Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Unverändert stehen wir vor der Aufgabe, den Menschenhandel zu bekämpfen und den Opferschutz zu verbessern. Denn was ich schon bei der letzten Beratung gesagt habe, gilt noch immer: Das Problem des Menschenhandels nimmt in allen Staaten der Welt und auch in Deutschland immer größere Ausmaße an. Die Bekämpfung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Organisierten Kriminalität ist daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall bei der CDU)

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Wir erleben einen technischen Fortschritt wie nie zuvor, und gleichzeitig werden Frauen mitten in Deutschland gedemütigt, misshandelt und gefoltert. Diese Frauen sind das Opfer krimineller Machenschaften. Sie leben mitten unter uns, von skrupellosen Zuhältern zur Prostitution gezwungen. Angebot und Nachfrage - die Männer bestimmen den Markt. Etwa 6 Milliarden Euro werden im Rotlichtmilieu umgesetzt. Wo so viel Geld verdient wird, geht man mit hoher krimineller Energie vor. Organisierte Kriminalität steht hinter dem Menschenhandel. Man kann durchaus von einer weltweiten Mafia sprechen. Wir werden hier nur Ermittlungserfolge haben, wenn wir die Strukturen aufbrechen.

Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen und mehrgleisig fahren. Wir dürfen neben der Repression aber nicht die Prävention vergessen. Es geht darum, die gesellschaftlichen Wurzeln des Problems zu erfassen; denn Menschenhandel gibt es nur dort, wo bedrückende soziale Verhältnisse und wirtschaftliche Not herrschen. Deshalb müssen wir dazu beitragen, die Lebensbedingungen der Frauen und ihrer Familien vor Ort nachhaltig zu verbessern. Das ist eine Querschnittsaufgabe, die das Land Niedersachsen nicht allein bewältigen kann, selbst wenn unsere Haushaltssituation besser wäre, als sie ist.

Aber unseren notwendigen Beitrag wollen wir erbringen. Deshalb danke ich ganz ausdrücklich allen Fraktionen, die Anträge zur Bekämpfung dieses schrecklichen Verbrechens und zum Opferschutz vorgelegt haben. Ich hätte mir gewünscht,

dass wir es schaffen, einen interfraktionellen Antrag einzubringen. Leider ist das nicht gelungen. Wichtig ist aber, dass wir heute entsprechende Maßnahmen verabschieden.

Die Diskussion und die Anhörung im Ausschuss haben gezeigt, dass Niedersachsen bei dem Thema gut aufgestellt ist. Der Bekämpfung des Frauenhandels wird in Niedersachsen eine hohe Priorität eingeräumt. Es gibt eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Frauenhandel“, an der auch die Fachberatungsstellen beteiligt sind.

(Beifall bei der CDU)

Im Landespräventionsrat, dem 49 Institutionen angehören, wird das Thema Gewalt gegen Frauen, Menschen und Frauenhandel diskutiert. Darüber hinaus wird derzeit an einem Konzept zur Prävention Menschenhandel gearbeitet. Es werden kontinuierlich Verfahrensweisen überprüft, um die Bekämpfung des Menschenhandels zu verbessern.

Auch präventive Ansätze werden weiter entwickelt, insbesondere der notwendige Schutz und die Hilfen für die betroffenen Opfer. Trotz dramatischer Haushaltslage wurde der Haushaltsansatz von Sparmaßnahmen verschont und in diesem Jahr sogar um 77 000 Euro erhöht. Auf diesem Wege müssen wir fortfahren. Deshalb soll zur Optimierung der Arbeit der Ermittlungsbehörden eine Arbeitshilfe erarbeitet werden. Sie soll ein wichtiges Hilfsinstrument sein; denn für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution hängt viel davon ab, wie die an den Ermittlungen und am Verfahren beteiligten Personen mit ihnen umgehen und wie viel Verständnis und Einfühlungsvermögen ihnen entgegengebracht wird.

Es muss gewährleistet sein, dass bei Polizeikontrollen gezielt nach Hinweisen und Anzeichen gesucht wird, die auf Menschenhandel und Zwangsprostitution schließen lassen. Um allen Opfern von Menschenhandel in seinen vielfältigen Aspekten gerecht zu werden, wollen wir die derzeitigen Fortbildungsmöglichkeiten für Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafrichter intensivieren; denn ein Bewusstseinswandel aller Akteure ist dringend erforderlich. Weiter bitten wir die Landesregierung, im Rahmen der bestehenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Partnerregionen das Thema Menschenhandel aufzugreifen und die Beratungsstellen soweit wie möglich mit in diese Arbeit einzubinden.

(Beifall bei der CDU)

Wichtig für uns ist, dass die Frauen in ihrer Heimat über Zwangsprostitution informiert und aufgeklärt werden; denn 80 % der Prostituierten in Deutschland sind Migrantinnen. Man schätzt, dass jede Zweite zur Prostitution gezwungen wird. Hier muss Prävention ansetzen.

Die CDU-Fraktion begrüßt, dass die Landesregierung im Bundesrat Maßnahmen ergreift, die eine Bekämpfung des Menschenhandels zum Ziel haben; denn in erster Linie ist der Bund am Zug. Wir brauchen ein strafrechtliches Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Menschenhandels. Wir brauchen ein Gesetz zur Bestrafung der Freier, die sich ihr Vergnügen bei Zwangsprostituierten holen und damit die Ausbeutung dieser Frauen unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Die Bilanz des vor drei Jahren beschlossenen Prostituiertengesetzes hat gezeigt: Dieses Gesetz hat den Prostituierten nur minimale und den Zuhältern maximale Rechte verschafft. Durch dieses Gesetz ist die Strafverfolgung wegen Ausbeutungshandlungen an Prostituierten nahezu zum Erliegen gebracht worden. Hier brauchen wir - wie von Frauenorganisationen gefordert dringend Veränderungen. Wir brauchen die Wiedereinführung der Strafvorschrift gegen die Förderung der Prostitution.

Die CDU-Fraktion unterstützt, dass sich die Landesregierung für die Einführung einer Kronzeugenregelung für Menschenhandelsdelikte einsetzt; denn nur wenn es uns gelingt, die Strukturen der Menschenhändler aufzubrechen, können wir Menschenhandel und Zwangsprostitution mit Erfolg bekämpfen.

Meine Damen und Herren, die gequälten und geschundenen Frauen haben keine Stimme. Aber wir können ihnen eine Stimme geben, indem wir das Unrecht verfolgen und beim Namen nennen. Lassen Sie uns über alle Parteigrenzen hinweg an diesem wichtigen Thema arbeiten. Bitte stimmen Sie der Beschlussempfehlung zu. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal die Abgeordnete Leuschner zu Wort gemeldet. Sie hat noch eine Restredezeit von 2 Minuten und 58 Sekunden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Jakob, nach Ihren anfänglichen Ausführungen in der Sache, denen ich voll beipflichten kann, überrascht mich Ihr Änderungsantrag aber wirklich. Im Grunde genommen wird er der Sache der Frauen nicht gerecht. Sie schreiben in Ihrem Änderungsantrag: eine Arbeitshilfe zur Bearbeitung. - Warum sind Sie dann nicht gleich dem Antrag der Grünen, der auf eine Indikatorenliste abzielt, gefolgt? Das ist doch unsinnig!

Was die Weiterbildung angeht, fordern Sie eine Erhaltung der Mittel. Sie sollen nicht aufgestockt werden. Damit fordern Sie im Grunde genommen ein Festhalten am Status quo. Außerdem ist alles unter den Vorbehalt gestellt: Wir bitten die Landesregierung. - Wir handeln als Parlament. Wir bitten aber nicht die Landesregierung, im Endeffekt das zu tun, was wir schon vorher gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? - Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 22: Zweite Beratung: Das Präventionsprogramm PolizeiSozialarbeit erhalten! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1906 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport Drs. 15/2032

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Merk gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der knappen Zeit nur einige wenige Bemerkungen. Allerdings meine ich, dem Innenminister

und den die Regierung tragenden Fraktionen einiges ins Stammbuch schreiben zu müssen.

Herr Minister, ich habe selbst sehr viele Jahre im Justizministerium PPS gehabt und habe sie unterstützt, auch gerade deshalb, weil immerzu und ohne Wenn und Aber eine hervorragende Arbeit geleistet wurde. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die Opfer, denen es schlecht ging, die Betroffenen, die psychisch und physisch gelitten haben, wurden immer von PPS gestützt und begleitet und konnten dann in die normale Betreuung überführt werden. Das Programm, das der damalige CDU-Justizminister Schwind aus den USA mitgebracht und gut erkannt hatte, wurde von allen Ministern, sowohl von CDU- als auch von SPDMinistern, durchgängig getragen.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie nun wissen, wie gut diese Arbeit ist - zweieinhalb Jahre haben ja wohl genügt, um das zu erkennen -, und nachdem Sie auch wissen, wie die Bürgerinnen und Bürger zu PPS stehen, gehen Sie her und zerschlagen dieses Projekt. Das hat in Hannover bei Ihnen wohl schon Übung. Sie nennen es zwar immer Reform, aber letztlich ist es Auflösung, Zerschlagung und Schließung. Das ist Ihr Programm.

Herr Minister, in einer Situation, in der man gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese Arbeit hat, in der aber auch ständig lamentiert wird über die Konsequenzen, die Opfer zu erleiden haben, in der man also weiß, was geleistet worden ist, kann man nicht hergehen und diese Einrichtung schließen. Man kann nicht hergehen und den Mitarbeitern sagen: Schönen Dank, 25 Jahre sind genug, obwohl ich eure Arbeit wertschätze. Das hat nicht nur keine Logik, sondern das ist für diese Stadt und für dieses Land ein unerträglicher Vorgang, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Minister jammert wie wir alle über die Art und Weise, in der die Opfer derzeit immer wieder neue Opfer produzieren. Die steigenden Fallzahlen werden auch nicht von PPS einfach behauptet oder irgendwie statistisch geschönt, sondern sind wirklich eine volle, feste, klare statistische Größe. Und die Zahlen steigen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, wenn eine Leistung erbracht wird, die weit über das hinausgeht, was Prävention normalerweise bewirkt, sollte man sich dazu bekennen und das Projekt auch den Bürgern zuliebe tragen. Sonst werden wir in dieser Stadt sagen müssen: Ein gutes Programm, das seinerzeit von der CDU eingeführt wurde, wird nun von der CDU zerschlagen, zulasten der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere zulasten der Opfer. Auf die Frage, bei wem in diesem Lande die Opfer besser aufgehoben sind, werden wir dann sagen müssen: Damals waren sie zunächst bei der CDU und dann bei der SPD gut aufgehoben, aber auf diese neue Regierung können die Bürger offensichtlich nicht mehr rechnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ahlers das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl wegen der fortgeschrittenen Zeit als auch aufgrund der bisherigen Beratungsergebnisse werde ich mich relativ kurz fassen. Am 20. Mai 2005 wurde dieser Antrag der SPD-Fraktion vom Kollegen Bartling erstmals hier im Plenum vorgetragen und beraten. In seinen Ausführungen erklärte Kollege Bartling, er hoffe auf eine konstruktive Diskussion über dieses Thema im Ausschuss und könne sich deshalb kurz fassen. In der Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 24. Mai 2005 verwies Kollege Bartling jedoch darauf, dass in der Plenarsitzung im Mai alles Wesentliche bereits gesagt worden sei und er deshalb auf weitere Ausführungen verzichten wolle. Meine Damen und Herren, wenn Anträge so leidenschaftslos begleitet werden, frage ich mich, warum sie überhaupt gestellt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Weil die SPD-Fraktion sich aber am 20. Mai 2005 in der Neuen Presse detaillierter geäußert hatte, war es für die CDU-Fraktion wichtig, die geplante Beendigung der PPS in der ersten Beratung des Landtages entsprechend zu begründen. Ich möchte nachfolgend heute noch einmal verdeutlichen: Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im

Präventionsprogramm Polizei-Sozialarbeit haben sehr gute Arbeit geleistet.

(Heidrun Merk [SPD]: Ja, eben!)

Die Auflösung von PPS ist damit, Frau Merk, unbestreitbar ein Verlust, der jedoch aufgefangen und verkraftet werden kann. Sehr geschätzte Frau Kollegin Merk, aus dieser Feststellung resultiert die Frage, warum PPS überhaupt angetastet wird.

Meine Damen und Herren, Zielsetzung des 1979 eingerichteten Pilotprojektes war es, die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit in der Polizeidirektion Hannover zu erproben. Aber leider, Frau Merk, hat dieses Pilotprojekt keine Nachahmung gefunden, weder in Niedersachsen noch anderswo im Bundesgebiet. Auch wenn der Haushaltsansatz für PPS nur 400 000 Euro jährlich beträgt, müssen wir alle angesichts der gegenwärtigen Haushaltslage feststellen, dass diese Ausgaben nicht zu den Kernaufgaben des Landes zählen. Wenn der Landeshaushalt wirklich saniert werden soll, gehören ausnahmslos alle Ausgaben auf den Prüfstand. Weil verschiedene Finanzwissenschaftler und Gutachter nahezu jeden Tag fordern, der Staat solle sich auf seine Kernaufgaben beschränken, war es eine folgerichtige Entscheidung des Innenministers, im Landeshaushalt 2006 keine Haushaltsmittel für die PPS mehr einzustellen.

Liebe Frau Merk, was bedeutet dies für die Polizeidirektion Hannover?

(Heidrun Merk [SPD]: Mir geht es um die Bürger!)

Die Arbeitsabläufe in den Bereichen außerhalb von Hannover zeigen, dass die Aufgabenwahrnehmung auch dort funktioniert, wo die Sozialarbeit eben nicht in die Polizeiarbeit eingebunden ist. Schaut man über die Landesgrenzen hinaus, so stellt man fest, dass es auch in anderen Bundesländern gut funktioniert.

Wir, die Mitglieder der CDU-Fraktion, sind uns darin einig, dass die Polizei in Hannover hervorragend aufgestellt ist und ihre Aufgaben wie in den übrigen Landesteilen auch zukünftig verantwortungsvoll wahrnehmen wird. Meine Damen und Herren, für die Bereiche Opferhilfe, Familienberatung oder Betreuung von Menschen in psychischen Notsituationen gilt immer: Unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort sind gefordert, denn nur sie stellen den Kontakt zu den regi

onalen Netzwerken mit professionellen Einrichtungen her. Die Betroffenen erhalten nicht nur kurzfristig schnelle Hilfe, sondern in Fällen von häuslicher Gewalt wird beispielsweise ein Kontakt zu den Beratungs- und Interventionsstellen hergestellt.