Was nun die innere Schulreform angeht, so gibt es einige Prinzipien, die schon von Anfang an greifen,
ganz im Gegensatz zu anderen Dingen, die jetzt erst aufgebaut werden. Eines dieser wichtigen Prinzipien ist der freie Elternwille in Bezug auf die Schulwahl. Er ist aber in ein komplexes System der Beratung eingebunden, steht also nicht losgelöst da. Ferner gibt es das Prinzip der Durchlässigkeit mit einem geregelten Rechtsanspruch auf einen Schulwechsel - bei entsprechendem Notenbild; das ist klar. Dadurch steigen auch im dreigliedrigen Schulwesen die Chancen auf eine individuelle Leistungsentwicklung des einzelnen Schülers.
Wir haben auch mehr Hochbegabtenförderung. Es gibt inzwischen 50 Hochbegabtenverbünde. Besonders bemerkenswert daran ist, dass wir inzwischen 30 Kindertagesstätten eingebunden haben. Daran können Sie erkennen, dass das Bildungskonzept der Landesregierung ganzheitlich ausgerichtet ist und alle Altersstufen und alle Bildungsniveaus gleichermaßen umfasst, getreu dem Motto: Niemand soll verloren gehen.
Wir haben Vergleichsarbeiten, Abschlussarbeiten und auch das Zentralabitur installiert. Das mochten Sie ja nie so richtig, weil Sie nicht so viel für Zensuren übrig haben. Damit haben wir überhaupt erst einmal Maßnahmen zur Qualitätsmessung eingeführt; denn - so frage ich gerade die Kritiker -: Wie wollen Sie eigentlich fortlaufend etwas verbessern, wenn Sie nicht einmal die Unterschiede messen können? - Dieser Schritt war also längst überfällig, und die Landesregierung ist ihn gegangen.
Sie merken, der Anspruch, den Sie in Ihrem Antrag „Qualität an den niedersächsischen Schulen weiterentwickeln und sichern!“ formuliert haben - auch wenn Sie es etwas anders gemeint haben -, wird fortlaufend in einem Gesamtsystem in Politik umgesetzt.
Sie erinnern sich sicherlich auch an das inzwischen angelaufene Profilierungsprogramm für Hauptschulen und - das sage ich jetzt, weil mir alle Schulformen gleichermaßen wichtig sind für Gymnasien. Für mich ist z. B. die Oberstufenreform solch ein Profilierungsprogramm. Was wir für alle Schulformen und für alle Schüler wollen, ist, dass die Berufs- und Ausbildungsfähigkeit bzw., sofern es um das Abitur geht, die Studierfähigkeit verbessert bzw. gewährleistet wird.
Ich sage: CDU und FDP sind im Gegensatz zu der Politik der vergangenen zehn oder 15 Jahre ganz wesentliche Schritte gegangen.
Das ist mir persönlich auch ein Herzensanliegen. Ich möchte allen Kultusministern der kommenden Jahrzehnte ins Stammbuch schreiben: Jeder Abschluss, den wir in Niedersachsen an Schüler vergeben, muss auch zu dem befähigen, wozu er berechtigt. Da gibt es nämlich eine Diskrepanz.
In der vorschulischen Bildung greift auch die Komplexität des Gesamtanspruchs an Bildungsentwicklung, nämlich mit Sprachförderung, mit Orientierungsplan sowie mit Blick auf die Ausbildung der Erzieherinnen. Bei der Verbesserung der Schulbildung hier geht es um den Schuleintritt. Aber genauso haben wir derzeit die Reform der Lehramtsausbildung im Blick. Wir sind nämlich der Meinung - all das gehört zur Verbesserung der Qualität der Schulbildung in Niedersachsen, Frau Korter -, dass sich sämtliche Bildungsbemühungen erst dann nachhaltig auswirken, wenn auch die, die andere bilden sollen, selbst richtig auf ihre Aufgaben vorbereitet sind.
Jetzt noch kurz zu der Eigenverantwortlichen Schule. Die Eigenverantwortliche Schule ist in meinen Augen kein Allheilmittel, aber sie ist ein ganz wichtiger Baustein in dem Gesamtsystem der Reformierung und der Verbesserung der Bildung in Niedersachsen. Wenn wir - deswegen heißt sie „Eigenverantwortliche Schule“ und nicht „Selbstständige Schule“; das ist kein Zufall - die eigene Verantwortung der einzelnen Schule für die Ergebnisse ihrer Bildungsarbeit stärken und wenn wir ihnen größere Entscheidungsspielräume für eigene Konzepte einräumen, dann müssen wir ihnen - weil die Grundlage für die Veränderung ihrer Bildungsarbeit die Ergebnisse der Schulinspektion und eigene Evaluationen sind - auch ein Beratungs- und Unterstützungssystem an die Seite stellen;
denn der, der gefordert wird, darf nicht allein gelassen werden. Darin, Frau Korter, sehe ich eine wichtige Aufgaben der Schulinspektion. Der Schulinspektion kommt eigentlich eine Doppelfunktion zu: bei Schwächen Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten und diese dann mit den Schulen gemeinsam umzusetzen. Wenn das ge
lingt, ist das eine hervorragende Sache. Vielleicht gelingt es noch besser, wenn Sie uns unterstützen.
Besonders erfreulich, liebe Kolleginnen und Kollegen, fand ich den Eindruck, den ich in der letzten Woche bei dem Hearing zur Eigenverantwortlichen Schule gewinnen konnte.
Bei nahezu allen Teilnehmern war eine ausgesprochen positive Stimmung gerade auch im Hinblick auf die noch offenen Fragen, auf die noch im Raum stehenden Probleme zu verspüren: Welche Probleme sieht man insgesamt? Wie geht man mit den erwarteten Pflichten um? Wie ist die Rolle von Schulleitern und Gesamtkonferenzen zu sehen? Der Minister hat davon gesprochen, dass eine Neuordnung der Zuständigkeiten ins Auge gefasst wird. Es wurden auch Erwartungen an eine erfolgreiche Umsetzung artikuliert. Aber eines wurde immer wieder deutlich: Niemand hat mehr gefragt, ob Eigenverantwortliche Schule, sondern immer nur, wie Eigenverantwortliche Schule. Das ist ganz wesentlich.
Natürlich gehört zu diesen wichtigen Detailfragen auch die Frage des Tempos der Umsetzung. Mir persönlich hat gut gefallen, wie Herr Professor Schratz von der Universität Innsbruck - dort zuständig für die Lehrerausbildung - die Eigenverantwortliche Schule charakterisiert hat. Er hat gesagt, dass dort die Distanz zwischen dem theoretischen Anspruch von Schule, der ja immer vorhanden ist, und dem, was in den Köpfen der einzelnen Schüler vorgeht, konsequent und auf allen Ebenen durchbrochen würde, sodass dieses System Erfolg haben könnte. Das fand ich sehr beeindruckend.
Noch beeindruckender war für die wenigen von Ihnen, die da waren, die regelrechte Begeisterung, mit der viele Schulleiter ihre Erfahrungen ins Feld geführt haben. Ich muss sagen: Mit dem Ausmaß der Freude, mit der dort diskutiert worden ist, habe ich nicht gerechnet. Für mich ist gerade durch dieses Hearing, das Herr Jüttner gestern noch kriti
siert hat, ganz deutlich geworden: Hier macht eine Landesregierung Politik mit den Beteiligten, nicht gegen sie.
Eines wurde wieder spürbar, und das halte ich für außerordentlich, auch wenn es Sie nun gerade stören mag.
Mein letzter Satz! - Es gibt sie noch, die Aufbruchstimmung in Niedersachsen für unsere Reform der Bildungspolitik. Das ist großartig. Deshalb bitte ich Sie, die Änderungsempfehlung des Kultusausschusses zu unterstützen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Tage Hearing und eine Aktuelle Stunde zum Thema „Eigenverantwortliche Schule“ haben deutlich gemacht, dass im Ziel große Einigkeit besteht. Im Ziel besteht diese Einigkeit auch mit der SPD-Fraktion.
Bei dem Hearing wurde aber auch deutlich - das ist vielleicht nicht ganz so klar geworden -: Bei der Frage nach dem Weg dorthin gibt es diese Einigkeit keineswegs. Da gibt es sogar große Unterschiede, und der nächste Streit ist vorprogrammiert. Das muss gar kein Streit mit uns sein, aber er kommt. Ich sage Ihnen auch gleich, warum.
Zunächst zu den Gemeinsamkeiten. Es mag zwar unterschiedliche Nuancen bei der Ausfüllung der Begriffe „Autonomie“, „Selbständigkeit“ oder „Eigenverantwortlichkeit“ geben. Das ist aber nichts Grundsätzliches, sondern das ist politische Semantik; das muss jetzt halt anders heißen. Es gibt bei der SPD sogar eine gewisse Genugtuung, dass ein von der Vorgängerregierung im Grundsatz wie in vielen Details vorbereiteter Weg - ich denke z. B. an die Broschüre „Niedersachsen
macht Schule mit der Selbstständigen Schule“ weiter beschritten wird. Die bei dem Hearing häufig gelobten schon bestehenden Versuche wie z. B. ProReKo stammen ja sämtlich aus der SPDRegierungszeit.
Dann gab es einen Antrag der SPD zu diesem Thema und einen Änderungsvorschlag der CDU, über den heute als Beschlussempfehlung des Ausschusses abgestimmt wird. Es gab einen Abschlussbericht der Arbeitsgruppe an den Minister, in dem einige Fragen ungeklärt blieben, und es gab einen Antrag der Grünen zur Schulinspektion. Zu der Gesamtproblematik gab es das erwähnte Hearing.
Entscheidend ist: Die Meinungen der Experten zu diesen Fragen waren wieder höchst unterschiedlich. Während für die einen die Stärkung der Schulleiterposition im Vordergrund stand, sahen andere genau darin ein Problem. Während die einen vehement für die Beibehaltung der Gesamtkonferenz und ihrer demokratischen Rechte fochten, sahen andere in ihr ein Überbleibsel der alten Schule, durch das Fortentwicklung behindert wird. Während die einen die Ziele sehr deutlich auf die Qualitätsentwicklung des Unterrichts begrenzt wissen und jede Einzelmaßnahme daraufhin prüfen wollten, ob sie diesem Ziel diene, sahen andere dies als unzulässige Einengung und den Umbau der Schulaufsicht bis hinein in die Ebenen des Ministeriums selbst als notwendige Konsequenz. - Zu all diesen Fragen gab es und gibt es keine Klarheit.
Während die finanzpolitische Vorgabe lautet, es solle keine Mehrausgaben bei Land und Kommunen geben, wurden Sie, Herr Minister Busemann, von praktisch jedem einzelnen Experten darauf hingewiesen, dass ein so grundsätzlicher Umbau schulischen, Unterrichtsund Verwaltungshandelns ohne entsprechende Ressourcen, ohne entsprechende Unterstützungssysteme, z. B. für Fortbildung, nicht vorstellbar ist.
Und was sagen Sie, Herr Minister, zu diesen Gegensätzen? Sie sagen: Wir sind uns im Ziel ja alle einig.
(Ursula Körtner [CDU]: Was? Das be- gründen Sie mal! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das konstruieren Sie!)
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie kon- struieren hier etwas, so wie es Ihnen gerade einfällt! Das hat doch mit der Sache gar nichts zu tun!)
Herr Kultusminister, Sie haben die grundsätzliche Zustimmung zur Kenntnis genommen. Das sei Ihnen gegönnt. Aber einen eigenen Beitrag zur Lösung der Widersprüche haben Sie an keiner Stelle geleistet.