Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Jetzt hat der Wirtschaftsminister Herr Hirche das Wort.

(Axel Plaue [SPD]: Der Minister für Arbeitslosigkeit! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Das sagt gerade ein Herr Plaue!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe gern an den letzten Satz von Frau Janssen-Kucz an: Die Jugend ist unsere Zukunft. In diesem Sinne müssen wir uns auch der Thematik stellen. Natürlich waren die Zahlen, die zu Anfang dieses Jahres vorgelegen haben, schlimm. Sie sind aber erfreulicherweise von Monat zu Monat - im Verhältnis zu anderen Bundesländern - besser geworden, ohne dass uns das insgesamt befriedigen kann.

Meine Damen und Herren, Alters- genau wie Jugendarbeitslosigkeit oder Männer- und Frauenarbeitslosigkeit hängen natürlich von der Wirtschaftsverfassung und dem Markt insgesamt ab. Das muss man schlicht und einfach einmal festhalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben in Niedersachsen gesagt: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind Kernthemen. Dass es uns gelungen ist, hierbei ein Stück voranzukommen, zeigt ein Blick auf den Vergleich der Bundesländer. Unter der Regierung Gabriel waren wir in der unteren Tabellenhälfte. Wir lagen unter den 16 Bundesländern auf Platz 9.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist übri- gens die Mitte!)

Jetzt sind wir konstant in der oberen Tabellenhälfte. Wir liegen vor den beiden lange Zeit rot-grün regierten Ländern Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In Niedersachsen hat es eine

deutliche Entwicklung zum Besseren gegeben, während dort, wo die SPD zusammen mit den Grünen Verantwortung getragen hat, die Entwicklung schlechter geworden ist. Das muss man eindeutig sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich empfehle in diesem Zusammenhang - bezüglich des Arbeitsmarktes insgesamt, aber auch der Jugendarbeitslosigkeit -, einmal nachzulesen, was in der letzten Veröffentlichung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit festgehalten ist. Der Vergleich der Arbeitslosenzahlen vom April dieses Jahres mit denen vom Januar weist für Niedersachsen und Bremen einen überproportionalen Abbau um 10,5 % gegenüber 3,9 % in Deutschland aus. Weiter steht dort, dass die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen in Niedersachsen in diesem Zeitraum um 1,5 % gesunken ist, während sie im Bundesgebiet nur um 0,5 % gesunken ist.

Meine Damen und Herren, das alles hat damit zu tun - das muss man einfach zur Kenntnis nehmen -, dass die Bundesländer bzw. die Regionaldirektionen die Zahlen nach In-Kraft-Treten von Hartz IV unterschiedlich verarbeitet haben. Darunter leidet im Übrigen im Augenblick NordrheinWestfalen. Es hat im Januar im Vergleich zu Niedersachsen viel zu günstige Zahlen vorgelegt und muss jetzt nachträglich das einarbeiten, was es versäumt hat. Deshalb werden die Zahlen dort viel schlechter ausfallen, weil die Differenzierung nicht so gemacht worden ist wie bei uns.

Aber das ist nur das eine. Ich stelle im Übrigen fest, dass die Grünen zu diesem Thema - sorgfältig vorbereitet - eine Große Anfrage gestellt haben. Wir hatten gemeinsam vereinbart, eine Debatte über dieses Thema zu führen. Es mutet schon etwas merkwürdig an - das ist eine gewisse Überraschung -, wenn dann eine Fraktion kommt und einer anderen sozusagen das Thema klaut. Aber sei es drum.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Das ist doch gemein, Stefan!)

Die Landesregierung hat auf dem Ausbildungsmarkt Erfolge vorzuweisen. Wir haben im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt eine größere Steigerung von Ausbildungsplatzzahlen. Der Pakt gilt weiter, wir fördern zusätzliche Akquisiteure bei den Kammern, machen mehr für Verbundausbildung

und bieten zusätzliche Ausbildungsplätze an. Herr Gabriel, wenn Sie zu Recht darauf hinweisen, dass wir nicht nur für Ausbildungsplätze, sondern auch für Einstiegsqualifizierungen geworben haben, und vor dem Hintergrund dessen, was Frau JanssenKucz eben gesagt hat: Wir tun etwas, um den Jugendlichen gerecht zu werden, die eben keinen Ausbildungsabschluss haben. Wir tun zweierlei: Wir machen ihnen Angebote nach der Schule; und wir verbessern gleichzeitig die Hauptschule. Der Kollege Busemann hat in der Hauptschule Praxistage eingeführt und versucht, das Profil der Hauptschule insgesamt zu verbessern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Zur Arbeitsförderung will ich in dieser knappen Zeit nur Folgendes festhalten: Wir haben die Angebote zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit zusammen mit der Regionaldirektion erweitert. Zum Beispiel werden in dem Stufe-2-Programm Lohnkostenzuschüsse eben nicht nur wie vorher für 1 500 Jugendliche, sondern für 2 500 gezahlt. Das ist eine Steigerung um 65 %. Die Angebote für benachteiligte Jugendliche, vor allen Dingen die Pro-Aktiv-Zentren, unterstützen den Einstieg in die Ausbildung. Mehr, meine Damen und Herren, werden wir in der allgemeinen Debatte diskutieren. Es bleibt dabei: Der Kampf für Arbeitsplätze ist Kernthema. Daran lassen wir uns messen. Ich denke, wir haben ein positives Ergebnis, während der Bundeskanzler in diesem Zusammenhang ein negatives Ergebnis vorzuweisen hat.

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Im Rahmen des Kampfes für Arbeitsplätze bleibt die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein Schwerpunkt. Das ist geboten, weil Jugend unsere Zukunft ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Gabriel um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile ihm eine Redezeit von drei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, die nichts mit Hartz IV zu tun haben und die nichts

damit zu tun haben, dass es Statistikprobleme gibt, und danach erklären Sie mir bitte einmal, wie Sie Ihre Bilanzen hier verkaufen wollen. Im Jahre 2004, vor Hartz IV, gab es in Niedersachsen 113 505 Jugendliche, die nach der Ausbildung keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Das waren doppelt so viele wie im Jahre 2003. Das ist eine dramatische Verschlechterung, weit stärker als im Rest der Bundesrepublik. Im Jahre 2004, vor Hartz IV, gab es 72 576 arbeitslose Jugendliche, die nach der Schule weder Ausbildung noch Arbeit gefunden haben. Das waren doppelt so viele wie im Jahre 2003. Nun erklären Sie einmal, was das mit einer guten Leistung Ihrer Landesregierung zu tun hat!

(Beifall bei der SPD)

Hinsichtlich der dramatischen Steigerungsraten im Zeitraum April 2004 bis April 2005 kann man zwar sagen, dass diese etwas mit mehr Ehrlichkeit zu tun haben. Aber warum in Niedersachsen doppelt so viele junge Leute unter 25 Jahren arbeitslos sind wie im Rest der Bundesrepublik, können Sie niemandem erklären - jedenfalls nicht mit der Behauptung, dass Sie dafür besonders viel getan hätten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das hat nichts mit Statistik zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass Sie in der Bilanz, die Herr McAllister hier so stolz vorgelegt hat, etwas verschweigen. Herr McAllister hat zunächst ausgeführt, dass der Rückgang der Ausbildungsplätze nicht so stark wie erwartet gewesen sei. Herr McAllister, wir haben in unserer Regierungszeit mit Arbeitgebern und Gewerkschaften die Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze verabredet und nicht einen geringeren Rückgang.

(Beifall bei der SPD)

Sie verkaufen heute schon einen mäßigen Rückgang als Erfolg. Wir brauchen bei zunehmenden Schulabgängerzahlen aber mehr und nicht weniger Ausbildungsplätze. Die Latte, die Sie anlegen, ist so niedrig, dass auch der Faulste im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit darüber springt. Das ist gar kein Problem.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben jetzt einen Rückgang um 10 % der gemeldeten Ausbildungsplätze verzeichnet. Bei Ihnen müssten alle Alarmglocken läuten. Stattdes

sen halten Sie hier Beschwichtigungsreden. Ich sage Ihnen: Sie wollen das Thema nicht aktiv bekämpfen. Aus Ihrer Sicht kann mit Blick auf die Bundestagswahl und auch auf Wahlen wie in Nordrhein-Westfalen die Arbeitslosigkeit gar nicht hoch genug sein, damit Sie das als Erpressungspotenzial benutzen können.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - David McAllister [CDU]: Dafür ist doch Herr Clement zuständig! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Was hat das denn mit Niedersachsen zu tun?)

- Oh, natürlich. Ich weiß gar nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, Herr Rösler: Auch in Niedersachsen dürfen Menschen zur Bundestagswahl wählen gehen. Sie wollen dort nichts tun. Ich sage Ihnen: Sie haben für den Bereich der Jugendarbeitslosigkeit mit Herrn Hirche einen Tu-nix-Minister. Die eigentliche Zuständigkeit dafür liegt aber bei der Sozialministerin. Ich habe auf die Frage, ob Sie 1,2 Millionen Euro an Haushaltsmitteln aus dem vergangenen Jahr übrig haben, die Sie jetzt nicht zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit einsetzen wollen, weder von Ihnen, Frau Ministerin, noch von Ihnen, Herr Hirche, etwas gehört. Wir möchten angesichts der schlechtesten Ausbildungsbilanz seit Jahren - vorher hatten wir immer mehr Ausbildungsplätze als offene Bewerbungen und haben wir jedenfalls alle Schulabgänger untergebracht; Sie aber haben doppelt so viele arbeitslose Jugendliche wie im Rest der Republik - gerne wissen, ob Sie die Kürzungen in diesem Jahr sogar noch fortsetzen wollen.

Herr Gabriel, Sie müssen zum Schluss kommen!

Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie das Geld dafür ausgeben wollen, wofür der Landtag das Geld genehmigt hat, oder ob Sie gegen die Interessen der Jugendlichen das Geld dem Finanzminister geben und die jungen Leute nach der Schule auf der Straße lassen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Hirche, bitte!

(Axel Plaue [SPD]: Auch Frau Ministe- rin von der Leyen sollte einmal etwas dazu sagen! - Ministerin Dr. Ursula von der Leyen: Keine Sorge, ich sage dazu gleich etwas!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es richtet sich wohl von selbst. Der Satz von Herrn Gabriel „Ihnen kann die Arbeitslosigkeit gar nicht hoch genug sein“ richtet sich wohl von selbst. Herr Gabriel, machen Sie ruhig so weiter: Höchste Drehzahl, und es qualmt im Leerlauf!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist nun einmal so: Wenn man einen Ballon dauernd aufbläst, dann platzt er. Das hat Herr Gabriel noch nicht ganz begriffen. Wir sind an diesem Thema dran. Das weisen die Zahlen auch aus. In der allgemeinen Arbeitslosigkeit ist Niedersachsen heute in jedem Monat ganz eindeutig besser als in den Monaten Ihrer Regierungszeit, Herr Gabriel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir halten in diesem Zusammenhang jeden Wettbewerb mit den SPD-regierten Ländern aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Demnächst gibt es keine mehr!)

Das wissen Sie auch. Wir werden das Thema - insoweit gebe ich der Kollegin von den Grünen Recht -, weil es ein wesentliches und fundamentales Thema ist, leider im Sommer oder im Herbst wieder diskutieren müssen, ob die Landesregierung es will oder nicht. Wir werden einfach lernen müssen, in dieser Frage vor dem Hintergrund der vorliegenden Statistiken seriös miteinander umzugehen. Deswegen sage ich zu Herrn Gabriel: Wiederholen Sie doch bitte nicht falsche Behauptungen!

Meine Damen und Herren, wir verzeichnen eine Steigerung bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Ich wiederhole es: Wir haben eine Steigerung bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Meine Damen und Herren, das ist eine große Leistung angesichts der Situation, in

die die Bundesregierung die Wirtschaft auch in Niedersachsen gebracht hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Axel Plaue [SPD]: Hören Sie doch mit diesem Quatsch auf!)

Wir sind natürlich auch in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umso besser, je besser sich der allgemeine Arbeitsmarkt entwickelt. Meine Damen und Herren, wir werden morgen Nachmittag im Zweifelsfall auch Gelegenheit haben, im Rahmen der Großen Anfrage auf Fragen zu antworten, die hier gestellt worden sind. Sie können in diesem Zusammenhang gerne noch eine zweite Große Anfrage stellen.