Protokoll der Sitzung vom 24.06.2005

Herr Minister Sander, Sie nennen es eine Ideologiedebatte, aber Deutschland ist bei der Zukunftstechnologie Weltmarktführer. Ein paar Zahlen: Bei der Windenergie exportieren wir 51 %. Bei der Solarenergie haben wir Japan abgehängt und sind Weltmarktführer. Im Bereich der Bioenergie haben wir in Europa die meisten Flächen für nachwachsende Rohstoffe. Das haben wir u. a. über die Gesetze der Bundesregierung erreicht, die Sie immer diskreditieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir wie Sie auf den Ausbau der Kernenergie gesetzt hätten, wenn wir wie Sie China und Japan bereist hätten und Niedersachsen nicht nur für Bayern und Baden-Württemberg als Atomklo anbieten würden - wie Sie das ja für Ihre Aufgabe halten -, sondern auch noch weltweit Atommüll nach Niedersachsen geholt hätten, dann hätten wir in Niedersachsen mehr als 100 000 Arbeitsplätze weniger im Bereich der erneuerbaren Energien und nicht mehr, wie das heute der Fall ist. Sie betätigen sich in diesem Bereich als Arbeitsplatzvernichter!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens hat nicht nur Herr Minister Hirche in der Neuen Presse angekündigt, er sei für den Ausbau von Kernkraftwerken, sondern auch die Sächsische Landesregierung hat gerade offen erklärt, dass sie für den Neubau eines Atomkraftwerkes eintritt.

(David McAllister [CDU]: SPD!)

- Ich habe gehört, dass derjenige, der das gewesen ist, offensichtlich Ihrer Partei angehört und nicht unserer. Sie können ja mal nachfragen.

(David McAllister [CDU]: Sie regieren doch mit!)

- Deswegen wird es auch nicht dazu kommen. Da können Sie sicher sein. Insofern ist auch eine Minderheitenbeteiligung manchmal ganz gut. Aber bei Ihnen verschlimmert das die Politik.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke verlängern, Herr Kollege Sander, dann verhindern Sie 10 Milliarden Euro Investitionen, die die Energieindustrie für erneuerbare Energien zugesagt hat, und 9,3 Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur. Das sind 20 Milliarden Euro, die Sie in den Wind schreiben. Und dann behaupten Sie, Sie wollten in Deutschland etwas für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit tun? - Das Gegenteil ist der Fall. Sie vernichten in diesem Bereich Arbeitsplätze.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nach Auffassung der Experten geht es um 130 000 Arbeitsplätze. Die FAZ hat am 6. April dieses Jahres sogar von 370 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen bis ins Jahr 2020 gesprochen. Das ist das Ergebnis der Energiepolitik, die wir betreiben.

Der Kollege Thiele hat etwas zur Versorgungssicherheit gesagt. Lieber Herr Kollege Thiele, in Deutschland haben wir - ohne dass das Schwierigkeiten bereitet - im Jahr Ausfälle von 15 Minuten. Das ist die geringste Ausfallquote in ganz Europa.

(Zurufe von der CDU)

In Ländern mit einem höheren Anteil von Atomkraft - wie Großbritannien oder Frankreich - liegt der Ausfall bei 85 bzw. 65 Minuten. Ohne den Zuwachs bei den erneuerbaren Energien hätte Deutschland den Franzosen in diesem Winter keinen Strom liefern können, als ihnen wegen der vielen Stromheizungen aufgrund des Atomstroms in Frankreich das Netz zusammengebrochen ist. Wir haben im Winter mit den erneuerbaren Energien Strom nach Frankreich gebracht, weil dort die Netze zusammengebrochen sind. Das ist die Realität in Deutschland!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin gespannt, wie es mit Ihren theologischen Glaubenssätzen aussieht, wenn in diesem Jahr in Frankreich wegen Niedrigwasserstand an der Rhône die Kapazitäten der dort stehenden Atomkraftwerke heruntergefahren werden müssen und Deutschland mit erneuerbaren Energien wieder die Energiesicherheit Frankreichs gewährleistet.

Herr Kollege Gabriel, Ihre Zeit ist um.

Mal sehen, wie dann Ihre Antwort zu diesem Thema lautet. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Ulf Thiele für drei Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gabriel, dass ich das noch einmal erleben darf - -

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Ich muss das Mikrofon etwas hochfahren, Sie sind so kurz.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Ich habe nicht „klein“ gesagt, sondern kurz.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Es kommt nicht auf die Körpergröße an! Das merkt man bei Ihnen! Das ist das Problem!)

- Das mag sein. - Herr Gabriel, dass ich das noch einmal erleben darf, dass Sie spontan in die Debatte gehen, im Tal der Arbeitslosen - im Moment im Tal der Ahnungslosen, demnächst in Berlin dann wohl auch im Tal der Arbeitslosen - versinken und sich bis auf die Knochen politisch blamieren,

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Sie müs- sen doch kein Selbstbekenntnis ab- liefern, Herr Thiele! Das mag ja für Sie zutreffen!)

weil Sie es nicht einmal schaffen, festzustellen, dass Netzzusammenbrüche in aller erster Linie mit der Stabilität des Netzaufbaus und der Netzstrukturen zusammenhängen und dass wir in Deutschland bisher in diesem Bereich einen Riesenvorteil hatten. Durch das Thema Windenergie - so wie es jetzt konzipiert wird -,

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Das ist Legende! - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sind auch ein Theologe! Welcher Sekte gehören Sie denn an?)

durch die Standortfrage, durch die Netzschwankungen bekommen wir Riesenschwierigkeiten. Alle Netzbetreiber sagen, dass sie dies vor unglaubliche Herausforderungen stellt. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Ich finde es tragisch, dass Sie als gerade neu erklärter energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion dieses Faktum einfach ausgeblendet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Dehde [SPD]: Ja, genau!)

Herr Dehde, ich möchte Ihnen noch kurz etwas zum Thema Energiepreisentwicklung sagen. Sie blenden ja auch solche Themen aus. Sie schimpfen auf Kapitalisten, auf Konzerne; Sie sagen, dass die sich nur Gewinne einstecken.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Genau das Gegenteil ist der Fall! Die mittel- ständische Wirtschaft ist es, die wir unterstützen!)

Sie nehmen nicht zur Kenntnis - auch Herr Gabriel nicht -, dass ein Mehr an Investitionen in unsere Energieinfrastruktur zulasten des Strompreises geht und automatisch die Energiekosten in Deutschland weiter erhöht.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Und 100 000 Arbeitsplätze vernichtet!)

Das ist ein Standortnachteil. Wissen Sie was, Herr Dehde? Wenn Sie Recht hätten, dann könnte Ihre Bundesregierung ein milliardenschweres Investitionsprogramm bis dorthinaus fahren, und wir hätten in Deutschland keine Arbeitslosigkeitsprobleme mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Aber ich will Ihnen, weil Sie vorhin so nett mit der IHK Ostfriesland argumentiert haben, einmal ein

Zitat des Geschäftsführers der IHK Hamburg vorhalten,

(Sigmar Gabriel [SPD]: Hamburg ge- hört aber nicht zu Niedersachsen!)

der schlicht wiedergegeben wird mit den Worten: Das größte Problem sei die Energiepolitik in Deutschland, die nicht ausreichend als Standortpolitik erkannt wurde. Schon vor zehn Monaten habe die Handelskammer Hamburg darauf hingewiesen, was für Probleme durch die hohen Energiekosten auf uns zukämen. Das Ergebnis würde man heute erleben. - Nämlich Standortschließungen in der Stadt, und das Gleiche erleben wir heute in Stade. Sie machen Politik gegen Arbeitsplätze in Niedersachsen und gegen die Menschen in Niedersachsen. - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Rösler das Wort für zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Gabriel, sehr geehrter Herr Kollege Dehde, bei dem Wind, den Sie hier machen, ist klar, warum Sie weiterhin auf die Windenergie setzen wollen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Jungchen, Jungchen!)

Herr Gabriel, wenn Sie am Mittwoch da gewesen wären, dann hätten Sie die Diskussion über Arbeitsplätze verfolgen können. Aber als wir über Arbeitsplätze und Energiepolitik geredet haben, war Ihnen das ja nicht so wichtig. Deswegen noch einmal zur Erinnerung: Wir haben hier in Niedersachsen, bei dem Aluminiumwerk in Stade, ein ganz aktuelles Beispiel, das zeigt, wie Ihre rotgrüne Energiepolitik 450 Arbeitsplätze auf einen Schlag vernichten kann. Das scheint an Ihnen vorbeizugehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Klaus-Peter Dehde [SPD]: Die sehen das anders!)

Herr Janßen, ich frage mich, was Ihnen die Region Stade eigentlich Schlimmes angetan hat.