ihre Rede. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, weil wir eine Grundsatzdebatte führen. Es waren tatsächlich auch einige interessante Anregungen dabei. Ich muss sagen, man merkt - das sage ich jetzt nicht hämisch -, dass Sie schon etwas länger aus der Bildungspolitik heraus waren. Aber Sie kommen da wieder rein.

(Lachen bei der SPD - Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD])

Das ist auch kein Fehler. Man arbeitet sich neu ein.

Herr Jüttner, Sie haben ein paar interessante Anmerkungen gemacht, aber Sie hatten 13 Jahre Zeit, das umzusetzen, was Sie umgesetzt haben. Was Sie uns aber hinterlassen haben, waren Chaos, Durcheinander und Demotivation.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Frage der Unterrichtsversorgung und der Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern so herunterspielen und meinen, das wäre einfach so mit der Seite gemacht und wäre nicht Bildungspolitik, dann kann ich nur sagen, dass der pure Neid aus Ihren Worten spricht.

(Beifall bei der CDU)

Hätten Sie nur die Hälfte oder auch nur ein Viertel dieser Lehrer eingestellt, wären Fanfarenbläser aufgetreten, meine Damen und Herren, und Sie hätten die Ausschreibungstage zum Nationalfeiertag für Niedersachsen erklärt. Das wäre es gewesen, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Jüttner - das ist meine Erfahrung; außer jetzt in Buchholz, wo ich eine andere gemacht habe -, zurzeit macht in Niedersachsen Schulpolitik wieder Spaß, weil wir merken, dass die Interessen der Kinder im Mittelpunkt der Schulpolitik stehen und nicht mehr parteipolitische Intrigen.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Ich weiß nicht, ob Sie es spüren, aber unsere Kolleginnen und Kollegen, die tagtäglich ein-, zweimal unterwegs sind, merken, dass im Moment so etwas wie Vertrauen keimt, und zwar Vertrauen in Schulpolitik und in gemachte Wahlaussagen. Wir halten sie ein. Es ist auch so etwas wie Aufbruchstimmung in der Schulpolitik zu spüren, weil die Leute wissen, dass wieder klare Richtungsentscheidungen und verlässliche, gute Rahmenbedingungen gemacht werden. Die Landesregierung ist auf dem besten Wege, beste schulische Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Schülerinnen und Schüler ihre Chance wieder bekommen, eine persönliche Lebensgestaltung positiv zu entwickeln. Meine Damen und Herren, wir, die beiden Fraktionen der CDU und der FDP, unterstützen die Landesregierung da, wo wir können. Wir haben aber auch ergänzende Aufgaben mit besonderen Arbeitsschwerpunkten - ich werde mich ihnen im zweiten Teil widmen -, zu denen wir mit einem besonderen Verständnis eigene Vorschläge machen werden, die dann auch zu Qualität führen werden.

Herr Jüttner, das Stichwort „Qualität“ ist wichtig. Aber ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie löchrige Stundenpläne und 20 % Unterrichtsausfall haben, dann brauchen Sie über Qualität nicht zu reden; denn nur der Unterricht kann Qualität aufzeigen, der auch wirklich stattfindet. Das müssen Sie sich einmal merken.

(Beifall bei der CDU)

Die Leute draußen merken, dass die Zeit des Kürzens und Streichens auf Kosten der Zukunftschancen von Kindern endlich vorbei ist. Sie, meine Damen und Herren, haben eine Bilanzfälschung über Jahre hinweg betrieben. Sie haben versucht, zu verschleiern und zu täuschen. Gerade am Beispiel der Lehrereinstellung wurde besonders deutlich, dass Sie immer vage bleiben. Selbst wenn Sie hier Zahlen nennen, bleiben Sie vage und werden nicht transparent. Bei den von Ihnen genannten Zahlen haben Sie vergessen, dass Sie die ausscheidenen Kräfte immer mit eingerechnet haben. Das

waren nie neue oder relativ wenig neue. Sie haben ferner vergessen, dass Sie in Ihre Berechnungen auch Betreuungslehrkräfte oder so genannte pädagogische Hilfskräfte einbezogen haben. Das sind jedoch keine Lehrer. Wir haben nicht den Anspruch, dass sie eingerechnet werden. Das alles haben Sie aber mit bilanziert und versuchen weiterhin zu täuschen. Aber, meine Damen und Herren, Sie kommen mit dieser Täuschung jetzt nicht mehr durch. Sie sind wegen Täuschung abgestraft worden. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was die Beteiligten an Schulen, insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern, regelrecht gelähmt hat, war das ständige Reformchaos, eine Reform nach der anderen. Der am meisten Beteiligte ist gerade hinausgegangen. Möglicherweise kann er es gar nicht mehr hören, weil er ahnte, was ich ihm vorwerfen werde. Es gab eine Reform nach der anderen, immer undurchsichtiger, und dafür sind Sie abgestraft worden. Das ist wie eine Erlösung empfunden worden, meine Damen und Herren. Eine allein auf Parteipolitik ausgerichtete Schulstrukturdiskussion ist endlich am Ende. Wir können uns jetzt wieder pädagogischen und inhaltlichen Fragen widmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Jüttner, liebe SPD, auch das sage ich ohne Häme: Was hat man Ihnen in der Vergangenheit nicht alles zugemutet? Ich habe Ihre Rede sehr aufmerksam verfolgt. Sie leiden darunter heute noch; das kann ich Ihnen sagen. Immer neue Vorschläge, immer unausgegorener. Leidtragende waren die Kinder, die Eltern, die Lehrkräfte und natürlich auch die gesamte SPD-Fraktion selbst. Man musste nur in Ihre Augen gucken, wenn immer neue Vorschläge kamen. Dann wusste man, wo es langging.

Eine ganze Landtagsfraktion hat in den letzten fünf Jahren aufgehört, selbständig zu denken, weil Sie sich einem Überpolitiker untergeordnet haben. Der Überpolitiker Gabriel hat hier Schulpolitik gemacht, nicht orientiert an den Interessen der Kinder, sondern orientiert an seinen Machtinstinkten. Genau das war die Realität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns immer gefragt, meine Damen und Herren, wie lange eine solche große und traditionelle Fraktion das mitmacht. Sie haben es mitge