Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, Ihr Antrag zeigt mir, dass es wieder einmal Zeit ist, Ihnen einige grundlegende Tatsachen zu erläutern.
Vorweg möchte ich allerdings auf die gestrige Rede Ihres ehemaligen Fraktionsvorsitzenden, Herrn Gabriel, zurückkommen. Obwohl er, so habe ich nachgelesen, Lehramt studiert hat, ist das mit dem Rechnen so eine Sache. Er sagte gestern: 1 % weniger Sozialabgaben sind bei 13 Euro Bruttostundenlohn 3 Cent. Ich sage: 13 Cent!
Das wurde übrigens in einer Zusammenfassung gesagt, die darauf hinausläuft: Es sind ja nur 3 Cent. 13 Cent! Nicht nur die Brutto-Netto-, sondern auch die Prozentrechnung müssen wir jetzt langsam mal lernen.
Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, lieber Herr Lenz, Sie wissen, dass ich Sie schätze. Aber nehmen Sie doch bitte endlich einmal zur Kenntnis, dass 99 % aller Unternehmen in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen sind.
Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass über 75 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und über 80 % aller Auszubildenden in diesen Unternehmen ihren beruflichen Weg finden und ihn dort auch gehen.
Nehmen Sie bitte weiterhin zur Kenntnis, dass in diesen Unternehmen ein ganz anderer, viel persönlicherer Umgang zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorherrscht. Dort gibt es keine Kampfparolen, dort gibt es auch keine Kapitalismusdebatte. Dort wird ganz einfach gemeinsam gearbeitet.
Erst dann, wenn Sie diese Erkenntnisse gewonnen haben, werden Sie verstehen, welche großen Probleme die 99 % der deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer haben,
diese tragende Säule der Gesellschaft. - Da gibt es nicht viel zu lachen. Wenn Sie 99 % des deutschen Unternehmertums hier auslachen - - - Ich
weiß nicht, wo das eben herkam. - Diese tragende Säule unserer Gesellschaft braucht Reformen so dringend wie die Luft zum Atmen.
50 % der Kleinstunternehmen in Niedersachsen - das sind etwas über 100 000 Betriebe mit einem bis fünf Mitarbeitern - haben entweder kein oder ein Minus-Eigenkapital. Die sind schon gar nicht mehr handlungsfähig, und das heißt, sie sind auch bald pleite.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das Ergebnis ist Angst: nicht nur davor, den Arbeitsplatz zu verlieren, sondern besonders davor, keinen neuen zu finden. Doch anstatt Reformen anzustoßen, wird diese Angst ausgenutzt, um Stimmen zu gewinnen. Bitte hören Sie endlich damit auf zu behaupten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Kündigungsschutz und Arbeitslosigkeit. Wir sagen, flexible Arbeitsmärkte stärken die soziale Marktwirtschaft und bringen Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt.
- Jawohl! - Sie wollen Arbeitnehmerrechte verteidigen. So formulieren Sie Ihren Antrag. Wir wollen Jobs für Arbeitssuchende; denn, meine Damen und Herren, ein Arbeitsplatz ist die beste Sozialpolitik.
Danke schön, Herr Kollege Hermann. - Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Möhrmann das Wort für zweieinhalb Minuten. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland ist mit den Einheitsgewerkschaften, mit der betrieblichen Mitbestimmung und mit dem Betriebsverfassungsgesetz einen guten Weg gegangen. Wir
Meine Damen und Herren, wer sich dann hier hinstellt wie der Kollege Matthiesen, der, soweit ich gehört habe, ja Mitglied der CDA sein soll, und eine Rede hält, als ob er sich dafür bewirbt, beim BDI eingestellt zu werden, der muss sich nicht wundern, wenn dieses Prinzip der Bundesrepublik Deutschland infrage gestellt wird. Sie legen hier die Axt an ein wirklich wichtiges grundsätzliches Übereinkommen, das wir seit der Gründung der Bundesrepublik gepflegt haben. Wir alle kennen Weimar, und wir wissen, wohin es geführt hat, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU - Da- vid McAllister [CDU]: Also jetzt mal ein bisschen runter!)
Herr Matthiesen, wenn Sie denn hier so schlicht behaupten - weil wir kurz vor der Bundestagswahl sind -, es gebe in Niedersachsen Betriebe, bei denen man nur eingestellt werden könne, wenn man in der SPD und in der IG Metall ist, dann will ich Ihnen dazu sagen: Gucken Sie sich nur den Betrieb „5000 mal 5000“ an! Sie wissen ganz genau, dass Sie eine Rede aufgeschrieben bekommen haben, die Sie halten mussten, weil am Sonntag Bundestagswahl ist.
Meine Damen und Herren, interessant ist ja auch, dass Herr Matthiesen mit keinem Wort darauf eingeht, welche Zusagen die Wirtschaft bei den Abschmelzungen beim Kündigungsschutz, die in den vergangenen Jahren schon vorgenommen worden sind, gemacht hat. Jeder Betrieb kann heute jeden mit auf zwei Jahre befristeten Verträgen einstellen. Der Effekt, der dabei herauskommen sollte und der übrigens auch von den großen Verbänden zugesagt worden ist - Herr Matthiesen, das wissen Sie doch genauso wie ich -, hat sich nicht eingestellt.
Eines fällt auf, und das will ich Ihnen abschließend sagen, weil ich nur so wenig Zeit habe: Sie haben hier über alles mögliche geredet. Aber Ihren Standpunkt zur Tarifautonomie und zu den Flächentarifverträgen haben Sie nicht dargelegt. Möglicherweise hatte das einen guten Grund. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDA inzwischen dabei ist, sich auch davon zu verabschieden.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will - sie lautet auf Ablehnung -, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt.
Tagesordnungspunkt 27: Parlamentsreform jetzt EnqueteBeschlüsse umsetzen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2084
Zu diesem Antrag soll keine erste Beratung stattfinden, sondern er soll gleich in die Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es Gegenstimmen? Nein. Dann schlage ich vor, wir stimmen darüber ab, dass dieser Antrag an den Ältestenrat überwiesen wird. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Benachteiligung von Frauen bei Ersatzfreiheitsstrafen sofort beenden! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2176
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat zum 1. Juli dieses Jahres den Einweisungs- und Vollstreckungsplan für den niedersächsischen Justizvollzug geändert. Im Zuge der Änderungen wurde festgelegt, dass Frauen, die nur eine Ersatzfreiheitsstrafe - eine Freiheitsstrafe für eine nicht bezahlte Geldstrafe - zu verbüßen haben, diese im geschlossenen Vollzug in der JVA Hannover - Abteilung Langenhagen verbüßen müssen.
„Ja, gut“, wird manch einer von Ihnen sagen. Ich sage Ihnen: Das ist nicht gut. Das ist Diskriminierung von Frauen.
Das widerspricht dem Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes und der Niedersächsischen Verfassung. Sie wollen wissen, warum? - Ich sage es Ihnen. Aus dem Vollstreckungsplan hat sich als gängige Verwaltungspraxis für Männer ergeben, dass diese, soweit sie lediglich eine Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen haben, grundsätzlich für den offenen Vollzug geeignet sind. Es ist kein einziger Grund zu erkennen, warum diese Eignungsvermutung für weibliche Inhaftierte nicht gelten soll.