Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Tagesordnungspunkt 21: Zweite Beratung: Frauenhandel bekämpfen Opferschutz verbessern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1413 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/2031

Frau Helmhold, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Einbringung unseres Entschließungsantrages im November vergangenen Jahres schien es hier im Haus einen großen Konsens darüber zu geben, dass Frauenhandel ein besonders verabscheuenswürdiges Verbrechen ist und dass wir viel mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um den Opfern zu helfen, den Tätern auf die Spur zu kommen und, wenn möglich, Frauenhandel bereits im Vorfeld zu verhindern.

Leider mussten wir im Verlauf der Beratung erleben, dass dieser Entschließungsantrag - wie auch schon andere, von denen Sie meinten, dass Sie sie nicht wirklich ablehnen konnten - in die Entschließungsantragsänderungsmaschinerie der Mehrheitsfraktionen geraten ist und daraus so blutleer wieder ausgespuckt wurde, dass auch wir ihm beim besten Willen nicht mehr zustimmen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außer dem Titel, meine Damen und Herren, hat Ihre Beschlussempfehlung mit unserem ursprünglichen Entschließungsantrag kaum noch etwas gemein.

(Johann-Heinrich Ahlers [CDU]: Dafür ist er aber besser!)

Es fehlt die Erarbeitung einer Indikatorenliste, es fehlt die Definition des Verdachts auf Menschenhandel. Dies ist aber dringend erforderlich, um die

Ermittlungsarbeit effektiver zu gestalten und zukünftig vor allen Dingen mehr Opfer als Zeuginnen zu gewinnen. Denn nur mit aussagebereiten Zeuginnen können wir der Täter habhaft werden.

Die dringend notwendige Verbesserung der Fortbildungsmöglichkeiten für Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafrichterinnen stellen Sie unter einen Haushaltsvorbehalt. Unverbindlicher kann man sich nun wirklich nicht mehr ausdrücken.

Unser Vorschlag, den Austausch zwischen den niedersächsischen Fachberaterinnen und den Fachdienststellen in den Herkunftsländern zu intensivieren, um so den Frauenhandel präventiv zu bekämpfen, verkommt bei Ihnen zu einer Zusammenarbeit mit den Partnerregionen in Polen und in der russischen Föderation. Die Opfer kommen doch aber nicht nur aus den niedersächsischen Partnerregionen, sondern auch aus anderen Staaten, z. B. in großer Zahl aus Rumänien und Bulgarien. Die haben jetzt wohl eben Pech gehabt oder wie?

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass das Phänomen des Menschenhandels durch eine gute Präventionsarbeit in den Herkunftsländern effektiv bekämpft werden kann. Deshalb ist diese Arbeit ohne Wenn und Aber zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wo bleibt bei dieser Beschreibung von Unverbindlichkeiten eigentlich der Mehrwert Ihrer Beschlussempfehlung? Den finden Sie offenbar in den von Ihnen eingefügten neuen Passagen. Sie wollen die Einführung einer Kronzeugenregelung für Menschenhandelsdelikte, die Wiedereinführung der Strafvorschrift gegen die Förderung der Prostitution und die Bestrafung von vorsätzlich handelnden Freiern.

Aber, meine Damen und Herren, alle diese Forderungen halten einer genaueren Betrachtung nicht stand. Die Kronzeugenregelung in diesem Bereich ist sehr umstritten. Das Strafgesetzbuch geht damit bislang sehr restriktiv um. Zudem können die Gerichte auch heute schon die Aussagebereitschaft bei der Aufklärung der Tat bei der Strafbemessung würdigen.

Die Forderung nach der Wiedereinführung der Strafvorschrift für die Förderung der Prostitution vermengt die legale Prostitution mit der Zwangsprostitution und geht damit völlig am Ziel vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Vorschlag einer Bestrafung von vorsätzlich handelnden Freiern hilft doch den Frauen überhaupt nicht. Zwar halten auch wir es für strafwürdig, wenn Freier vorsätzlich die Hilflosigkeit der Opfer ausnutzen. Aber es wären doch nur wenige, die tatsächlich überführt werden könnten.

Darüber hinaus müssen wir die Bedenken von Polizei und Beratungsstellen berücksichtigen, die befürchten, dass ein Straftatbestand für Freier dazu führen würde, dass Schleuser und Zuhälter die Frauen sozusagen nur noch strenger halten würden und die Freier künftig aus Angst überhaupt keine Hinweise mehr an die Beratungsstellen geben. - Das Thema ist also viel komplexer, als Sie es hier darstellen wollen.

Frau Helmhold, kommen Sie bitte zum Ende!

Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, Ihre Vorschläge, die nur billig sein wollen und es auch sind, tragen wir so nicht mit. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete Meißner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, ich muss ausdrücklich sagen, dass auch ich es schade finde, dass es keinen Kompromiss gegeben hat. Sie haben völlig Recht: Als wir das Thema das erste Mal im Landtag behandelt haben, sah es so aus, als könnten wir uns einvernehmlich auf eine Variante verständigen. Ich hätte dies gut gefunden. Ich denke auch, dem Kompromissvorschlag im Innenausschuss hätte man zustimmen können. Es wäre für die öffentliche Diskussion gut gewesen, wenn man gemerkt hätte, dass wir alle gemeinsam gegen den Menschenhandel, gegen den Frauenhandel sind.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir ha- ben Ihnen das angeboten!)

Tatsache ist: Wir bleiben nach wie vor dabei. Auch die Regierungsfraktionen sind eindeutig gegen den Menschenhandel und haben das auch mit der Beschlussempfehlung zum Ausdruck gebracht.

Sicherlich sind verschiedene Punkte aus Ihrem ursprünglichen Antrag herausgenommen worden. Blutleer ist er damit aber nicht geworden. Dafür sind aber neue Vorhaben aufgenommen worden, z. B. die Erarbeitung von Arbeitshilfen, die Intensivierung der Fortbildung oder das Präventionskonzept, das ressortübergreifend derzeit erarbeitet wird und in dem viele Einzelheiten festgelegt werden, was man machen kann, um den Menschenhandel frühzeitig zu unterbinden bzw. ihm vorzubeugen.

Das zeigt: Mehrere Häuser arbeiten zusammen, wir sind uns der Problematik bewusst, und wir tun auch viel dafür. Wir haben die Haushaltsmittel insgesamt um 77 000 Euro aufgestockt; das ist beim letzten Mal schon genannt worden. Das zeigt ebenfalls, wie wichtig uns die Bearbeitung dieses Themas ist.

Ein Letztes noch zu den vorsätzlich handelnden Freiern. Als Frau Jakob am 18. November im Plenum zum Menschenhandel sagte „Menschenhandel gibt es nur, weil...“, haben Sie, Frau Helmhold, eingeworfen: „... weil es Männer gibt, die dieses ausnutzen“. Sie haben also selbst darauf hingewiesen - das tun viele Betroffene ebenfalls -, dass man auch versuchen muss, insbesondere die vorsätzlich handelnden Freier zur Rechenschaft zu ziehen. Dass dies schwierig ist, gebe ich zu. Aber es wäre einen Versuch wert, auch einmal auf diese Art und Weise tätig zu werden.

Von daher bitte ich Sie, der vorliegenden Beschlussempfehlung zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Leuschner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin Helmhold, ich habe Ihre Ausführungen in der Sache für sehr sinnvoll gehalten. Ich kann Ihnen nur beipflichten.

Sie wissen, dass die SPD-Fraktion Ihrem ursprünglichen Antrag bis auf einen Punkt, das Razziakonzept, hätte zustimmen können. Wir meinen, dass dies ein richtiger und vernünftiger Schritt ist.

Wir haben dann sehr, sehr lange auf den angekündigten Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP gewartet. Das dauerte mehrere Monate. Ich habe auch geglaubt, dass Sie, Kollegin Jakob, die Sie vorgeben, so engagiert für Frauen zu sein, an einem Änderungsvorschlag arbeiten, der alle Punkte beinhaltet.

Was uns dann aber im Innenausschuss auf den Tisch gelegt wurde, war ein sehr auf Rudimente zurückgestuftes Exemplar, bei dem man von dem Ursprungsantrag im Grunde genommen nichts mehr erkennen konnte.

Ich will jetzt auf die einzelnen Punkte eingehen. Es kann und darf nicht sein, dass, wenn wir in der Anhörung von den Vertreterinnen und Vertretern der Polizei erklärt bekommen, dass eine zielgerichtete Aufstockung der Aus- und Weiterbildung zur Erkennung des Menschenhandels notwendig sei, Sie sagen, das muss nur so bleiben, wie es ist, dass sie es noch nicht einmal aufstocken wollen und es sogar noch unter Haushaltsvorbehalt stellen. Das können Sie mit uns nicht machen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In der Anhörung ist ebenfalls deutlich geworden, dass die Schutzwohnungen notwendig sind, ebenso das Personal in den Schutzwohnungen. Sie wissen, dass die Opfer, wenn sie in die Schutzwohnungen kommen, sehr intensiv betreut werden müssen.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Leuschner, einen Augenblick bitte! - Meine Damen und Herren, wenn die Glocke des Präsidenten ertönt, dann ist es hier wirklich unerträglich laut. - Frau Leuschner, bitte fahren Sie fort!

Sie erwähnen in keinem Punkt, dass ein weiterer Ausbau der Schutzwohnungen notwendig ist.

Wir gehen davon aus, dass eine Unterbringung in Frauenhäusern nur in extremen Ausnahmesituationen stattfinden kann. Wir meinen, dass der weite

re Ausbau der Schutzwohnungen zwingend notwendig ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich finde es nahezu fatal, dass die von den Beratungsinstitutionen geforderte Ausdehnung, präventiv in den Herkunftsländern der betroffenen Frauen tätig werden zu können - die erste Station, wo die Frauen hinkommen, sind die Hauptstädte und die großen Städte -, lediglich auf den Austausch in unseren Partnerregionen reduziert wird. Die Kollegin Helmhold hat eben schon gesagt, dass die nicht aus Tjumen oder Perm oder aus anderen Regionen, etwa in Polen, kommen, zu denen wir Parlamentspartnerschaften unterhalten. Vielmehr sind es - die letzte Razzia hat es ergeben - Frauen aus Bulgarien wie z. B. Sintisas. Das ist ein ganz anderer Bereich. Das kann man so nicht reduzieren.

Der Antrag, den Sie eingebracht haben, ist meiner Meinung nach wirklich nur auf Rudimente zusammengeschnitten worden. Nur des Verfahrens wegen muss ich noch einmal erklären, dass sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wirklich bemüht hat, auf der Grundlage Ihres Änderungsantrages einen butterweichen - ich sage ganz bewusst: butterweichen Änderungsantrag einzubringen. Dem aber haben Sie nach einer ausführlichen Diskussion im Fachausschuss nicht Ihre Zustimmung erteilen können. Dann haben Sie im Nachhinein gesagt - so ist mir von der Kollegin Hemme berichtet worden -, im Fachausschuss sei darüber gar nicht diskutiert worden. Angesichts dieser meiner Meinung nach doch Ernst zu nehmenden Thematik frage ich mich doch, welche Wahrnehmung Sie eigentlich haben.

Die Kollegin Helmhold hat gesagt, dass man das Präventivprogramm weiter fortschreiben soll. Das ist völlig richtig und sinnvoll. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, dass es unsere Landesregierung gewesen ist, die diesen gemeinsamen Runderlass im Jahr 2001 auf den Weg gebracht und sich dieses Themas hier im Parlament mit angenommen hat. Das ist ein guter Runderlass. Den hätte man ergänzen, aktualisieren und dem zeitlichen Rahmen anpassen können. Die Beschlussempfehlung ist leider eine Enttäuschung. Wir werden ihr nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Jakob das Wort. Ich erteile es ihr.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Unverändert stehen wir vor der Aufgabe, den Menschenhandel zu bekämpfen und den Opferschutz zu verbessern. Denn was ich schon bei der letzten Beratung gesagt habe, gilt noch immer: Das Problem des Menschenhandels nimmt in allen Staaten der Welt und auch in Deutschland immer größere Ausmaße an. Die Bekämpfung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Organisierten Kriminalität ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.