Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde versuchen, mich zu den Inhalten, die hier besprochen worden sind, nicht zu äußern. Wozu ich mich aber äußern möchte, ist die Frage des Stils, der gerade gepflegt worden ist.

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, ich halte es für einen ausgesprochen schlechten Stil, hier noch einmal nachzukarten, indem Sie etwas, worüber wir am Mittwoch im Ältestenrat gesprochen haben und wofür sich der Kollege entschuldigt hat, noch einmal aufgewärmt haben, und im Zusammenhang mit den heutigen Vorgängen noch einmal Öl ins Feuer zu gießen, nachdem eine Sondersitzung des Ältestenrat stattgefunden hat und nachdem es eine Abstimmung gegeben hat,

die hier vorgetragen worden ist. Das ist ein ausgesprochen schlechter Stil.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Im Übrigen werden diese Dinge im Ältestenrat und im Präsidium behandelt. Das sind die Gremien, die sich dieses Parlament gegeben hat, um die Angelegenheiten des Parlamentes zu behandeln. Ich halte es für eine Missachtung des Parlaments, wenn diese Beschlüsse des Ältestenrates dann noch vom Ministerpräsidenten kommentiert werden.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Helmhold, hierbei ist festzuhalten, dass die Regierung weder dem Ältestenrat noch dem Präsidium angehört und sich dort auch nicht äußern kann.

(Unruhe)

- Wenn sich die Gemüter etwas beruhigt haben, dann erteile ich dem Abgeordneten Gabriel das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. - Bitte schön, Herr Gabriel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege McAllister hat vorhin eine ddp-Meldung vorgetragen und dabei den Eindruck erweckt, ich hätte die CDU mit Methoden der Nazis verglichen.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe dazu Folgendes zu sagen: Erstens. Da der Herr Ministerpräsident gerade darauf hingewiesen hat, dass man Zitate sinnvollerweise vollständig vortragen sollte, würde ich aus der ddp-Meldung gerne einen weiteren Satz vorlesen, der nicht ganz unwichtig ist. Den hat Herr McAllister hier nicht vorgetragen. Dort steht:

- also Gabriel

„betonte zugleich, dass es ihm fern liege, CDU und Nazis zu vergleichen.“

Es wäre gut gewesen, wenn Sie das mit vorgelesen hätten.

Worum geht es? - Ich habe, bezogen auf die tumultähnlichen Auseinandersetzungen in den Landtagssitzungen der letzten Tage, gesagt, Herr McAllister,

(Zuruf von der CDU: Woher wissen Sie das?)

- weil ich an zwei dieser Tumulte leider habe teilnehmen müssen; deswegen weiß ich das; übrigens gibt es hier im Haus eine Lautsprecheranlage, was dem einen oder anderen vielleicht bekannt ist - dass wir aufpassen müssen, nicht das Geschäft derjenigen zu betreiben, die in der Vergangenheit die parlamentarische Demokratie durch solche Tumulte bekämpft haben. Ich habe mehrfach - dafür gibt es dort oben ungefähr ein Dutzend Journalisten, die Sie fragen können - gesagt:... unbewusst das Geschäft derjenigen betreiben, die durch die Verhinderung der freien Rede Parlamente zerstören wollten. - Denn was uns hier inzwischen gelegentlich passiert - das Beispiel des Kollegen Lenz zeigt das -, ist, dass bereits Tumulte beginnen, bevor der Redner seine Rede begonnen hat. Dass wir uns hier gelegentlich welche einschenken, dass es dann auch mal laut hergeht und dass die Präsidentin oder der Präsident dann für Ruhe sorgen muss, ist normaler parlamentarischer Alltag. Aber wenn es so weit geht, dass Abgeordnete nicht mehr die freie Rede im Parlament ausüben können und, bevor sie etwas gesagt haben - das war beim Kollegen Lenz der Fall -, solche Tumulte ausbrechen und beim nächsten Mal Sozialdemokraten möglicherweise das Gleiche bei einem CDU-Kollegen machen - auch das habe ich in der Pressekonferenz gesagt -, dann wird die freie Rede im Parlament eingeschränkt. Diese Methoden sind Methoden, die wir alle nicht wollen und die wir auch nicht unbewusst zulassen dürfen; denn das waren die Methoden derjenigen, die versucht haben, den Parlamentarismus zu bekämpfen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Ich stehe zu jedem Wort und zu jedem Satz dessen, was ich vorhin gesagt habe. Sie können eine Latte von Journalisten fragen. Es gibt keinerlei Vergleiche mit der CDU. Ich habe mehrfach gesagt: Es geht mir nicht um eine Partei, sondern um die freie Rede im Parlament. Dafür allerdings soll

ten wir alle eintreten und nicht bereits Kolleginnen und Kollegen am Reden hindern, wenn sie noch nicht einmal angefangen haben zu sprechen!

(Beifall bei der SPD - Dr. Harald No- ack [CDU]: Ich möchte gerne wissen, ob er den Satz gesagt hat „Das haben bisher in Deutschland nur Nazis ge- macht“! Das möchte ich gerne wis- sen!)

Herr Dr. Noack, wir haben jetzt keine Fragestunde. Jeder kann sich zu Wort melden.

Zur Geschäftsordnung hat sich zunächst Herr Kollege McAllister gemeldet. Bitte schön, Herr McAllister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sigmar Gabriel, nach dieser Wortmeldung hätte ich eine andere Einlassung erwartet oder zumindest erhofft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir kennen jetzt zum einen die Version der Nachrichtenagentur ddp und zum anderen die Version, die Sie hier vorgetragen haben. Wir können es nicht beurteilen, weil wir bei der Pressekonferenz nicht dabei gewesen sind. Allerdings habe ich auch gehört, dass Sie durchaus einen Vergleich - in welcher Art auch immer - mit Zeiten vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gezogen haben.

Aber wie auch immer, uns ist eines aufgefallen - da möchte ich an das anknüpfen, was der Ministerpräsident gesagt hat -: Wir haben das in dieser Woche zweimal erlebt, einmal am Mittwoch bei dem Redebeitrag des Kollegen Lenz und heute Mittag bei dem Redebeitrag des Kollegen Schwarz. Bei uns, bei der CDU, kommt das so an, dass das ein neuer Stil ist, den die SPD-Fraktion hier pflegt. Das ist der Stil subtiler Andeutungen, subtiler Unterstellungen, Anwürfe, bestimmte Kabinettsmitglieder in Grauzonen zu stellen und sich anschließend durch Entschuldigen oder sonstige Erklärungen davon etwas zu distanzieren bzw. es zurückzunehmen. Dazu sage ich Ihnen: Das ist die Methode „Dreckwerfen - irgendetwas wird schon hängen bleiben“. Dagegen wehren wir uns als Christdemokraten.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns in zweierlei Hinsicht dagegen gewehrt: zum einen in den jeweiligen Sitzungen des Ältestenrates am Mittwoch und am Freitag, zum anderen haben wir heute mit der Mehrheit von CDU und FDP einen weiterreichenden Beschluss gefasst, um auch deutlich zu machen, dass wir dieses Verhalten missbilligen.

Wenn diese subtilen Andeutungen oder Anwürfe gemacht werden, dann wehren sich auch die Abgeordneten im Plenarsaal durch Zwischenrufe, durch bestimmte erregte Verhaltensweisen.

Herr Gabriel, das alles können Sie kritisieren. Es steht Ihnen frei, das zu kritisieren. Sie können sich vor die Presse stellen und sagen „Ich finde die Zwischenrufe nicht gut, ich finde die Zwischenrufe zu laut“. Das können Sie alles sagen. Aber was Sie nicht machen dürfen, ist, in irgendeiner Form unsere dunkelste Vergangenheit, den Nationalsozialismus, hier ins Spiel zu bringen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was wir nicht machen dürfen - das sage ich Ihnen ausdrücklich als jemand, dessen Vater 1944 am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hat, und zwar nicht auf deutscher, sondern auf britischer Seite, um dieses Land vom Nationalsozialismus zu befreien -, weder Sozialdemokraten, noch Grüne, noch Liberale, noch Christdemokraten, ist: Wir dürfen niemals in einer politischen Debatte in der heutigen Zeit den Nationalsozialismus als Vergleich heranziehen, weil es immer relativierend wirkt. Das, was in Deutschland von 1933 bis 1945 und vorher durch die braunen Horden in den Parlamenten passiert ist, war einzigartig. Das darf man nicht vergleichen. Das ist auch ein Unrecht gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie wissen genau, dass wir uns trotz vieler unterschiedlicher politischer Auffassungen eigentlich immer gut verstanden haben. Wenn es jetzt so gewesen wäre, hätte ich zu Beginn vielleicht gesagt: Das war ein einmaliger, wenn auch nicht zu verzeihender Ausrutscher. Okay. - Aber ich darf einmal daran erinnern - die vielen Kolleginnen und Kollegen, die schon in der letzten Wahlperiode hier in diesem Hause waren, wissen ganz genau, was

ich jetzt sagen werde -: Sie haben schon mal den damaligen Fraktionsvorsitzenden und heutigen Ministerpräsidenten Christian Wulff mit dem Chefredakteur des braunen Hetzblattes Der Stürmer verglichen. Das haben Sie hier gemacht. Wir als CDU-Fraktion haben damals sofort die Landtagssitzung verlassen und Ihren Vergleich nicht akzeptiert. Damals haben Sie sich leider viel Zeit gelassen, bis Sie sich dafür entschuldigt haben. Wissen Sie - das sage ich Ihnen als letzten Satz -: Ich hätte Ihnen einen anderen Abschied aus der niedersächsischen Landespolitik gewünscht.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Jüttner und Herr Möhrmann, dafür bedanken, dass Sie nach Verlesung der Pressemeldung auf meinen Wunsch hin versucht haben, den Kollegen Gabriel in den Landtag zu rufen, damit er uns hier Rede und Antwort stehen kann. Ich bedanke mich dafür, dass Sie dies getan haben und dass es dazu gekommen ist.

Herr Gabriel, für die Äußerungen, die Sie hier daraufhin getätigt haben, kann ich mich bei Ihnen allerdings nicht bedanken. Ich hätte mir hier etwas anderes gewünscht. Wenn ich jetzt von Ihnen hören muss, dass Sie eigentlich etwas anderes oder geringfügig anderes gesagt haben, und dann hier sagen, wir müssen aufpassen, dass wir nicht das Geschäft derer betreiben, die ein freies Rederecht unterdrücken wollen, und dann von Ihnen gehört habe, bei der Bestimmung der Situation seien doch Methoden wie damals angewandt worden, so trifft das ins keinster Weise auf die Vorgänge am Mittwoch und heute hier zu. Zu keinem Zeitpunkt war am Mittwoch, als der Kollege Lenz hier das Podium betrat, nicht die Möglichkeit gegeben, hier zu reden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Guck doch mal ins Protokoll! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Herr Jüttner, es war zugegebenermaßen unruhig. Es war genauso unruhig wie jetzt.

(Widerspruch bei der SPD)

Es ist nicht so, dass man diese Situation mit - wie es Herr Gabriel gesagt hat - Methoden von damals aus der dunklen Zeit vergleichen kann. Das ist die gleiche Strategie, wie ich es heute schon formuliert habe: Man kann nicht einfach eine negierte Aussage in den Raum stellen und dann sagen „Es ist zwar nicht so, aber trotzdem“. Ich würde es auch niemals für möglich halten, dass man sagt: Sie sind zwar keine Nazis, aber die Methoden sind die gleichen. - Herr Gabriel, ich sage Ihnen: Ein Mann mit Charakter wüsste, was er jetzt zu tun hat. Ich halte es jetzt tatsächlich für einen Fall Jüttner.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD: Was ist das denn?)

Ebenfalls zur Geschäftsordnung hat sich gemeldet - - - Nein, Herr Kollege Jüttner, es tut mir Leid, der Herr Kollege Gabriel hat sich zuerst zur Geschäftsordnung gemeldet. Möchten Sie ebenfalls zur Geschäftsordnung sprechen, Herr Jüttner?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja!)

Herr Gabriel!

Herr Kollege McAllister, in der Tat passieren manchmal Dinge, die nicht in Ordnung sind. Der damalige Vergleich war unmöglich. Es war aber auch unmöglich, Gerhard Schröder mit Erich Honecker zu vergleichen. Das ist dem damaligen Vergleich vorangegangen. Ich weiß nicht, ob Sie damals dabei waren. Ich war dabei. Das ist der Grund.