Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

- Frau Merk, diskutieren Sie das doch einmal mit Ihrem Parteifreund Hans-Ulrich Klose. Der wird

Ihnen das so ähnlich darstellen, wie ich es eben gemacht habe.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es kommt jetzt darauf an

(Dieter Möhrmann [SPD]: Sie können mit Herrn Schwarz-Schilling diskutie- ren!)

- ja -, dass aus dieser Wirtschaftsgemeinschaft eine Wertegemeinschaft und auch ein großes Gebilde wird, das in der Welt mit einer Stimme spricht. Deshalb ist die CDU-Fraktion dezidiert der Auffassung, dass wir eine gemeinsame Außenvertretung der Europäischen Union und ein starkes Europäisches Parlament brauchen.

Meine Damen und Herren, wir sind stolz darauf, dass im Konvent die Unionsparteien, die konservativen Parteien, die EVP, federführend sind, nicht aber mehr die Linken in Europa, die ihren Führungsanspruch offenbar längst aufgegeben haben.

Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Eine wirkliche gemeinsame europäische Außenpolitik ist allemal wichtiger als all der Kleinkram, mit dem sich die EU sonst ständig beschäftigt.

Meine Damen und Herren, nun zu den Werten und Zielen der künftigen EU: Eine dauerhafte Zukunft wird Europa nur dann haben, wenn sich Europa nicht nur als Wirtschaftgemeinschaft definiert.

Zu den Traditionen Europas möchte ich - da wir den vorliegenden Antrag gemeinsam mit der FDPFraktion einbringen - Theodor Heuss zitieren. Er hat gesagt:

„Europa ist auf drei Hügeln gebaut: auf dem Akropolishügel von Athen, auf dem Kapitolshügel von Rom und auf Golgatha in Jerusalem.“

Damit hat Theodor Heuss den Rahmen beschrieben, in dem wir uns das künftige Europa wünschen. Er hat damit auch die Grenzen aufgezeigt.

Meine Damen und Herren, zu dieser Wertegemeinschaft des Abendlandes gehört auch der notwendige Gottesbezug in der Verfassung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gerade die Mächtigen sollen wissen: Sie handeln in Verantwortung nicht nur vor den Menschen, sondern sie handeln in Verantwortung vor Gott.

Zusammengefasst: Nur eine Verfassung, die sich auf Werte gründet, ist eine wertvolle Verfassung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in den ersten vier Monaten dieses Jahres haben uns als Parlament Dutzende von Bundesratsdrucksachen erreicht, die Gegenstand der Verhandlungen auf europäischer Ebene sind. Dies zeigt, dass in Europa zu viel geregelt wird und die Gefahr besteht, dass auf der unteren Ebene zu wenig Kompetenzen verbleiben. Deshalb fordern wir auch in unserem Antrag dezidiert eine klare Ordnung der Kompetenzen. Wir wollen nur so viel Einheit in Europa wie nötig, aber so viel Vielfalt auf der unteren Ebene wie nur irgend möglich!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen uns alle gemeinsam für ein Frühwarnsystem in europäischen Gesetzesvorhaben ein, damit über den Bundesrat auch die Länder und damit auch wir rechtzeitiger als bisher in die Vorbereitung europäischer Gesetzes eingeschaltet werden! Außerdem soll die EU-Kommission unserer Meinung nach verpflichtet werden, ihre Vorhaben nach den Aspekten Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit intensiv zu prüfen. Europa hat beispielsweise nichts zu regeln, was die kommunale Selbstverwaltung anbelangt oder das Verhältnis von Staat und Kirche bei uns. Auch in der Asylund Zuwanderungspolitik darf Europa nicht die volle Kompetenz haben, sondern jede Nation soll nach wie vor selbst bestimmen können, wie hoch die Zumutbarkeitskriterien bei der Einwanderung sind.

Meine Damen und Herren, schließlich möchten wir ein Klagerecht der Länderparlamente beim Europäischen Gerichtshof.

In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, welche Rechte und Möglichkeiten die deutschen Länder in der großen EU der Zukunft überhaupt noch haben werden. Wir alle sind deshalb aufgefordert, unsere Meinung zum Entwurf des Verfassungskonvents zu formulieren, in die Öffentlichkeit zu tragen und um Unterstützung zu werben. Das können wir durchaus selbstbewusst tun. Sehen

Sie sich nur einmal die Einwohnerzahlen an. Das Bundesland Niedersachsen allein hat mehr Einwohner als neun der künftig 25 EU-Nationalstaaten. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir uns meiner Meinung nach bei diesem Thema auch auf Augenhöhe bewegen.

Meine Damen und Herren, Deutschland braucht den Verfassungsvertrag. Er muss mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag, aber auch im Bundesrat verabschiedet werden. Deshalb sind wir hier gefordert, uns damit intensiv auseinander zu setzen.

Ich fasse zusammen: Ich glaube, wir alle hier in diesem Hause wünschen uns, dass dieses große Werk gelingen möge, damit Europa in jeder Hinsicht in eine gute Verfassung kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Das Wort hat nun Frau Tinius.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein herzliches „Guten Morgen“ den Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP! Ich freue mich, dass nun auch die neuen Regierungsfraktionen aufgewacht sind und eine Entschließung in Sachen Europakonvent auf den Weg gebracht hat.

Ich will mich mit meiner Kritik an der Regierung weitgehend zurückhalten;

(Hermann Dinkla [CDU]: Da gibt es auch nichts zu kritisieren!)

denn die 100-Tage-Schonfrist, die jeder neuen Regierung nach gutem politischem Brauch eingeräumt wird, ist noch nicht beendet.

Gestatten Sie mir aber, dass ich dennoch eines sage: Herr Ministerpräsident, ich freue mich, dass Sie heute an der Debatte teilnehmen; denn ich habe es als sehr merkwürdig empfunden, dass Sie das Thema Europa in Ihrer ersten Regierungserklärung nicht einmal gestreift haben.

(Beifall bei der SPD)

Schlimmer noch: Die neue Landesregierung hat im Jahr vor der Europawahl, das gleichzeitig auch das Jahr der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern in

die Europäische Union ist, den Europaminister abgeschafft.

(Hermann Eppers [CDU]: Das finden wir aber sehr gut!)

Mit dem Europaminister Wolfgang Senff hatte die SPD-Regierung den hohen Stellenwert aufgezeigt, den die Europapolitik auch in Länderparlamenten haben muss. Wenn man sich auf Bundesebene umhört - das werden sicherlich auch Sie tun -, dann stellt man fest, dass alle sagen, dass wir in Niedersachsen in Europafragen sehr gut aufgestellt sind.

(Hermann Eppers [CDU]: Wer sagt das?)

Das sollte so bleiben und auch Ihnen am Herzen liegen. Nebenbei gesagt: Ihr Kollege in Hessen, Herr Koch, hat es begriffen. Er hat in Hessen zu Beginn der Legislaturperiode den Posten eines Europaministers eingerichtet.

Meine Damen und Herren, nachdem sich die CDUFraktion in der vergangenen Legislaturperiode zumeist aktiv an unserer Europapolitik beteiligt oder sich an Anträgen ihrer bayerischen Kollegen orientiert hat, hat sie nun im Mai 2003 einen Antrag auf den Weg gebracht, der gar nicht später hätte kommen können: „Europa weiter entwickeln - Konvent für Europa“ - so lautet der Titel ihres Antrages. Ich glaube kaum, dass es Ihnen entgangen ist, dass der Konvent dem Europäischen Rat am 13. Juni - also in knapp vier Wochen - einen Vertragsentwurf vorlegen wird, der anschließend dort und auf folgenden Regierungskonferenzen diskutiert wird.

Nach Lage der Dinge wird der von Ihnen eingebrachte Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien überwiesen. Dort werden wir ihn beraten. Frühestens am 25. Juni werden wir über den Antrag in diesem Haus abstimmen können. Meiner Meinung nach kommen Sie mit Ihrem Antrag reichlich spät, wenn nicht gar zu spät. Vielleicht haben Sie ja dem früheren Alterspräsidenten Willi Heineking zu sehr gelauscht. Er sagte einmal - wörtliches Zitat -, dass wir aufhören sollten, uns hier mit bestimmten Bundes- und Europafragen herumzustreiten, die wir sowieso nicht ändern können und für die wir eigentlich kein Mandat haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ein wesentlicher Punkt für die Länder, Frau Tinius!)

Da gebe ich meinem Kollegen Hogrefe ausgesprochen Recht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ich heiße „Althusmann“!)

Die Verfassung für Europa ist für uns alle wichtig. Meine Damen und Herren, diese Äußerung von Herrn Heineking zugrunde gelegt: So kann es nicht gehen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Mit 8 Millionen Einwohnern sind wir grö- ßer als manches der Beitrittsländer!)

Wir werden uns in den Ausschussberatungen mit Ihrem Entschließungsantrag intensiv auseinander setzen. Ich kündige bereits heute einen Änderungsantrag meiner Fraktion an. Einige Punkte Ihres Antrages sind bereits Gegenstand des Vertragsentwurfs der Europäischen Verfassung. In einigen Punkten stimmen wir überein. Andere Punkte wie z. B. die Festschreibung der Grenzen des erweiterten Europas können wir aber in der von Ihnen gewählten Form nicht mittragen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden in den Ausschusssitzungen Gelegenheit haben, über unsere unterschiedlichen Positionen zu beraten.

Meine Damen und Herren, gerade für Niedersachsen als zukünftigem Mittelpunkt im Norden der EU sind Fragen der europäischen Politik von zentraler Bedeutung. Ich fordere die Landesregierung auf, das bisherige Engagement des Landes fortzusetzen. Die SPD-Landesregierung hat die Menschen und die Wirtschaft in Niedersachsen mit der Initiative „Europa wird bunter“ sowie weiteren Aktivitäten des Europäischen Informationszentrums für Europafragen, für die Osterweiterung sensibilisiert. Dabei haben wir die Risiken, aber selbstverständlich auch die Chancen für unser Land aufgezeigt. Auch davon war bereits die Rede.

Darüber hinaus haben wir mit unserer im Juli 2000 vom Kabinett beschlossenen Qualifizierungsoffensive für Europa in der Landesverwaltung begonnen, die europapolitische Kompetenz und internationale Erfahrung der Beschäftigen der Landesverwaltung auszubauen. Ferner muss unsere Landesvertretung in Brüssel weiter zu einem schlag