Protokoll der Sitzung vom 22.04.2005

Meine Damen und Herren, wir haben im letzten Jahr aber auch einen anderen Punkt aufgenommen, worauf der Kollege Bley bereits hingewiesen hat. Es geht dabei um die Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen.

Herr Minister Hirche, entschuldigen Sie bitte. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Biel?

Aber selbstverständlich.

Herr Minister, da Sie eben festgestellt haben, dass der Vorsitzende der SPD-Fraktion draußen wohl mit Journalisten spricht, möchte ich Sie fragen, wo die Minister hier auf dieser Seite des Hauses bei diesem so wichtigen Thema sind. Wo ist der Ministerpräsident?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Kollege, ich finde es völlig in Ordnung, dass wir uns gemeinsam darüber Gedanken machen. Ich weiß, wie wichtig Ihnen dieses Thema ist. Ich wollte deutlich machen, dass es auch mir wichtig ist. Derjenige, der sich in der Presse zu diesem Thema geäußert hat, hat noch mehr Anlass, an der Debatte hier teilzunehmen, als diejenigen, die sich nicht dazu geäußert haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich wollte nicht untergehen lassen, dass wir uns über die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen Gedanken machen. Ich bin dem Kollegen Busemann außerordentlich dankbar dafür, dass in den Hauptschulen die Vermittlung der Grundfertigkeiten und der Lernkompetenzen sowie der Berufsbezug und die Kooperation mit den berufsbildenden Schulen gestärkt wird; denn viele Jugendliche finden auch deshalb keine Lehrstelle, weil ihre persönliche Qualifikation nicht ausreichend ist. Darum müssen wir uns kümmern. Es geht in der Tat darum, niemanden abrutschen zu lassen.

Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass der Pakt die richtige und wichtige Antwort auf die Herausforderungen des Ausbildungsmarktes ist. Und, Herr Kollege Lenz - das will ich aufnehmen -, die zweite Stufe, also die Frage, was nach der Ausbildung beim Berufseinstieg passiert- Stichwort „Jugendarbeitslosigkeit“ -, ist natürlich genauso wichtig, überhaupt keine Frage.

Wir haben drei Maßnahmen ergriffen, meine Damen und Herren. Wir haben zum einen die Mittel für die Unternehmen zur Einstellung von arbeitslosen Jugendlichen im Februar von 4,5 Millionen Euro auf 7,5 Millionen Euro erhöht. Das heißt, wir haben nicht nur für 1 500 Jugendliche, sondern für 2 500 Jugendliche ein Angebot. Wir haben ferner die Zahl der zusätzlichen Ausbildungsplätze in den Bereichen IT, Tourismus und Kultur in Ziel-2Gebieten erhöht. Damit können dort nicht nur 475, sondern etwa 600 Jugendliche eine zusätzliche Möglichkeit erhalten. Schließlich wird das Programm „Arbeit durch Qualifizierung“ aus ESFMitteln, das für Langzeitarbeitslose generell gilt, speziell auf Jugendliche ausgerichtet. Das geschieht deshalb, weil wir gemeinsam, die Landesregierung und - das entnehme ich dem Antrag alle Fraktionen, der Meinung sind, dass wir uns um die Ausbildung und den Einstieg von Jugendlichen in Arbeit in besonderer Weise kümmern müssen. Ich bedanke mich bei den Fraktionen, dass sie mit diesem Antrag die Arbeit der Landesregierung unterstützen und flankieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Lenz nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile ihm eine Redezeit von eineinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hirche, den ersten Teil Ihrer Ausführungen hätten Sie getrost sein lassen können. Wir haben einen gemeinsamen Antrag formuliert. Das bringt zum Ausdruck, dass wir bei diesem Thema gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. In meinen Ausführungen habe ich die Sachen auf den Tisch gelegt. Sich auf Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen, bringt aber nichts für die Zukunft.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das war eigentlich unsere Ansage. Deshalb haben wir darauf hingewiesen, wie die Situation aktuell aussieht. Sie können sich die Zahlen nicht immer so zurechtlegen, wie Sie es gern hätten. Zur Arbeitslosigkeit insgesamt bundesweit sagen Sie, die Zahlen sind verlässlich, und wollen damit die Bundesregierung treiben. Werden die Zahlen dann auf

arbeitslose Jugendliche in Niedersachsen herunterbrechen, sagen Sie, die Zahlen sind noch nicht verlässlich.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Quatsch!)

Ja was denn nun? Man muss sich einmal entscheiden. Fakt ist: Wir müssen jetzt Gas geben, damit nicht wieder erst in Nachvermittlungsaktionen etwas passiert. Das war die Aufforderung.

Dann noch eine Bemerkung - gestatten Sie es bitte - zu Herrn Bley. Ich finde es völlig unangemessen, zu diesem Thema hier drei Minuten in Platt zu reden. Das war wirklich platt. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Rolf Meyer [SPD]: Aber das war doch klasse! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Die beiden Letzteren sehe ich nicht. Der Beschlussempfehlung ist damit einstimmig gefolgt worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 36: Besprechung: Katastrophale Finanzlage des Landes Niedersachsen? Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1762 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/1826

Zunächst hat der Fragesteller das Wort. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Kollege Wenzel gemeldet. Bitte schön, Herr Wenzel!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur katastrophalen Finanzlage des Landes Niedersachsen ist ein Dokument des Scheiterns. Wir messen die Regierung Wulff an ihren eigenen Messlatten für eine solide Haus

haltspolitik. An diesen Maßstäben müssen Sie sich messen lassen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat als erste Landesregierung in Niedersachsen überhaupt eine Abwägung vorgenommen. In der mittelfristigen Finanzplanung kann man nachlesen, dass Sie sich neben der Verfassung des Landes auch anderen bundes- und landesrechtlichen Regelungen verpflichtet fühlen. Dies ist letztlich eine Abwägung zwischen den Vorgaben der Landesverfassung und den Wahlversprechen der CDU in Niedersachsen gewesen.

Sie haben sich für fortgesetzten Verfassungsbruch entschieden und nehmen in Kauf, dass der verfassungswidrige Zustand länger als notwendig anhält. Allein Ihre Schulreform, Ihre Schulstrukturreform kostet den Gegenwert von 2 000 Lehrerstellen. Auch die 500 zusätzlichen Polizisten sind auf diesem Konto zu verbuchen.

(David McAllister [CDU]: Sie haben gestern die Unterrichtsversorgung kri- tisiert!)

Schon der erste Fragenkomplex macht deutlich: Diese Landesregierung stellt neue Negativrekorde auf. Eine kleine Tabelle im Anhang offenbart die Tatsachen. Dokumentiert werden die offizielle Neuverschuldung, die Investitionen und die Verfassungswidrigkeit der Haushalte seit 1990. Auch ganz ohne die Einrechnung der Schattenhaushalte ist das Verhältnis der Nettokreditaufnahme zu den eigenfinanzierten Investitionen - quasi ein Indikator der Verfassungswidrigkeit der Haushalte - mit fast 250 % so schlecht wie nie zuvor.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Landesregierung liegt ständig im verfassungswidrigen Bereich, und das wird vermutlich auch so bleiben. Das liegt an der hohen Neuverschuldung und am Rekordtief bei den Investitionen mit einer Quote von nur 7,1 %. Bei Rot-Grün lag diese Quote doppelt so hoch, und die Haushalte entsprachen der Verfassung. Rechnet man bei den neuen Schulden des Landes noch das hinzu, was die Beteiligungsgesellschaft und die Treuhandstelle in diesem Jahr an Krediten quasi im Auftrag des Landes aufnehmen, beträgt die Neuverschuldung nicht 2,15 Milliarden Euro, sondern, 2,75 Milliarden Euro. Das möchte der Finanzminister natürlich nicht wahrhaben; denn dann bricht sein ganzes schönes Gebäude von der jährlichen Senkung der Nettokreditaufnahme zusammen, und

deshalb wird getrickst. Herr Möllring, Sie nutzen jedes Schlupfloch bis an die Grenze der rechtlichen Belastbarkeit. Das ist zwar nicht illegal, gehört aber schnellstens unterbunden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die strukturellen Probleme des Landeshaushaltes sind aber noch weitaus größer. Denn neben der offiziellen Neuverschuldung und den Kreditaufnahmen haben Sie eine Vermögensveräußerung neben dem Verkauf der Spielbanken vorgesehen, die in der vorgesehenen Höhe von 100 Millionen Euro kaum erwirtschaftet werden kann.

Während auf der einen Seite mit neuen Schulden und Vermögensveräußerungen der Haushalt kurzfristig ausgeglichen werden muss, wird von der Landesregierung auf der anderen Seite durch parteitaktisch motivierte Bundesratsblockaden ein vernünftiger Subventionsabbau vereitelt.

(David McAllister [CDU]: Das ist doch Quatsch! Sie wissen doch, dass das Quatsch ist!)

Nicht eine einzige Initiative - auch danach hatten wir gefragt - benennen Sie, die Sie im Bundesrat ergriffen haben, um den im Grundsatz auch von Ihnen als richtig erkannten Subventionsabbau zu befördern. Hierbei will Herr Wulff einfach nicht auf die presseöffentlich geäußerten Empfehlungen seines Chefberaters Homburg hören, der die Landesregierung zu mehr Kooperation und verstärkten eigenen Aktivitäten beim Subventionsabbau im Bundesrat aufgefordert hat.

Ich will Ihnen ein Zitat aus der Zeit von gestern vorlesen, Herr McAllister - Überschrift: „Die Union blockiert wichtige Reformvorhaben“ -:

„Unternehmenssteuerreform, Eigenheimzulage, Bildungsfinanzierung, Spitzenforschung, Föderalismusreform - überall nur dürftig verbrämt, setzt die Union mit ihrer Bundesratsmehrheit voll auf Blockade. Mal ist es Koch, mal ist es Wulff, mal sind es die Fachleute aus der zweiten Reihe, mal sind es die Chefs der CDU und der CSU.“

Der Artikel endet mit der Bemerkung:

„Damit sich Deutschland bewegen kann, muss sich die Union bewegen, je schneller, desto besser.“

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung lobt sich permanent selbst dafür, dass mit der Verwaltungsreform in großem Umfang Stellen eingespart werden. Leider sieht sie sich nicht in der Lage, die Frage nach der Gesamtzahl der Neueinstellungen seit Beginn ihrer Regierungszeit zu beantworten. Was ist das eigentlich für eine Regierung, die nicht genau weiß und auch in sechs Wochen nicht in Erfahrung bringt, wie viele Menschen sie seit Beginn ihrer Regierungszeit eigentlich eingestellt hat, meine Damen und Herren?

(Ralf Briese [GRÜNE]: Peinlich!)

Sie müssen erst eine Ressortumfrage machen, um überhaupt einen Überblick zu erhalten. Was ist das für eine Personalplanung?

(David McAllister [CDU]: Wie denn sonst? Den Weihnachtsmann fragen? - Dr. Philipp Rösler: Raten?)

- Das sind doch Kennzahlen, die ein Finanzminister griffbereit haben muss. Das sind Kennzahlen, die man nach sechs Wochen wirklich auf den Tisch des Hauses legen können muss.

Immerhin aber, meine Damen und Herren, weiß der Finanzminister inzwischen, wie viele Ausnahmen vom Einstellungsstopp er erteilt hat. Bis Ende März summierten sich die Ausnahmen unter Einbeziehung der Übernahme der Anwärterinnen und Anwärter auf 1 273 mit bisher entstandenen Ausgaben von mehr als 61 Millionen Euro. Ich sage ausdrücklich nicht, dass überhaupt keine Ausnahmen erteilt werden dürfen. Skandalös wird das Ganze nur, wenn man gleichzeitig Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt, ohne dass im Einzelnen geprüft wird - auch das zeigt die Antwort auf unsere Anfrage -, ob sie nicht an anderer Stelle im Landesdienst,