Übrigens: Wie verhält sich Niedersachsen heute im Rechtsausschuss des Bundesrates in Sachen Informationsfreiheitsgesetz? Enthält sich Niedersachsen auf Ihre Intervention hin bei dem Antrag der CDU, das Informationsfreiheitsgesetz der rotgrünen Bundestagsmehrheit in den Vermittlungsausschuss zu bringen und damit dauerhaft zu erledigen, jedenfalls was Ihre Intention angeht?
Aber zurück zum Datenschutz: Wer „B“ wie „Bürgerrechte“ sagt, muss auch „D“ wie „Datenschutz aus einer Hand“ sagen. Weshalb hat sich Ihr Wirtschaftsminister Walter Hirche gegen die Pläne des Innenministers gestellt, umfangreiche Vorratsdatenspeicherung zu Lasten privater Unternehmen zu erlauben? Weshalb hat er in diesem Fall im Kabinett der Reduzierung des Datenschutz zugestimmt?
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie müssen sich entscheiden. Was ist Ihnen wichtiger: die Interessen mancher privater Unternehmen, die sich mit einer eher beiläufigen Wahrnehmung der Datenverarbeitung in einem Innenministerium leichter realisieren lassen, oder der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis von Kundinnen und Kunden gegenüber privaten Unternehmen? - Eigentlich ist die Entscheidung gar nicht schwierig. Denn zunehmend mehr private Unternehmen sehen für ihr Image gerade auch die Gewährleistung des Datenschutzes als wichtiges Gut an und praktizieren beispielsweise das so genannte Datenschutzaudit, also eine Art Zertifikat, welches ihnen attestiert, dass sie im Bereich der Datenverarbeitung personenbezogener Kundendaten optimal aufgestellt sind. Nur eine sehr traditionalistische Philosophie kann überhaupt zu dem von der Landesregierung beschlossenen Weg führen.
Meine Damen und Herren, am 16. Juni hat die Humanistische Union Herrn Ministerpräsident Wulff in einem Schreiben ihre Besorgnisse vorgetragen. Ich zitiere auszugsweise:
„Inhaltlich geht es bei der Gewährleistung völliger Unabhängigkeit im Sinne der Richtlinie 46/95 der Europäischen Gemeinschaft darum, auch die für den nicht öffentlichen Bereich zuständige Kontrollstelle von jeder sachlichen Weisungsmöglichkeit durch die Exekutive frei zu halten. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Aufsicht im Sinne der Grundrechte ausgeübt wird und keine sachfremden Erwägungen einfließen. Diese Anforderung sachlicher Unabhängigkeit ist mit der Einbindung der Kontrollstelle in ministerielle Weisungsstränge schlicht unvereinbar.“
- Er ist Polizeibeamter aus Rheinland-Pfalz. Er war bereits im Innenausschuss als Sachverständiger tätig.
- Ich nehme an, ja. Aber vielleicht lassen Sie mich meine Rede noch zu Ende bringen. Wir klären das dann unter vier Augen.
Die Forderung der EU-Datenschutzrichtlinie nach völliger Unabhängigkeit setzt diejenigen deutschen Bundesländer, bei denen die Datenschutzaufsicht über den nicht öffentlichen Bereich nach wie vor in den Innenministerien angesiedelt ist, unter erheblichen Veränderungsdruck. Insgesamt sind sieben Bundesländer mit der Regelung, wie sie in Niedersachsen derzeit praktiziert wird und die Sie abschaffen wollen, unterwegs. Eine Reihe von Ländern, die eine Änderung im Sinne der derzeitigen niedersächsischen Regelung planen, hat Frau Leuschner genannt.
Bei der Europäischen Kommission ist seit 2003 ein Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes gegen die Vorgabe der eben genannten EU-Datenschutzrichtlinie anhängig. Wenn Sie Ihren Beschluss, meine Damen und Herren, Herr Innenminister, nicht korrigieren, laufen Sie Gefahr, dass Sie in kurzer Zeit ähnlich wie bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen niedersächsisches Polizeigesetz gezwungen sein werden, Ihre falsche Entscheidung zu überprüfen und zu korrigieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz, von einem Urteil über das niedersächsische Polizeigesetz habe ich bisher noch nichts gehört. Sie spekulieren hier nur wieder. Ich denke, wir sollten das Urteil abwarten.
Bevor ich auf die beiden Beratungsgegenstände eingehe, möchte ich § 22 Abs. 6 Satz 1 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes vortragen. Dort steht:
„der Landesbeauftragten oder dem Landesbeauftragten die Aufgaben der Aufsichtsbehörde für die Datenverarbeitung im nichtöffentlichen Bereich nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes übertragen.“
In Kraft getreten ist das Gesetz am 1. Januar 1992, also von Rot-Grün beschlossen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt war nach meiner Kenntnis die Bezirksregierung für die Übertragung zuständig.
Was hat die Landesregierung zum 1. Januar 2006 vor? - Sie nutzt die Möglichkeit des Gesetzes und überträgt die Zuständigkeit für den nicht öffentlichen Bereich auf das Fachministerium. Niedersachsen folgt damit dem Beispiel anderer Länder wie
Brandenburg oder Baden-Württemberg. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ich verstehe Ihre Aufgeregtheit nicht; denn das Fachministerium hat auch heute die Fachaufsicht über den nicht öffentlichen Bereich. Darauf werde ich später noch eingehen.
Ich sehe durch die Übertragung dieses Bereiches eine Chance für die Wirtschaft, sich durch Selbstverantwortung zu stärken. Ich weise darauf hin, dass die Wirtschaft auch weiterhin beraten wird.
Einen Hinweis zu dem Antrag der SPD zum Polizeigesetz kann ich mir nicht verkneifen; denn dieses Gesetz ist von der Koalition ausdrücklich so gewollt, im Übrigen auch von der großen Mehrheit der aktiven Polizeibeamten. Eine Vielzahl der Bundesländer, nämlich neun, hat bereits eine Trennung von öffentlichem - dieser Teil, also auch der Bereich der Polizei, bleibt übrigens beim LfD und nicht öffentlichem Teil vollzogen. Warum trägt die CDU-Fraktion die Übertragung der Zuständigkeit für den nicht öffentlichen Bereich auf das Fachministerium mit? Eines der herausragenden Ziele der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen ist der Rückzug des Staates auf seine Kernaufgaben. Sofern hierdurch staatliche Aufsicht und Beratung reduziert werden, wird dieses in Kauf gekommen. Ziel ist die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger sowie aller nichtstaatlichen Stellen. Durch die ohnehin von vielen Unternehmen vorgehaltenen betrieblichen Datenschutzbeauftragten wird die Selbstregulierung in der Wirtschaft künftig einen höheren Stellenwert bekommen.
Die Rechtsprobleme des Datenschutzes im öffentlichen Bereich, z. B. bei der Polizei, bei den Sozialoder Finanzämtern, sind überwiegend nicht mit denen im nicht öffentlichen Bereich, etwa bei Banken, Auskunfteien oder Kundenbindungssystemen, identisch. Zwar sollen sowohl den öffentlichen als auch den nicht öffentlichen Bereich berührende datenschutzrechtliche Fragestellungen nicht in Abrede gestellt werden. Solche Überschneidungen halten sich jedoch in Grenzen und können durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen LfD und MI sowie durch eine effektive Aufgabenwahrnehmung gelöst werden.
Im Übrigen erwarte ich, dass die durch den Wegfall einer Bürokratieebene und die Konzentration aller Aufgaben des nicht öffentlichen Bereichs im MI eintretenden Synergieeffekte die der bisherigen Aufgabenwahrnehmung übersteigen.
Durch die Zusammenfassung der Datenschutzkontrolle für den öffentlichen und den privaten Bereich beim Landesbeauftragten für den Datenschutz in den Bundesländern Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein sowie Mecklenburg-Vorpommern seit 2004, die der LfD für besonders bürgerfreundlich hält, ist nicht gewährleistet, dass Bürgerinnen und Bürger nur einen Ansprechpartner für Fragen des Datenschutzes haben. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland gibt es
neben dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz 16 Landesbeauftragte für den Datenschutz und daneben aus verfassungsrechtlichen Gründen Datenschutzbeauftragte für Kirchen, Rundfunkund Medienanstalten. Eine Vereinfachung, die den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich nur einen Ansprechpartner in Datenschutzfragen verschaffen könnte, ist nicht möglich. Zudem wird es immer notwendig sein, eine Eingabe an die örtlich zuständige Stelle weiterzuleiten. Eine Beschwerde einer Einwohnerin oder eines Einwohners aus Niedersachsen über ein Unternehmen mit Sitz z. B. in Hamburg muss wegen der örtlichen Zuständigkeit an die Hamburger Aufsichtsbehörde abgegeben werden, und zwar unabhängig davon, wer in Niedersachsen zuständig ist.
Hinzu kommt, dass die Organisation des Datenschutzes in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist, sodass Schlussfolgerungen in Hinblick auf Bürgerfreundlichkeit nicht einheitlich gezogen werden können. Neben den oben genannten Bundesländern, bei denen die Datenschutzaufsicht für den nicht öffentlichen Bereich dem Innenministerium selbst zugeordnet ist, haben die Bundesländer Bayern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz die Datenschutzaufsicht für den nicht öffentlichen Bereich dem Innenministerium nachgeordneten Behörden zugewiesen. Das entspricht auch der Meinung der CDU-Fraktion. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir die Zuständigkeit für den nicht öffentlichen Bereich auf das MI übertragen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Opposition, man sollte die Kirche im Dorf lassen;
denn die Frage, um die es geht, ist eine rein organisatorische. Da erleichtert manchmal schon der Blick ins Gesetz die Entscheidungsfindung.
Was die rechtliche Grundlage für die bisherige Regelung betrifft, so steht in § 22 Abs. 6 so schön drin: Sofern die Übertragung auf die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten vorgenommen wird, unterliegt sie oder er abweichend von § 21 Abs. 2 insoweit der Fachaufsicht der Landesregierung. - Das heißt, wenn der Innenminister tatsächlich so stark durchgreifen und Änderungen inhaltlicher Art durchführen wollte, könnte er dies schon heute über die Fachaufsicht tun.
Inhaltlich - das wird hierdurch eindeutig belegt gibt es keinerlei Änderungen. Es handelt sich lediglich um eine organisatorische Änderung.
Wenn man sich einmal anschaut, wie das in den einzelnen Bundesländern geregelt ist, dann stellt man fest: Einige machen es so, andere machen es anders.
Daher sollte man überlegen und immer wieder kritisch hinterfragen, wie man am besten für den Bürger aufgestellt ist. Zumindest für mich ist ziemlich einsichtig, dass es im öffentlichen und im privaten Bereich unterschiedliche Rechtsprobleme gibt. Man kann deshalb durchaus prüfen, ob man in letzterem Bereich durch eine andere Organisationsform zu Synergieeffekten und Stelleneinsparungen erreicht.
Wir werden das Ganze, Herr Dr. Lennartz - genau, wie wir es gesagt haben -, aufmerksam beobachten und prüfen. Das werden nicht nur wir machen, sondern das wird auch der Finanzminister tun, weil auch er ein Interesse daran hat, dass die richtige Organisationsform gewählt ist.
Ein wenig überrascht bin ich schon, Herr Dr. Lennartz, welche Prioritäten Sie setzen. Natürlich freut es mich, dass Sie der FDP in dieser Fragestellung Vertrauen schenken. Das wundert mich allerdings nicht, wenn ich mir anschaue, was Bündnis 90/Die Grünen ansonsten machen; da kann man das Vertrauen ziemlich schnell verlieren.