Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Weiter sagen Sie in der Beantwortung der Frage 28, in der nach der Mitfinanzierung der VZN durch andere Gebietskörperschaften gefragt wird, sehr nebulös, die Kommunen müssten ihren entsprechenden Anteil leisten. - Sie wissen doch genau, dass Sie den Kommunen in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 311 Millionen Euro aus dem KFA gekürzt haben. Die Kommunen sind gar nicht in der Lage, eine finanzielle Unterstützung in dem geforderten Umfang zu leisten.

Zu den Eigeneinnahmen - das habe ich schon erwähnt - kam das ifo-Gutachten 1996 zu der Erkenntnis, dass man die Eigeneinnahmen - also das, was man den Kunden, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, abfordern kann - nicht ins Unermessliche schrauben kann, weil dadurch ärmere Bevölkerungsschichten ausgegrenzt werden.

Jetzt will ich zu einem anderen Themenkomplex übergehen. Sie sprechen in Ihrer Beantwortung der Fragen immer davon, dass eine gute Vernetzung zu anderen Institutionen, die im Rahmen der Verbraucherarbeit tätig werden, vorhanden sei. Sie sprechen auch davon, dass es jede Menge Möglichkeiten für einen mündigen Bürger gebe, zu einem Ombudsmann, beispielsweise einer Schiedsstelle, zum Gericht zu gehen, um dort die Rechte einzuklagen. Aber Sie sprechen auch von den Beratungseinrichtungen anderer Institutionen.

Jetzt schauen wir uns einmal das Lieblingskind - entschuldigen Sie, dass ich das so sage - des Niedersächsischen Ministerpräsidenten an. Dort ist er im Grunde genommen Förderer, nämlich im Bereich nachhaltiger Konsum. Ich zitiere aus Ihrer Antwort zu Frage 22:

"Verbraucherinnen und Verbraucher sollen sich in einer Wirtschaftsordnung, in der internationaler Handel eine bedeutende Rolle spielt und in der Unternehmen zunehmend global agieren, an Nachhaltigkeitskriterien orientieren können."

Ein hehrer Anspruch, meine Damen und Herren!

Aber nun wird in den folgenden Absätzen der Antwort der Landesregierung immer wieder auf die Tätigkeit einer Institution hingewiesen, nämlich des VEN, des Verbandes Entwicklungspolitik Niedersachsen e.V. Das möchte ich hier beispielhaft anführen. Der VEN hat in den Jahren 2001 bis 2003 - also unter der SPD-Regierung - eine Kampagne „Verstärkung für Niedersachsen“ durchgeführt. Fi

nanziert wurde das Projekt durch das BMZ, die evangelische Kirche, das Bistum Hildesheim, die Deutsche Umweltstiftung und, man höre, durch die Bingo-Lotterie. Es gab also Mittel aus der BingoLotterie, nicht zuletzt auch durch politische Unterstützung.

Für die 2004 gestartete Kampagne „Sozialstandards in der Blumen- und Bekleidungsindustrie“ hat man sich auf der Vorstandsebene gegen eine Förderung aus der Bingo-Lotterie entschieden. War möglicherweise die Kampagne nach Sozialstandards für einzelne beteiligte Politiker zu hart? Man hat es dann auf das Thema Blumen reduziert. Manche Beobachter meinen sogar, dass Sie nur Kampagnen durchwinken, mit denen Sie Ihre Minister inszenieren können. Kritische Ansätze, meine Damen und Herren, bleiben aus unserer Sicht auf der Strecke.

Aber es geht noch weiter. Aufgeführt wird das Thema des Jahres 2005 „Fairer Handel und Kinderarbeit“, das sich speziell an Kinder und Jugendliche wenden soll. Aber für eine solche Arbeit braucht man auch Projektmittel. Diese Projektmittel, meine Damen und Herren, sind nicht bewilligt worden, und das in Kenntnis der Tatsache, dass der VEN schon von 7 auf 4 Personalstellen reduzieren musste und die Landesmittel seit 2002 von 184 000 Euro auf 40 000 Euro, also um knapp 80 %, reduziert worden sind.

Das meinte ich mit „Beine-Wegschlagen“. Sie kürzen in den Bereichen, während Sie in vielen Antworten im Grunde genommen auf Institutionen verweisen, die diese Arbeit im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher leisten sollen. Das kann aus unserer Sicht nicht gehen. Sie schmücken sich also an dieser Stelle mit fremden Federn. Zugleich schlagen Sie den ehrenamtlichen Aktiven mit Ihrer Kürzungspolitik einfach - das muss ich so sagen - ins Gesicht, weil Sie wissen, dass in vielen Verbänden, Kirchen, weltanschaulichen Gemeinschaften, Gewerkschaften eine gute, vernünftige ehrenamtliche Arbeit geleistet wird.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Aber die braucht Geld, und sie braucht auch professionelle Unterstützung. Darauf kann man nun einmal, meine Damen und Herren, nicht verzichten.

Wir brauchen eine vernetzte Verbraucherarbeit, eine vernetzte Entwicklungszusammenarbeit. In

diesem Zusammenhang will ich ein weiteres Projekt erwähnen. Sie verweisen auf Schulpartnerschaften, lokale Agenda im Agenda-21-Projekt. Sie verschweigen, dass die Landesregierung keine EU-Fördermittel für A-21-Projekte in Ziel-2-Gebieten abfordern will. Die Mittel sollen gestrichen werden. Dadurch gehen viele Projekte im Grunde genommen einfach kaputt.

Jetzt lassen Sie mich bitte noch ein Thema aus dem Bereich der Gesundheitsförderung erwähnen. Das liegt uns allen am Herzen. Sie loben die gute Arbeit des Ethno-Medizinischen Zentrums. Es leistet eine gute Arbeit. Aber ich kann mich erinnern, dass gerade das Ethno-Medizinische Zentrum vor kurzer Zeit noch aufgelöst werden sollte und auch dort Kürzungen vorkommen. Meine Damen und Herren, das geht einfach nicht so.

Wir brauchen eine Querschnittsaufgabe in der Verbraucherpolitik. Da bedarf es auch einer besseren Abstimmung der Ressorts. Nach der Frage, ob eine genügende Ressortabstimmung stattfindet, kommt die Antwort: Das ist umfangreich genug, da brauchen wir nicht mehr zu machen. Einen verbraucherpolitischen Bericht verweigern Sie auch. Sie sagen, dafür bestehe keine Notwendigkeit. Ich glaube, es ist eine gute Sache, wenn wir das auch in Niedersachsen einfordern.

Dass Verbraucherpolitik eine Querschnittsaufgabe ist, ist genauso im EU-Vertrag von Amsterdam verankert worden. Es geht in alle Politikfelder hinein, weil sonst die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher ganz einfach unter den Tisch fallen. Deswegen verstehe ich Ihre Antwort, Herr Minister Ehlen, zu diesem Bereich überhaupt nicht, dass es in Niedersachsen ausreichend sei.

Lassen Sie mich nun noch einige Sätze zum Thema „Ernährung und Landwirtschaft“ sagen. Die Fragen, die an das Ministerium gerichtet wurden, haben das Ministerium wahrscheinlich überfordert. Das wird dadurch deutlich, dass die Fragestellungen nicht mit den Antworten übereinstimmen. So gehört z. B. die Antwort zu 76 zur Frage 73. Das wird durchgängig so weitergeführt. Man muss schon ein bisschen parallel lesen, um überhaupt zu wissen, worauf in diesen Bereichen geantwortet wird. Das ist gerade im Geltungsbereich des Landwirtschaftsministeriums sehr deutlich.

Auch der gesundheitliche Verbraucherschutz wird deutlich im Vordergrund stehen, nicht die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Im

Vordergrund steht der Sparzwang und damit das, denke ich, unseriöse Aufs-Spiel-Setzen guter Arbeit, die wir in Niedersachsen haben.

Zum Thema Lebensmittelüberwachung. Sie schreiben, eine ausreichende Lebensmittelüberwachung wird nicht durch das Ziel der eingesetzten Personen allein bestimmt, sondern wesentlich durch deren Qualifikation, die Betriebszahl und Struktur in den Landkreisen. - Sie vermeiden konkrete Aussagen über Kontrollmöglichkeiten und Überwachungskapazitäten.

Zum Thema Gentechnik wird ausgeführt: Das Informationsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher wird durch die Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Lebensmittel sichergestellt. - Das reicht für uns nicht aus. Wir wollen eine vernünftige Aufklärungsarbeit, damit wir präventiv im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher tätig werden können.

Das Thema „Tierseuchen“ ist aus meiner Sicht absolut nicht ausreichend beantwortet. Es gibt kein Krisenzentrum in Niedersachsen. Angaben zu diesem so genannten Krisenzentrum fehlen. Es wird eine Anzahl unterschiedlicher Behörden aufgeführt, die mitwirken. Aber wer ist denn dann zuständig? Wer organisiert im Krisenfall? - Das müssen wir doch wissen! Ich glaube, es ist notwendig, uns das in einem Plan der Landesregierung deutlich zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist sehr weit fortgeschritten. Ich habe noch ein umfangreiches Manuskript, aber ich komme zum Schluss. Es ist wohl im Interesse von uns allen notwendig, dass wir uns die Fragen noch einmal genauer anschauen. Sie können sich darauf verlassen, dass von meiner Fraktion zu den einzelnen Themenkomplexen Anträge gestellt werden, um das Ganze zu präzisieren. Darauf freue ich mich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Minister Ehlen das Wort zur Beantwortung erteile, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, einen weiteren Antrag ohne erste Beratung zu überweisen. Es geht um den unter Tagesordnungspunkt 37 genannten Antrag „Für eine einheitliche Strategie

zum Erhalt der staatlichen Sportwetten- und Lotterieerträge!“. Auch dieser Antrag wird, wie die Anträge in den Tagesordnungspunkten 33, 35 und 39, ohne erste Aussprache überwiesen werden.

Herr Minister Ehlen, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind sicherlich alle in der Feststellung einig: Verbraucherschutz ist eine der wichtigsten politischen Aufgaben. Es ist daher nicht überraschend, wenn dieses Thema in periodischen Abständen Gegenstand parlamentarischer Anfragen ist, sei es, um eigene Verdienste darzustellen oder aber den gerade für die Regierung Verantwortlichen Versäumnisse nachzuweisen. Ich werte allerdings Ihre Anfrage als Instrument zur Darstellung der Fortschreibung niedersächsischer Verbraucherschutzpolitik während der letzten zehn Jahre. Ich entsinne mich, dass Ihr Fragenkatalog zum gleichen Thema im Jahre 1995 nur halb so lang war und weitgehend identische, zum Teil wortgleiche Passagen und Fragestellungen enthielt.

Der Umstand, dass Ihre Fragen jetzt auf 107 Stück angewachsen sind, lässt erkennen, dass angesichts des rasanten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels dem Verbraucherschutz in allen Lebensbereichen - positiv betrachtet - immer wieder besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

Bei einer weniger positiven Betrachtungsweise könnte man feststellen, dass hier jemand nach zehn Jahren darauf spekuliert, mit den Geistesleistungen anderer glänzen zu können, und darauf hofft, dass die Aktenregistratur des ML oder das Gedächtnis seiner Mitarbeiter nicht mehr richtig funktionierten.

Meine Damen und Herren, Sie wissen selbst, dass für die Landesregierung bei der Gestaltung des Verbraucherschutzes in gesetzgeberischer Hinsicht kaum Spielraum besteht. Verbraucherschutz wird in zunehmendem Maße durch Rechtsakte der Bundesregierung, zum Teil basierend auf Gemeinschaftsrecht, bzw. durch unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht geregelt. Die Landesregierung wirkt bei allen diesen Rechtsetzungsprozessen durch Stellungnahmen und Entwürfe über den Bundesrat mit. Die gesetzlichen Regelungen für

den Verbraucherschutz sind derzeit nicht ausreichend.

(Oh! bei der SPD)

- Entschuldigung. Sie sind ausreichend. Ich habe mich verlesen. Ich gebe es auch zu. Es ist aber trotzdem so, wie ich es gesagt habe: Die gesetzlichen Regelungen sind ausreichend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verbraucherschutzpolitik ist eine Querschnittsaufgabe - -

(Unruhe)

Herr Minister, bitte warten Sie einen Moment! Danke schön.

Verbraucherschutzpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, und wir sehen sie auch als solche. Sie betrifft jeden von uns, nicht nur als Mitgestalter, sondern auch als Person, sei es als Käufer, Konsument oder gar als Patient. Neben Fragen der Lebensmittelsicherheit, dem klassischen Kernbereich des Verbraucherschutzes, haben alle rechtlichen und auch wirtschaftlichen Verbraucherbelange an Bedeutung gewonnen. Zunehmende Globalisierung und technischer Fortschritt stellen die Verbraucherpolitik insbesondere in diesem Bereich vor neue Herausforderungen. Ich möchte es Ihnen und mir ersparen, an dieser Stelle näher auf die Problematik des Internethandels, die Aspekte der grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen oder die Widrigkeiten des Telekommunikationsmarktes einzugehen. Alle diesbezüglichen relevanten Informationen liegen Ihnen schriftlich vor und können auch nachgelesen werden.

Die Beispiele zeigen jedoch, dass Verbraucherschutz an sich eine endlose Geschichte ist. Die Belange des Verbraucherschutzes im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge sind der Landesregierung ein besonderes Anliegen. Die Fragen der Lebensmittelsicherheit, der Tierseuchenbekämpfung und der Futtermittelüberwachung sind im ML, im Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und bei den kommunalen Überwachungsbehörden in den besten Händen.

Meine Damen und Herren und liebe Frau Leuschner, es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, sich zu informieren. Klicken Sie unseren Internetauftritt an. Dort sind sämtliche Bausteine einzusehen, die wir für die Bekämpfung von Tierseuchen und die Überwachung der Lebensmittel haben und für die die Kommunen zuständig sind. Ich nehme an, dass Sie kundig sind, einen solchen Apparat zu bedienen. Das sollten Sie ruhig einmal machen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja, das kann ich!)

Meine Damen und Herren, ich gebe offen zu, dass ich in dieser Hinsicht von meinem Amtsvorgänger ein geordnetes Haus übernommen habe. Es ist nicht so, dass wir uns das alles selbst zurechnen können. Das ist ein gut geordnetes Haus gewesen, und das wird es auch heute und in Zukunft sein.

Die Landesregierung unterstützt Maßnahmen zur Gesundheitsförderung finanziell und leistet auch einen umfangreichen Beitrag zur Umsetzung der Pflegeversicherung in Niedersachsen. Das Netz der Schuldnerberatungsstellen in Niedersachsen ist beispielhaft. Es gibt kein Bundesland, in dem das Netz derart dicht ist.

Verbraucherschutz ist allerdings nicht nur eine Aufgabe der Gegenwart, sondern ist auch in die Zukunft gerichtet. Die Landesregierung hat erkannt, dass der Schutz des Verbrauchers von morgen schon heute ansetzen muss. Aus diesem Grunde fördert sie innovative Vorhaben zur Steigerung der Energieeffizienz im Verkehrsbereich, beispielsweise für Kraftstoffe der Zukunft aus Biomasse und die Entwicklung von Brennstoffzellen.

Die Landesregierung fördert weiterhin im Rahmen des Programms „Wirtschaft und Umwelt“ Maßnahmen zur ressourcenschonenden Gestaltung von Produktionsprozessen mit geringen Umweltbelastungen. Ebenfalls gefördert wird die Anwendung ökologischer Anbauverfahren für landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen des niedersächsischen Agrarumweltprogramms. Die Balance zwischen Selbstbestimmung und staatlichem Schutz muss in der Verbraucherschutzpolitik erhalten bleiben. Effektive und ausgewogene Verbraucherpolitik führt Verbraucher und Wirtschaft zusammen. Beide, sowohl Wirtschaft als auch der Verbraucher, haben das gleiche Interesse, gute, qualitativ hochwertige und sichere Produkte zu Preisen, die man sich noch leisten kann, zu bekommen.

Wirksame Verbraucherpolitik ist ein positiver Standortfaktor; denn sie fördert das Verbrauchervertrauen in qualitativ hochwertige Konsumartikel und Dienstleistungen. Dazu ist es erforderlich, den Verbraucher durch Aufklärung zu stärken, um ihm eine fundierte Entscheidungskompetenz und Wahlmöglichkeiten zwischen Produkten verschiedener Qualitätsstandards, Leistungen und Preise zu ermöglichen. An dieser Stelle sind die Unternehmer aufgerufen, die Verbraucherinformation zu verbessern und wettbewerbsfördernde und qualitätsfördernde Elemente aufzuzeigen.

Also: Im Mittelpunkt der Verbraucherpolitik steht der eigenverantwortlich handelnde Konsument und Marktteilnehmer. Frau Leuschner, das ist ein mündiger Verbraucher. Dem brauchen wir nicht irgendetwas vorzuschreiben, den brauchen wir nicht irgendwie zu lenken.