Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Wer von uns hat Rauchmelder zu Hause? - Ein Großteil der Anwesenden wird sie nicht haben. Ich gehe davon aus, dass Menschen in erster Linie für sich selber verantwortlich sind und erst in zweiter Linie Gesetze kommen müssen, um ihnen zu zeigen, wo es langgehen muss. In erster Linie ist jeder selbst für sein Leben und für das seiner Familie verantwortlich. Bauvorschriften, Bürokratismus, der überprüft werden muss, Schornsteinfeger, die durch mein Schlafzimmer gehen müssen, um nachzusehen, ob die Batterien noch funktionie

ren - all das will ich nicht. Dafür bin ich selber verantwortlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch wenn Sie mir mein Redekonzept kaputtgemacht haben,

(Heiterkeit - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das war aber sehr gut!)

will ich noch auf die befristete Aussetzung des § 44 Abs. 3 Satz 2 eingehen. Die alte Niedersächsische Bauordnung verlangt es, dass jede achte Wohnung rollstuhlgerecht gebaut werden sollte. Ich persönlich kann eine so hohe Zahl von Rollstuhlfahrern in Niedersachsen nicht wahrnehmen. Gleichwohl unterstütze ich selbstverständlich - hier darf gar kein Irrtum aufkommen -, dass behindertengerechte Wohnungen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen müssen. Nur, grundsätzlich - das habe ich gerade schon zum Ausdruck gebracht - bin ich ein Gegner davon, Dinge gesetzlich zu regeln, die auch ohne Gesetze funktionieren können.

(Uwe Harden [SPD]: Das bin ich auch! Aber in diesem Falle funktionieren sie nicht!)

Wir sind nunmehr zu der Überzeugung gekommen, dass wir eine freiwillige Selbstverpflichtung des Verbandes der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen Vertrauen schenken wollen und diesen Paragrafen für vier Jahre aussetzen wollen. Ich als Liberale vertraue auf die marktwirtschaftlichen Kräfte, die dafür sorgen werden, dass dem zunehmenden Anteil an Alten und Gebrechlichen ein angemessenes Wohnangebot zur Verfügung steht. Wir alle wissen, welche Marktmacht die ältere Generation bereits heute hat und wie sich diese weiterentwickeln wird. Die Wohnungswirtschaft wird schon im eigenen Interesse darauf reagieren. Zur Absicherung unserer Entscheidung haben wir immerhin die Selbstverpflichtung.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss.

Ich erwarte insgesamt im Interesse der Menschen, die auf besonders ausgestaltete Wohnungen angewiesen sind, dass sich diese unsere Entscheidung positiv auf ihre Situation auswirkt. Bereits bei dem Gesetzgebungsverfahren zur NBauO 2002 war es das Interesse der damaligen Regierung, dass behinderte Menschen in ihrer gewohnten

Lebensumgebung bleiben können. Wie das mit einer Neubauvorschrift zusammenzukriegen ist, ist für mich nicht ganz einzusehen. Ich halte es nicht für wünschenswert, einen Menschen, der behindert ist, auf ferne Neubausiedlungen zu verweisen.

Frau Peters, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen!

Lassen Sie mich bitte noch den letzten Satz sagen. - Unsere Regelung kann und wird dazu führen, dass ein Großteil der Betroffenen in den eigenen vier Wänden bleiben kann, die speziell für sie angepasst werden, sodass sie ihr soziales Umfeld nicht verlassen müssen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Beckmann von der CDU-Fraktion, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Harden, ich habe mich eigentlich über die Beratungen gefreut, die wir im Sozialausschuss geführt haben, weil sie sehr sachlich und immer am Thema orientiert waren. Wenn Sie hier mit einer solchen Polemik aufwarten,

(Uwe Harden [SPD]: Das ist keine Polemik gewesen!)

dass wir dann, wenn wir in der Bauordnung nicht das umsetzen, was Sie sich vorgestellt haben, 30 Menschenleben auf dem Gewissen haben, dann rufe ich in Erinnerung, dass Sie 13 Jahre lang in diesem Lande Regierungsverantwortung getragen haben. Wenn ich diese 13 Jahre mit 30 multipliziere, dann sind es 400 Menschenleben, die Sie auf dem Gewissen hätten. - So kann man in diesem Landtag doch nicht argumentieren! Ich finde das unglaublich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Baurecht muss natürlich hin und wieder der Zeit angepasst werden. Es ist unsere Aufgabe, dies in Abständen zu tun. Das ist kein Selbstzweck und

auch kein Aktionismus. Gerade im Baurecht geht es darum, Investitionen zu erleichtern und damit die Konjunktur anzukurbeln. Nur dadurch werden Arbeitsplätze geschaffen. Diesem Ziel hat sich alles andere unterzuordnen. Ich möchte hierbei feststellen, dass es uns auch diesmal - da beziehe ich Herrn Harden mit seiner Position ausdrücklich mit ein - bis auf eine Ausnahme gelungen ist. Da wir die Beratungen an der Sache orientiert geführt haben, bedauere ich es ausdrücklich, dass Sie heute hier erklärt haben, dass Sie der Änderung der Niedersächsischen Bauordnung in ihrer Gesamtheit nicht zustimmen wollen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in der Kürze der Zeit möchte ich nur auf zwei wesentliche Punkte eingehen.

Alle sind sich hier einig, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, die es ermöglichen, dass behinderte Menschen Wohnungen finden, in denen sie trotz ihrer Behinderung möglichst ohne fremde Hilfe leben können. Diesen Hintergrund hatte die im Dezember 2002 in Kraft getretene Niedersächsische Bauordnung. Auch nach der beabsichtigten Änderung bleibt es dabei: In Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei errichtet werden.

Für Rollstuhlfahrer wurde eine, wie ich meine, beispielhafte Lösung gefunden. Ausgehend von der Tatsache, dass die rollstuhlgerechten Wohnungen selten dort errichtet worden sind, wo sie gebraucht wurden, haben wir nach einer praktikableren Lösung gesucht und sie im Zusammenwirken mit der Wohnungswirtschaft auch gefunden. Die Lösung ist: Der § 44 Abs. 3 Satz 2 wird für den Zeitraum von vier Jahren außer Kraft gesetzt, weil die Wohnungswirtschaft eine Selbstverpflichtung dergestalt abgegeben hat, dass überall dort, wo Menschen wohnen, die auf rollstuhlgerechte Wohnungen angewiesen sind, durch Aus-, Um- oder Neubau geholfen wird. Konkret heißt das auch: Es kann individuell auf die Bedürfnisse der behinderten Menschen eingegangen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Behinderung wird da gelindert, meine Damen und Herren, wo Behinderung vorhanden ist. Wir wollen uns nicht mehr am Objekt, sondern an den Bedürfnissen der behinderten Menschen orientieren. Das

ist die Botschaft, meine Damen und Herren, die wir mit diesem Paragrafen aussenden wollen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Polat?

Herr Beckmann, Sie sagten gerade, Sie haben eine beispielhafte Lösung in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft gefunden. Normalerweise hört man, wenn man eine Änderung des Gesetzentwurfs vornimmt, beide Seiten an. Warum haben Sie im Ausschuss die Stellungnahme des Landesbehindertenbeauftragten abgelehnt?

Wir waren in der Beratung sehr weit. Wir haben uns bei allen informiert, wie Sie es auch getan haben. Der Sozialverband, der eine 100prozentige Tochter hat, nämlich Reichsbund Wohnungsbau, hat uns geschrieben: Wir unterstützen insofern auch die durch unseren Verband angedachte Verpflichtung der Wohnungsunternehmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist das Unternehmen, das die Behinderten in ganz Deutschland vertritt. Das ist doch wohl Aussage genug!

Meine Damen und Herren, mit dieser Änderung haben wir das Problem gelöst. Ich danke der Wohnungswirtschaft, dem VDW und Haus & Grund Niedersachsen, ausdrücklich für diese Selbstverpflichtung. Ich glaube, das ist einmalig.

Meine Damen und Herren, das zweite Thema waren die Rauchmelder. Mit der Drucksache 1615 wollen Sie von der SPD-Fraktion diese Rauchmelder in allen Schlafzimmern, Kinderzimmern und Fluren im Gesetz verankern. Auch ich habe mich aufgrund eines tragischen Unglücksfalls mit diesem Thema im Herbst 2002 auseinander gesetzt. Unter anderem habe ich damals in einer Kleinen Anfrage wissen wollen: Wie beurteilt die Landesregierung die Installation von Rauchmeldern in privaten und öffentlichen Neubauten? Wie beurteilt sie es, dass das gesetzlich vorgeschrieben werden

soll? - Nun wird deutlich: So einfach, wie sich Ihr Gesetzentwurf liest, ist das Thema nicht zu behandeln. Das vom Kollegen Heiner Bartling damals geleitete Innenministerium antwortete mir - nachzulesen in der Drucksache 3801 -:

„Um eine sichere Alarmierung ständig gewährleisten zu können, bedürfen die Rauchmelder einer ständigen Wartung und Instandhaltung.... Würden Rauchmelder gesetzlich für Wohnungen vorgeschrieben, könnte aufgrund der gewollten sicherheitstechnischen Bedeutung von Rauchmeldern die Wartung und Instandhaltung kaum allein dem Eigentümer oder dem Mieter überlassen bleiben, insbesondere dann nicht, wenn der Einbau nicht freiwillig und aus Überzeugung erfolgt.... Um sicherzustellen, dass die gesetzlich geforderte Frühwarneinrichtung auch jederzeit funktioniert, müssten (kostenpflichtige) wiederkehrende Prüfungen durch Bauaufsichtsbehörden oder Sachverständige/Sachkundige vorgesehen werden, welche das Bauordnungsrecht bisher nur für Sonderbauten vorgesehen hat. Dies bedeutet einen Systembruch, stellt das bisherige Sicherheitskonzept infrage und bewirkt eine Verschärfung der Anforderungen...

Für die Bauaufsichtsbehörden würden sich im Falle einer gesetzlichen Vorgabe zusätzliche Tätigkeiten aus ihren Überwachungsaufgaben aufgrund von Beschwerden und Eingaben über fehlende sowie nicht oder falsch funktionierende... Rauchmelder und den daraus resultierenden ordnungsrechtlichen Maßnahmen ergeben....

Einer Einbaupflicht für bestehende Gebäude könnte auch das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht und daraus abgeleitet der Bestandsschutz entgegenstehen,“

(Uwe Harden [SPD]: Völliger Quatsch! - Gegenruf von Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat damals Herr Bartling geschrieben!)

„der nach herrschender Rechtsprechung nur zur Abwehr einer erheblichen (konkreten) Gefahr aufgehoben werden kann. Diese Gefahrenlage liegt jedoch nicht vor.

Die Landesregierung“

- Ministerpräsident Sigmar Gabriel und Minister Heiner Bartling

„beabsichtigt daher nicht, eine gesetzliche Verpflichtung zur Installation von Rauchmeldern in Wohngebäuden, die keine Sonderbauten sind, herbeizuführen.“

(Uwe Harden [SPD]: Ich habe Ihnen ja gesagt, dass in den letzten drei Jah- ren Verbesserungen eingetreten sind!)

Herr Harden, die CDU-Landtagsfraktion hält die Argumentation der vorherigen, von Herrn Gabriel geführten Landesregierung für schlüssig und schließt sich dieser Position nachhaltig an.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Harden [SPD]: Die ist aber über- holt!)

Jetzt erteile ich Frau Ministerin von der Leyen das Wort.