Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Ja, das müsste man können. Aber dann muss man die Gespräche am Beginn führen. Dann kann man nicht dogmatisch bereits mit dem Endmodell auf den Markt gehen und meinen, jetzt würden alle darauf springen.

Wir wollen die Beantwortung dieser Fragen. Wir wollen endlich auch die Debatte hier im Landtag, die Beteiligung des Parlaments an der Meinungsbildung. Wir wollen bei einer Anhörung erfahren, wie kommunale Spitzenverbände, Hilfsorganisationen, Feuerwehren und Polizei zu dieser Frage stehen. Dann muss es eine optimale Lösung geben. Dass es Bewegung geben muss, ist keine Frage. Aber so, wie Sie das in den letzten zwölf Monaten gemacht haben, Herr Minister, war das wenig professionell und mehr irritierend als der Sache dienlich.

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Och!)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Coenen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr Antrag ist in vielen Punkten widersprüchlich und nicht durchdacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Christian Biallas [CDU]: Nicht so hart!)

Punktuell möchte ich einiges ansprechen. Ihr Antrag wirft im Kern die Befürchtung auf, dass die Kommunen bei der Leitstellendiskussion nicht die entsprechende Beachtung finden bzw. ihre Kompetenz ausgehebelt wird. Das ist völlig unbegründet und haltlos.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir von der CDU setzen auf die freie Entfaltung der Kräfte, neue Ideen und kreative Gedanken im Lande Niedersachsen auch bei der Leitstellendiskussion. Bei den anstehenden umwälzenden Veränderungen im Land Niedersachsen ist es die Pflicht und Schuldigkeit unseres Innenministers Uwe Schünemann, mit den Landkreisen im Lande Gespräche zu führen und auch für die Idee der „bunten Leitstelle“ aus dem Osnabrücker Land nachhaltig bei den Landkreisen einzutreten und zu werben.

(Beifall bei der CDU)

Niemand in diesem Hause bestreitet, dass die Landkreise und kreisfreien Städte für die Leitstellen zuständig sind. Aber angesichts von 49 Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst sowie 28 Notrufzentralen für die Polizei muss doch bei der Einführung des Digitalfunks, der nach meiner Meinung faszinierende Möglichkeiten bietet, in Niedersachsen über die Leitstellenstrukturen nachgedacht werden,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

auch oder gerade unter Kostengesichtspunkten, wo erhebliche Summen zur Disposition stehen und eingespart werden können. Wenn neue Technik eingeführt wird, ist auch neues Denken erforder

lich. Erhebliche Kosten für die Einführung des Digitalfunks in Niedersachsen trägt das Land. Daraus ergibt sich auch ein Mitspracherecht des Innenministers bei der Leitstellendiskussion. Die Verteilung der Kosten zwischen Land und Kommunen kann erst thematisiert werden, wenn ein Ausschreibungsergebnis für die Systementscheidung vorliegt.

Die Mitglieder des Ausschusses für Inneres und Sport haben sich vor Ort in Aachen über den Digitalfunk eingehend informiert. Nach dem Besuch war uns allen klar, so titelte jedenfalls eine überregionale Zeitung: Die Technik bietet so viele Vorteile, dass sie die Polizei nach einem Pilotprojekt in Aachen gar nicht mehr hergeben will.

In den Niederlanden sind „bunte Leitstellen“ wie in Zwolle längst realisiert und arbeiten bei der Einsatzabwicklung effizient und optimal auf höchstem Niveau. Herr Kollege Bachmann, um auch etwas Schärfe aus der ganzen Diskussion herauszunehmen, will ich vorschlagen, dass sich der Ausschuss für Inneres und Sport in Zwolle, genau wie wir es in Aachen getan haben, ein informatives Bild über die „bunte Leitstelle“ macht.

Wichtig dabei ist, mittelfristig auf den Analogfunk nicht zu verzichten. „Bunte Leitstellen“ haben einen gewissen Charme und Reiz: schnelle Hilfe von einer Stelle. Wer in Notlagen schnelle Hilfe braucht, bekommt sie aus einer Hand. Wer selbst einmal in einer Notsituation war, weiß um das beklemmende Gefühl und die Ohnmacht in dieser Situation. Es ist dann völlig egal, woher die Hilfe kommt, Hauptsache, sie kommt schnell, zuversichtlich und zuverlässig.

Wir sollten auf die Menschen im Lande Niedersachsen und nicht auf Strukturen und Organisationsformen schauen. Hier ist kleinkariertes Denken und Burgenmentalität nicht angebracht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Minister Schünemann ist unterwegs im Lande und führt Gespräche. Er wirbt für die faszinierende Idee „bunte Leitstelle“. Das ist sein gutes Recht. Im Interesse der Menschen Niedersachsens brauchen wir schlagkräftige Hilfeleistung im Notfall. Die Menschen Niedersachsens stehen bei all unseren Überlegungen im Mittelpunkt.

Wie formulierte es Peter Hahne in seinem neuen Buch „Schluss mit lustig“ so treffend: Denn nur wer

durch Nachdenken zum Neudenken kommt, kann auch umdenken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Herr Dr. Lennartz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der IstZustand zurzeit ist schon einmal genannt worden: Es gibt 49 kommunale und 28 polizeiliche Leitstellen im Land. Die Planung des Innenministeriums sieht zehn „bunte Leitstellen“ für das Land vor. Derzeit ist von der Rechtslage her Folgendes festzuhalten: Katastrophenschutz, Feuerwehr und Rettungsdienst sind kommunale Aufgaben, und die Polizei ist Aufgabe des Landes.

Unsere vorläufige Position zu diesem Thema - ich sage ausdrücklich „vorläufig“, weil wir die parlamentarische Debatte darüber ja gerade erst beginnen - ist Folgende: Leitstellen werden als integrierte Leitstellen für Brandschutzhilfeleistungen, Rettungsdienst, Katastrophen- und Zivilschutz eingerichtet. Mehrere vorhandene Nachbarleitstellen werden zu einer integrierten Leitstelle zusammengefasst.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: D’ac- cord!)

Integrierte Leitstellen sind die zentralen Alarmierungs- und Koordinierungseinrichtungen für alle Einsätze der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: D’accord!)

Die derzeit in der Diskussion befindliche Integration mit Polizeileitstellen ist aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstruktur und wegen möglicher Eingriffe des Landes in die kommunale Selbstverwaltung nicht zweckmäßig. - Das sind die drei zentralen Positionen, die wir als vorläufige Positionen für unseren Start in die Debatte formulieren.

Wir können uns durchaus vorstellen, dass es dann tatsächlich integrierte Leitstellen der Art, wie ich sie gerade skizziert habe, in einer Größenordnung von nur noch zehn bis zwölf im Lande gibt. Da das

aber eine Frage der kommunalen Zuständigkeit ist, geht es nach der derzeitigen Rechtslage nur in der Form, dass das Land für dieses Modell wirbt und dass man die Kommunen animiert, sich sozusagen für diese Zuständigkeit zusammenzuschließen. Anderenfalls müssten die Gesetze geändert und das in Aufgaben des Landes umdefiniert werden.

Der Nebeneffekt bei dieser Größenordnung von landesweit zehn bis zwölf integrierten Leitstellen wäre, dass die Landesregierung im Vorgriff auf die demnächst kommende Kreis- und Gebietsreform gleichzeitig die Gelegenheit nutzt, die Regionen des Landes zu definieren, in denen dann, sozusagen als erster Schritt, Leitstellen integrierter, regionaler Art definiert und platziert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Zuge der Reform muss es eine Korrektur des Rettungsdienstgesetzes geben. Das hat Herr Bachmann kurz angerissen. Es muss dazu kommen, dass die Krankenkassen als Kostenträger in Zukunft nicht mehr nur angehört werden, sondern dass sie über die Kosten- und Lastenverteilung mitbestimmen können. Jetzt entscheiden sozusagen die Kommunen, und die Krankenkassen zahlen.

Als letzten Punkt möchte ich Folgendes ansprechen: Für meine Begriffe führt die Landesregierung bisher den Prozess nicht dialogorientiert genug. Vielleicht wird sie das aber noch ändern und insofern ihre Vorgehensweise verbessern.

Einen Beleg habe ich auf der Internetseite einer Firma namens Drägert consult aus Hagen unter „Laufende Projekte“ gesehen. Es gibt dort das Projekt: „Fachberatung Bunte Leitstelle Niedersachsen - Fachberatung in Form eines Workshops für die technische und räumliche Konzeption einer so genannten ‚Bunten Leitstelle‘... in einem Direktionsbereich in Niedersachsen.“ Daneben steht das niedersächsische Logo, das Pferd in dem Wappen. Das Wappen wird von Drägert consult wohl nur deswegen benutzt worden sein können, weil entweder bereits ein Auftrag von der Landesregierung erteilt worden ist oder weil die Gespräche zur Vorbereitung des Auftrages schon relativ weit fortgeschritten sind. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Diese Informatio- nen sind ja interessant!)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Rickert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Debatte um Leitstellen für aufgeregte Wortbeiträge nicht geeignet ist. Sie ist auch nicht dafür geeignet, die Diskussionsrunde bezüglich der ausgesprochen gut gelungenen Polizeireform noch einmal zu eröffnen.

Der FDP-Fraktion geht es in erster Linie um die Sicherheit der Bürger. Erst danach kommen finanzielle Überlegungen und andere regionalspezifische Besonderheiten zum Tragen.

Wir müssen in diesem Zusammenhang zur Kenntnis nehmen, dass es technische Neuerungen und Innovationen gegeben hat. So sagen uns alle Experten, dass eine „bunte Leitstelle“ Erfolg versprechend ist, und zwar Experten aus Aachen zum Thema Digitalfunk und Experten aus SchleswigHolstein und den Niederlanden zum Verbundbetrieb der Leitstellen. Das ist also eine durchaus vernünftige Konzeption. Dies alles ist mit „bunten Leitstellen“, gerade bei Einführung des Digitalfunks, möglich. Natürlich wird diese Einführung, insbesondere die Einführung des Digitalfunks, mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein. Es ist daher im Interesse aller Beteiligten und Kostenträger, nämlich der Feuerwehren, der Kommunen, der Krankenkassen und dem Land, dass bei dieser Umstellung möglichst jede Variante zur Kosteneinsparung intensiv geprüft wird.

Daher begrüßen wir ausdrücklich, dass im Innenministerium gemeinsam mit den Krankenkassen, den kommunalen Spitzenverbänden und den eigenen Fachleuten nach neuen und vielleicht besseren Wegen gesucht wird. Diese Erkenntnis beweist: Es gibt den Dialog bereits.

Wenn nun Möglichkeiten aufgezeigt werden, dass die Kommunen jährlich mehrere Millionen Euro sparen können und keine Investitionen in größeren Millionenbeträgen anfallen, so muss man das intensiv prüfen. Das liegt im ureigensten Interesse der Kommunen und der Feuerwehren, die ja von den finanziellen Mitteln der Kommunen für den Feuerschutzbereich abhängig sind.

Daher ist das Vorgehen von Innenminister Schünemann ausdrücklich zu begrüßen, dass die mög

lichen Wege gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet worden sind und werden, dass mit allen betroffenen Kommunen und Kostenträgern regional diskutiert und beraten wird, dass anschließend die Ergebnisse ausgewertet werden und danach erneut eine Debatte mit den Betroffenen erfolgt.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das, was hier vorliegt, ist aber keine ge- meinsame Arbeit!)

So wird es sicherlich möglich sein, den für Niedersachsen besten Weg zu finden. Ich meine, das ist das Ziel allen Tuns. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bachmann, für mich ist ganz wichtig, dass wir von Anfang an sehr intensive Gespräche mit allen, die an dieser Leitstelle in irgendeiner Weise beteiligt werden, führen. Deshalb haben wir bereits im Sommer letzten Jahres eine Arbeitsgruppe gegründet, in der Landesfeuerwehrverband, die kommunalen Spitzenverbände und die Kostenträger zusammengezogen wurden. Hier haben wir ganz intensiv über Möglichkeiten diskutiert. Dazu gibt es auch einen Abschlussbericht, in dem man Wege aufgezeigt hat.