Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bachmann, für mich ist ganz wichtig, dass wir von Anfang an sehr intensive Gespräche mit allen, die an dieser Leitstelle in irgendeiner Weise beteiligt werden, führen. Deshalb haben wir bereits im Sommer letzten Jahres eine Arbeitsgruppe gegründet, in der Landesfeuerwehrverband, die kommunalen Spitzenverbände und die Kostenträger zusammengezogen wurden. Hier haben wir ganz intensiv über Möglichkeiten diskutiert. Dazu gibt es auch einen Abschlussbericht, in dem man Wege aufgezeigt hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Mit vielen offenen Fragen, Herr Minister!)

Daraus haben wir im Innenministerium ein Konzept entwickelt, das nach unseren Vorstellungen optimal ist, und zwar unter der Überschrift, die ganz entscheidend sein müsste, möglichst die höchste Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Genau unter dieser Überschrift müssen wir die Diskussion führen. Es geht darum, die beste Dienstleistung für die Bürger in unserem Lande auch wirklich zu erzielen. Deshalb ist es schon wert, einen breiten Dialog einzuleiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Genau vor dieser Phase stehen wir. Deshalb führe ich ganz persönlich die Dialogphase mit den Betei

ligten der Kommunen und der Feuerwehren in den einzelnen Bereichen. Es gab fünf Leitstellenkonferenzen bei den Polizeidirektionen, um unser Modell vorzustellen. Genau dies habe ich getan.

Ich habe dann gebeten, dem Innenministerium die Stellungnahmen zu diesem Modell zuzuleiten. Anschließend werden wir die Stellungnahmen auswerten und zu einer zweiten Leitstellenkonferenz in den einzelnen Bereichen einladen, um danach zu sehen, ob wir zu einer gemeinsamen Konzeption kommen.

Meine Damen und Herren, hat es einen solchen Dialog in dieser Phase überhaupt schon einmal in Niedersachsen gegeben? - Ich glaube, nicht.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie stellen ihn ein bisschen anders dar, als er in der Realität abläuft!)

Ich glaube, mehr können wir in dieser Frage nicht erreichen.

Wichtig ist, dass man von Anfang an ein klares Konzept vorstellt, damit man auf dieser Basis vernünftig diskutieren kann. Als Innenminister habe ich die Verantwortung dafür, dass tatsächlich die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im gesamten Land berücksichtigt wird.

Unser Konzept sieht „bunte Leitstellen“ vor, also einen Zusammenschluss der integrierten Feuerund Rettungsleitstellen mit denen der Polizei. Wir schlagen vor, die bestehenden 77 Leitstellen auf zehn bis zwölf zu reduzieren und pro Zuständigkeitsbereich einer Polizeidirektion grundsätzlich zwei Leitstellen einzurichten. Aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig wollen wir zunächst versuchen, dort mit einer Leitstelle auszukommen.

Dabei soll es nicht nur zu einer Aufgabenvermischung kommen. Unter Wahrung der jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Selbständigkeit der verschiedenen Träger sollen die Aufgaben unter Nutzung einer einheitlichen Technik und gemeinsamer Gebäude erledigt werden. Mir ist selbstverständlich klar, dass es sich dabei auch um Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommunen handelt und die Organisation dieser kommunalen Aufgaben dadurch verändert wird.

Ziel unseres Anliegens ist eine deutliche Steigerung der Sicherheit und Effektivität von Alarmierung und Einsatzbewältigung. Gerade im Zusam

menhang mit der Einführung des Digitalfunks bis zum Jahr 2010 bietet sich hier die einmalige Chance, durch Kombination von Konzentration und neuer Technik die Sicherheitsstandards deutlich zu erhöhen. Hinzu kommt eine Steigerung der schon jetzt vorhandenen Professionalität für alle drei beteiligten Bereiche. Ich erwarte für die Zukunft eine weitere Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Das soll überhaupt keine Kritik an den bestehenden 77 Leitstellen in Niedersachsen sein, ganz im Gegenteil.

Die neue Technik setzt aber neue Maßstäbe. Alarmierung und Einsatzabwicklung können an einer Stelle mit der Möglichkeit der unmittelbaren und sofortigen Beteiligung aller drei Fachbereiche - soweit das in besonderen Einsatzlagen sinnvoll ist, auch unter Zusammenschaltung zu einer Funkgruppe - erfolgen. Dadurch kann ein ausreichend starker Personaleinsatz zu jeder Tages- und Nachtzeit gewährleistet werden, und es können Ausgleiche für Belastungsspitzen und Ausfälle geschaffen werden. Diese überzeugenden Vorteile können wir angesichts unserer Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger nicht ignorieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn verschiedene Landkreise auf die dort heute schon vorhandenen leistungsfähigen und wirtschaftlichen Strukturen hinweisen, stelle ich diese auch nicht in Frage.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Genauso richtig ist aber auch, dass wir uns jetzt für die künftige Sicherheitslandschaft mit Digitalfunk neu aufstellen und die Vorteile aus meiner Sicht auch nutzen müssen.

Meine Damen und Herren, durch den Digitalfunk wird ein effektiverer Einsatz neuer Leitstellentechnik auf einem landesweiten Standard möglich sein. Durch die Konzentration und Zusammenführung von Leitstellenpersonal und -technik erwarte ich Synergien und damit Vorteile aus der gemeinsamen Nutzung von Technik und Basisdienststellen sowie insgesamt eine noch bessere Zusammenarbeit in der Gefahrenabwehr.

Eine Umrüstung der vorhandenen 77 Leitstellen auf Digitalfunk würde erhebliche und vermeidbare

Kosten für die Kommunen und für das Land mit sich bringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es dabei um Steuergelder und Versichertenbeiträge geht. Sollen wir warten, bis die Kostenträger des Rettungsdienstes eines Tages ihre Kostenanteile reduzieren, weil wir Synergieeffekte eben nicht ausgenutzt haben?

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bachmann?

Sehr gern.

Herr Minister, dass viele technische Möglichkeiten und Neuerungen auf uns zukommen, teile ich, keine Frage. Ich teile auch Ihre Ansicht, dass eine optimale Sicherheit erreicht werden muss. Beantworten Sie mir konkret bitte einmal folgende Frage: Akzeptieren Sie es, wenn sich die Kommunen vor Ort auf andere freiwillige Lösungen verständigen, oder wollen Sie weiterhin die „bunte Leitstelle“ durchsetzen? Das ist die Gretchenfrage.

Die Gretchenfrage ist, ob die Synergieeffekte durch die Einrichtung von „bunten Leitstellen“, gerade im Bereich der Sicherheit, nicht doch so überzeugend sind, dass es sich lohnt, hier in einen ganz intensiven Dialog einzutreten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Keine Antwort ist auch eine Antwort!)

Meine Damen und Herren, wenn wir für die einzelnen Polizeidirektionsbereiche insgesamt eine solche Lösung haben, dann muss sich jeder Landkreis fragen, ob er wirklich ein besseres Konzept hat und ob er mit seiner Alleinstellung tatsächlich die bessere Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger bietet. Deshalb bin ich auch so optimistisch, ruhig und nicht so aufgeregt wie Sie.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ich bin nicht aufgeregt, ich bin engagiert!)

Die Vorteile liegen deutlich auf der Hand, und jedes Mal, wenn ich genau diese Vorteile präsentie

re, kommt es zu einer sachlichen Diskussion, und man kommt ins Nachdenken. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir im Dialog zu einer gemeinsamen Lösung, nämlich zu „bunten Leitstellen“ in diesem Land kommen, weil es genau das richtige Konzept ist.

Über dieses Thema wird nicht nur hier in Niedersachsen diskutiert. In den Niederlanden ist dieses System bereits eingeführt, und in SchleswigHolstein hat die, derzeit geschäftsführende, SPDgeführte Landesregierung diesen Weg bereits eingeschlagen. In der zwischen CDU und SPD ausgehandelten Koalitionsvereinbarung ist festgelegt, dass es im gesamten Land Schleswig-Holstein nur noch vier „bunte Leitstellen“ geben soll. Meine Damen und Herren, nicht nur wir kommen hier zu guten Lösungen, sondern anderswo denkt man ebenso. Unsere Argumente werden überzeugen, da bin ich mir sicher.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zusammen mit der Sicherheitssteigerung durch die Aufgabenbündelung ergibt das eine klassische Win-Win-Situation mit Vorteilen für alle Beteiligten. Das ist keine Theorie; unsere Fachleute haben sich über die Erfahrungen in Schleswig-Holstein und auch in den Niederlanden informiert.

Vor Ort gibt es bereits Zusammenschlüsse zwischen Feuerwehr und Polizei. Die Ängste, über die immer diskutiert wird, existieren gar nicht. Ich nenne als kleines Beispiel den Tag der Niedersachsen in Holzminden, wo ich beheimatet bin. Da war es völlig klar. Man hat sofort eine „bunte Leitstelle“ eingerichtet, weil man damit die besten Synergieeffekte erzielen konnte.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das macht man im Katastrophenfall auch vor Ort!)

Solche Beispiele sollte man bei der Diskussion über die landesweite Einrichtung von Leitstellen auch einmal betrachten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist doch etwas völlig anderes! Eine Einsatzführung!)

Ich will Ihnen die Vorteile noch einmal genau darstellen. Oft kommen die Hilfemeldungen alternativ oder unabhängig voneinander über den Notruf 110 der Polizei und über die Notrufnummer 112, für die

die Kommunen zuständig sind, und die Einsätze sind zu koordinieren. Gute Erfahrungen bestehen auch in der Durchführung von bereits erwähnten Großveranstaltungen. Gerade durch die Arbeit Face zu Face, also im direkten persönlichen Austausch, lässt sich ein viel höheres Maß an Professionalität und Zusammenarbeit erreichen.

Es gibt immer wieder Beschwerden von Hilfe suchenden Bürgerinnen und Bürgern, denen im konkreten Notfall bei gemeinsamer Betrachtung der Situation schneller und besser hätte geholfen werden können. In einer „bunten Leitstelle“ können die Aufgaben von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei im unmittelbaren Kontakt aufeinander abgestimmt werden.

Meine Damen und Herren, noch ein ganz entscheidender Hinweis: Beim Ausfall einer Leitstelle oder bei Großschadenslagen erfolgt per Knopfdruck die Abgabe des Tagesgeschäfts an die Nachbarleitstelle. Das ist ein ganz bedeutender Sicherheitsgewinn.

Zu dem Kölner Vorfall, den Sie angesprochen haben, kann ich Ihnen nur sagen: Das ist mit analoger Technik passiert. Bei der digitalen Technik haben wir ganz andere Möglichkeiten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Aber den Notruf können Sie nicht so prob- lemlos weiterleiten! Keine Ahnung!)

In den Niederlanden, wo die digitale Technik bereits eingeführt wurde, ist es möglich, das häusliche Telefon gleich auf eine andere Leitstelle umzuleiten. Ein besserer Sicherheitsgewinn ist gar nicht denkbar. Sie sollten sich wirklich einmal über die Möglichkeiten der digitalen Technik informieren; dann würden Sie hier nicht so aufgeregt diskutieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Und wer fragt die Notrufe ab?)

Herr Minister, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie die verabredete Redezeit bereits um mehr als 100 % überzogen haben.

Bei den Oppositionsfraktionen ist noch Aufklärungsarbeit zu leisten; deshalb muss ich die Zeit leider ausnutzen.

Dazu kommen erhebliche Einsparmöglichkeiten. Sie sollten sich meine Argumente einmal genau anhören.

Erste Modellberechnungen gehen von folgenden Daten aus: Verringerung des Personals um landesweit 227 Vollzeitkräfte bei den Kommunen und damit jährliche Einsparungen von 11 Millionen Euro. Durch die Verringerung der Kosten für die Umrüstung auf den Digitalfunk werden weitere 10 Millionen Euro eingespart. Weitere Synergieeffekte sind noch hinzuzurechnen.