Immerhin aber, meine Damen und Herren, weiß der Finanzminister inzwischen, wie viele Ausnahmen vom Einstellungsstopp er erteilt hat. Bis Ende März summierten sich die Ausnahmen unter Einbeziehung der Übernahme der Anwärterinnen und Anwärter auf 1 273 mit bisher entstandenen Ausgaben von mehr als 61 Millionen Euro. Ich sage ausdrücklich nicht, dass überhaupt keine Ausnahmen erteilt werden dürfen. Skandalös wird das Ganze nur, wenn man gleichzeitig Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt, ohne dass im Einzelnen geprüft wird - auch das zeigt die Antwort auf unsere Anfrage -, ob sie nicht an anderer Stelle im Landesdienst,
Meine Damen und Herren, leider sind Sie auch nicht auf unsere Frage eingegangen, die auf die Einsparpotenziale in den Ressorts zielt. Hier hatten wir erwartet, dass man etwas mehr Transparenz herstellt, um den Wettbewerb um die besten Einsparvorschläge zu ermöglichen, damit auch deutlich gemacht wird, dass es z. B. Alternativen zur
Abschaffung des Blindengeldes in dieser Form gab. Aber Sie scheuen offenbar den Wettbewerb in dieser Frage. Deshalb haben Sie sich auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zurückgezogen und haben gesagt: Diese Zahlen, diese Informationen legen wir dem Parlament gar nicht erst vor.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung bekommt ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff. Das beweist diese Antwort auf die Anfrage zur katastrophalen Haushaltslage des Landes Niedersachsen.
Herr Wulff und Herr Möllring reißen ihre eigene Messlatte, was die Absenkung der Neuverschuldung betrifft. Sie verschleiern die Verschuldung in Schattenhaushalten. Sie blockieren im Bundesrat aus parteitaktischen Motiven einen vernünftigen Subventionsabbau. Sie haben keinen Überblick über die Neueinstellungen im Landesdienst. Sie schicken 50-Jährige in den Ruhestand, ohne alternative Verwendungen zu prüfen. Und Sie verstecken sich hinter dem so genannten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, weil sie den Wettbewerb um die besseren Einsparvorschläge scheuen. - Herzlichen Dank für das Zuhören.
Danke schön. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Möllring zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister Möllring!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst einmal für die Große Anfrage; denn sie gibt mir Gelegenheit, hier noch einmal darzustellen, in welche katastrophale Lage uns die ungezügelte Schuldenmacherei der Vorgängerregierungen geführt hat, und sie gibt mir auch Anlass zu der Feststellung, dass wir seit der Regierungsübernahme vor gut zwei Jahren unsere Hausaufgaben gründlich, gewissenhaft und zügig abgearbeitet haben.
2,15 Milliarden Euro in diesem Jahr reduziert, so wie wir das auch angekündigt hatten. Sie wissen, dass im Jahr 2002 das tatsächliche Finanzierungsdefizit 17 % - das waren 3,7 Milliarden Euro ausgemacht hat. Damit sind wir jetzt deutlich nach unten gegangen. Wir werden diesen Kurs fortsetzen. Das heißt, wir werden weiter unsere Hausaufgaben machen, weil es keine ernsthafte oder - ich sage - überhaupt keine Alternative dazu gibt. Wir werden die Kreditaufnahme weiter reduzieren, damit wir am Ende der Legislaturperiode wieder im Bereich der verfassungsgemäßen Haushalte sind. Wir sagen es eben ehrlich, Herr Wenzel, und nicht wie die rot-grüne Mehrheit in Berlin, die irgendwelche Tricksereien versucht, Schulden ohne Ende macht, wie es noch nie da gewesen ist, und behauptet, das sei alles noch im verfassungsgemäßen Bereich. Wir sagen unseren Bürgerinnen und Bürgern und Ihnen als Landtag, dass wir im Moment in diesem Bereich nicht sind. Deshalb unternehmen wir ja alle Anstrengungen, um am Ende der Legislaturperiode wieder da zu sein.
Und wir werden bestrebt sein, am Ende der nächsten Legislaturperiode einen Haushalt aufzustellen, der ohne neue Schulden auskommt. Herr Eichel hatte das ja mal für den Bundeshaushalt bereits für 2006 versprochen. Sie wissen, was daraus geworden ist.
Das Land hat übrigens noch nie Schulden getilgt, seitdem es existiert. Das bedeutet, dass wir allein in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro an Zinsen ausgegeben müssen. Das ist eine unvorstellbar große Zahl. Dies sind 11,8 %, praktisch 12 % des gesamten Haushaltes. Das sind jeden Tag, Sonnabend, Sonntag, Heiligabend eingeschlossen, 7 Millionen Euro, die wir an Zinsen verbraten. Dies beweist: Die Schulden von gestern sind die Steuern von heute, und die Schulden von heute sind die Zinsen von morgen. Davon müssen wir herunterkommen, damit Niedersachsen überhaupt noch politikfähig ist.
Wir haben vor zwei Jahren Schulden von mehr als 40 Milliarden Euro vorgefunden. Die Nettokreditaufnahme des Jahres 2002 - ich sagte es schon hatte - mit geschönten Zahlen gerechnet 2,95 Milliarden Euro betragen. Das war damals eine Kreditfinanzierungsquote von 13,3 %. Für 2003 waren im Doppelhaushalt immer noch 2,65 Milliar
den Euro Nettokreditaufnahme vorgesehen. Trotz dieser erhöhten Nettokreditaufnahme mussten wir in unserem ersten Nachtragshaushaltsgesetz 2003 noch 390 Millionen Euro nachfinanzieren, weil einige Ausgaben schlichtweg nicht vorgesehen waren. Ich nenne sie: Das waren die CASTOREinsätze der Polizei, die allein 12 Millionen Euro ausgemacht haben. Da ist gerade Ihre Partei gefordert, auf die Demonstranten einzuwirken, damit nicht immer diese unsinnigen Kosten entstehen; denn die bringen uns allen nichts.
Wir haben eine Verlässliche Grundschule vorgefunden, die aber leider nicht finanziert war, sodass wir nachträglich allein 50 Millionen Euro für diesen Bereich in den Haushalt einsetzen mussten. Sie haben damit Politik gemacht; nur haben Sie es leider nicht in den Haushalt hineingeschrieben.
Sie hatten 700 „November-Lehrer“ eingestellt, weil Sie glaubten, damit könne man Wahlen gewinnen. Die Leute haben es Ihnen aber nicht geglaubt. Die 26 Millionen Euro, die diese 700 Lehrer im Jahre 2003 gekostet haben, hatten Sie nicht im Haushaltsplan veranschlagt. Wir mussten sie nachfinanzieren.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nach zwei Jahren nutzt sich das Argument ab! Lassen Sie uns mal über die letzten zwei Jahre reden!)
Dann haben Sie beim Wohngeld 28 Millionen Euro zu wenig veranschlagt. Beim Hochbau hatten Sie im Jahre 2002 46 Millionen Euro mehr ausgegeben, als im Haushaltsplan stand, was dann entsprechend unsere Haushaltsrechnung belastet hat. Und Sie hatten, obwohl Sie ja nur zwei Monate regiert haben, nämlich bis Anfang März, bereits Aufträge für mehr als 24 Millionen Euro vergeben, die nicht im Haushaltsplan veranschlagt waren, weil Sie geglaubt haben, Sie könnten damit noch irgendwelche Wahlen gewinnen. Die Leute haben es Ihnen nicht geglaubt. Hinzukamen überzogene Einnahmeerwartungen, die um 250 Millionen Euro nach unten korrigiert werden mussten. Das alles haben wir im ersten Nachtrag 2003 korrigiert.
(Zuruf von der CDU: Hört, hört! Inzwischen haben wir in Niedersachsen mit dem zweiten Nachtrag 2003 und den Haushaltsplänen 2004 und 2005 die ersten Schritte auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung hinter uns. Die Netto- kreditaufnahme konnte in 2004 bereits um 345 Mil- lionen Euro gegenüber 2003 abgesenkt werden, und für 2005 wurde die Neuverschuldung um wei- tere 350 Millionen Euro auf 2,15 Milliarden Euro reduziert. (Uwe-Peter Lestin [SPD]: Auf Kosten der Gemeinden!)
Die Landesregierung führt die Kreditaufnahme mit dem aktuellen Haushaltsplan 2005 nunmehr im dritten Jahr in Folge zurück. Damit ist Niedersachsen das einzige Bundesland in Deutschland, das seit 2003 auf diese Leistung zurückblicken kann.
Das Ausgabevolumen wurde von rund 23 Milliarden Euro im Jahre 2003 auf 21,6 Milliarden Euro im Jahre 2005 zurückgeführt. Damit nehmen wir im prozentualen Vergleich unter den westdeutschen Flächenländern die absolute Spitzenposition ein.
Trotz der bisherigen Konsolidierungserfolge war auch im Jahre 2005 eine Veranschlagung von Krediten außerhalb der in Artikel 71 der Niedersächsischen Verfassung gezogenen Grenze leider unumgänglich. Aber die ersten Teilerfolge zeigen eindrücklich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Insofern sind die Vorwürfe der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abwegig. Die Antworten zu den einzelnen Fragestellungen können Sie der Drucksache entnehmen.
Lassen Sie mich hier noch einige Dinge sagen. Herr Wenzel, wenn sich das Finanzministerium darum kümmern müsste, wie bei 200 000 Mitarbeitern in jeder Landesbehörde irgendjemand eingestellt wird, dann würden wir einen Wasserkopf bekommen, der ganz unverantwortlich wäre. Deshalb haben wir das nicht griffbereit, weil solche Statistiken auch nichts bringen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Das ist doch peinlich, Herr Wenzel! - Weitere Zu- rufe)
Sie kritisieren Schattenhaushalte. Zunächst einmal: Die Aussage, Kreditaufnahmen würden über Schattenhaushalte getätigt, ist unzutreffend, weil
die von der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft und von der LTS wahrgenommenen Aufgaben nicht zwingend vom Land wahrgenommen werden müssen,
da es sich um privatisierbare Aufgaben handelt, deren Abwicklung wirtschaftlich keine Angelegenheit des Landes sind. Bei der LTS ist das sogar sehr durchsichtig. Aufzuzeigen, wie es der Landesrechnungshof fordert, wo die Kredite refinanziert und wie sie zurückgeführt werden - auch die Tilgung führen wir der LTS zu -, ist ehrlicher, als es im allgemeinen Haushalt unterzubringen und die Kreditaufnahme aufzublähen. Hier wird das, was wirklich investiert wird, auch irgendwann einmal wieder getilgt. Das können Sie den Wirtschaftsplänen genau entnehmen.
Für eine fiktive Neuberechnung der Nettokreditaufnahme des Jahres 2005 gibt es weder ein von der Verfassung vorgegebenes haushaltsrechtliches Erfordernis, noch würden hierbei die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt. Würden wir die von der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft und von der LTS getätigten Investitionen dem Haushalt zurechnen, würde die Investitionsquote statt 7,1 % nun 9,7 % betragen, und das Verhältnis der Nettokreditaufnahme zu den investiven Ausgaben, die Sie eben mit 250 % gerügt haben, würde auf 187 % deutlich sinken. Sie sehen, wir versuchen hier nicht zu tricksen, sondern wir zeigen offen und ehrlich, wie es geht.
(Dieter Möhrmann [SPD]: Nein, nein! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie suchen sich die Zahl aus, die Ihnen am bes- ten passt!)
Die Investitionen, die die HanBG tätigt - die 400 Millionen, die sie als Perpetuals kauft -, rechnen sich sogar für die HanBG, weil wir dafür höhere Zinsen kriegen, als wir refinanzieren müssen. Deshalb ist das ein guter Weg.
Das Zweite, was Sie uns vorgeworfen haben, ist, wir würden Vermögensveräußerungen im erheblichen Umfang vornehmen. Natürlich tun wir das. Angesichts der enormen Finanzierungserfordernisse bilden selbstverständlich auch Vermögensaktivierungen einen wichtigen Bestandteil der Konsolidierungspolitik, zumal sich bei den Ermittlungen
der Konsolidierungspotenziale gezeigt hat, dass natürlich auf der Ausgabenseite Einsparungen aus rechtlichen und faktischen Gründen nur im begrenzten Maße zum Haushaltsausgleich beitragen können. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in den Jahren 1990, als auch Sie regierten, bis 2002 Vermögensaktivierungen im Umfang von mehr als 1 Milliarde stattgefunden haben. Damals hatten Sie es seltsamerweise nicht kritisiert, als Ihre eigene Regierung das gemacht hat. Und nun soll es plötzlich falsch sein?
- Ja, die Harzwasserwerke habe ich kritisiert. Ich habe auch bei Toto-Lotto kritisiert. Man hat 398 Millionen DM nur deshalb bekommen, weil die Konzessionsabgabe und anderes abgesenkt wurde.
- Bei den Spielbanken - das werden Sie sehen wird sich das rechnen. Wir haben aber auch anderes verkauft, was sehr sinnvoll ist; denn wir hatten Grundstücke - von der Winklmoosalm bis zu Tennisplätzen auf Norderney -, bei denen man niemandem erklären konnte, weshalb wir sie besitzen müssen. Wir haben uns gefragt: Wofür braucht das Land denn eine Skihütte auf der Winklmoosalm? Als man mir gesagt hat, dass nur so Sportstudenten aus Niedersachsen überhaupt Skifahren lernen können, habe ich denen erklärt, dass meine Kinder dadurch Skifahren gelernt haben, dass meine Frau sie in die Skischule gesteckt hat, und nicht dadurch, dass Papa vorher einen halben Berg gekauft hat. Das war ein Argument.
Also haben wir das veräußert. Das Gleiche gilt für die Tennisplätze auf Norderney, die immerhin 2,5 Millionen Euro gebracht haben. Sie hätten ja auch schon darauf kommen können.
Zu dem dritten Vorwurf, wir würden Blockadepolitik im Bundesrat betreiben. Die Landesregierung befürwortet uneingeschränkt Maßnahmen, die Steuergesetze von systemfremden Subventionen entschlacken. Punktuelle Einzelinitiativen sind jedoch nicht zielführend. Erforderlich ist vielmehr ein durchdachtes Konzept aus einem Guss, das bis heute noch nicht vorliegt.