Protokoll der Sitzung vom 15.05.2003

Es kann im Einzelfall zu einer für die Kostenträger günstigeren Lösung als bei stationärer Unterbringung führen, muss dies aber nicht in jedem Fall.

Es kann auch nicht sein, dass die teilnehmenden Personen über - ich zitiere - „ausreichende intellektuelle Fähigkeiten und ein ausreichendes Sozialverhalten“ verfügen müssen, wie es in den Zugangsvoraussetzungen in Rheinland-Pfalz heißt. Eine solche Konzeption würde wiederum viele Betroffene vom Bezug des persönlichen Budgets ausschließen. Umgekehrt wird es richtig! Der Mensch, der sich mit dem persönlichen Budget die erforderlichen Leistungen einkauft, muss so begleitet werden, dass er sich die zu seiner Betreuung notwendigen Hilfeleistungen auch wirklich besorgt bzw. erst besorgen kann. Hier geht es aus meiner Sicht allerdings nicht darum, Menschen zu managen, wie ich es eben gehört habe, sondern eher darum, Menschen zu betreuen und zu begleiten. Es geht um einen ganzheitlichen Hilfeansatz, der auf

grund der nach wie vor noch bestehenden Zersplitterung der Kostenträger bisher nicht oder nur mit Mühe zu realisieren ist.

Die Bundesregierung plant, bei der zum 1. Januar 2004 beabsichtigten Sozialhilfereform dem persönlichen Budget auch trägerübergreifend zum Durchbruch zu verhelfen. Es wäre gut, wenn in einem niedersächsischen Modellversuch im Vorgriff auf dieses Vorhaben bereits die trägerübergreifenden Modellversuche auf diese Weise greifen könnten. Im Interesse der Betroffenen würden wir das hier sehr begrüßen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke, Frau Helmhold. - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Schwarz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist dieser Antrag überflüssig. Ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Die Ministerin hat - ich bin nicht da gewesen, aber dem Protokoll habe ich das entnommen - im Sozialausschuss angekündigt, dass sie dieses tun will. Insofern geht es hier offensichtlich nur um das Erstgeburtsrecht. Es ist ja voll in Arbeit. Das können Sie ja so machen. Deshalb bin ich der Auffassung, wir hätten es heute hier gar nicht mehr beraten müssen, sondern abgewartet, was da vorgelegt wird.

In der Sache selber gibt es überhaupt keinen Dissens. Auch das Wahlprogramm der SPD hat die Forderung nach einem persönlichen Budget für Menschen mit Behinderungen enthalten. Wir haben deutlich gemacht, dass das sinnvoll ist. Es ist natürlich zu begrüßen, dass die Frage einer eigenständigen und selbstbewussten und selbstverantworteten Lebensführung außerhalb von Heimen, wo immer es möglich ist, auch wirklich in die Verantwortung von Behinderten gegeben werden soll. Insofern ist dieser Antrag inhaltlich völlig unstreitig. Ich hoffe, dass er auch ehrlich gemeint ist und dass es nicht um das geht, was meine Vorrednerin kurz angesprochen hat, nämlich um einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. In Rheinland-Pfalz bewegt sich die Pauschale, die dort eingebracht wird, in einer Größenordnung ungefähr um 500 Euro, etwas gestaffelt. Aber das ist so der Mittelwert. Insofern, Frau Ministerin, hoffe ich,

dass Sie Ihre Verordnung, sobald Sie sie vorgelegt haben, kooperativ im Fachausschuss zur Verfügung stellen, damit wir dann darüber diskutieren können, wie es ausgestaltet werden soll.

Ich will nur eine Bitte äußern. Ich hielte es für ganz sinnvoll, dass bei solchen Modellen ausdrücklich auch mindestens ein Modell die psychisch Behinderten mit umfasst, weil das ein Personenkreis ist, der sehr häufig bei solchen Fragen vergessen wird. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dass wir in Niedersachsen das beispielhaft mit einbeziehen.

Über einen Punkt habe ich mich geärgert, nämlich den Hinweis, den Sie eben gegeben hatten und der auch in dem Antrag enthalten ist, nämlich dass die SPD-geführte Landesregierung in Niedersachsen keinerlei Initiativen ergriffen habe. Ich finde, wir müssen keine künstlichen Gegensätze erzeugen, wo es keine gibt. Wir sollten an solchen Stellen bitte auch bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Richtig ist, dass der Niedersächsische Behindertenbeauftragte im Oktober 2002 natürlich auch im Namen der Landesregierung - die hochrangigen Ministerialvertreter waren auch dort - eine Veranstaltung eröffnet hat, bei der es darum giong, wie man diesem Ziel näher kommt. Genauso richtig ist es auch, dass Frau Ministerin Trauernicht im Haus entsprechende Vorbereitungen hat durchführen lassen, um diesen Punkt umzusetzen. Insofern ist es gut, Frau von der Leyen, wenn Sie das nahtlos fortsetzen.

Ich sage noch einmal: Wir sind uns einig an dieser Stelle und brauchen keine künstlichen Gegensätze. Ich habe einen Vorschlag: Ich bin nicht Antragsteller, aber nach unserer Auffassung könnten wir sofort darüber abstimmen. Dann kann die Arbeit gleich beginnen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Mundlos!

Herr Kollege Schwarz, wir wollten jetzt auch den Antrag stellen, dass sofort abgestimmt wird. Wenn wir uns alle einig sind und das Haus dann arbeiten kann, dann mag es ja wohl gelingen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Antrag nicht vor. - Es ist sofortige Abstimmung beantragt worden. Nach § 39 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung gilt Folgendes:

"Hat der Landtag einen Antrag in erster Beratung verhandelt und nicht an einen Ausschuss überwiesen, so kann, wenn es die Antragsteller verlangen, die zweite Beratung unmittelbar auf die erste folgen."

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben das jetzt für ihren Antrag beantragt. Ich frage zunächst, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann können wir zur sofortigen Abstimmung kommen. Ich frage, wer für den Antrag ist. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Antrag so angenommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie vorher angekündigt, kommen wir jetzt zu

Tagesordnungspunkt 28: Neuordnung der Hochschulzulassung - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/133

Dieser Antrag soll direkt in die Ausschüsse überwiesen werden. Für ihn soll federführend zuständig sein der Ausschuss für Wissenschaft, und der Kultusausschuss soll mitberaten. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Mittagspause. Ich wünsche Ihnen eine erholsame Mittagspause. Die Sitzung wird um 14.30 Uhr fortgesetzt.

Unterbrechung: 13.04 Uhr.

Wiederbeginn: 14.29 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Beratungen nach der Mittagspause fort und kommen, wie zwischen den Fraktionen vereinbart, vor den Tagesordnungspunkten 29 und 30 zu

Tagesordnungspunkt 41: Erste Beratung: Keine Alleingänge des Landwirtschaftsministeriums - Verwaltungsreform aus einem Guss - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/145

Zur Einbringung erteile ich Frau Stief-Kreihe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die alte Landesregierung startete bereits 1994 eine umfassende Verwaltungsreform. Ziel war es, den Verwaltungsaufwand zu minimieren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mehr Leistung zu befähigen und zu motivieren und den Einsatz der Mittel zu optimieren. Es ist viel erreicht worden, aber natürlich ist der Reformprozess noch nicht abgeschlossen, denn auch künftig müssen Politik und Verwaltung auf neue Herausforderungen reagieren. Dass in so kurzer Zeit so weit reichende Veränderungen stattgefunden haben, war natürlich nur möglich, weil wir gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Reformziele definiert und realisiert haben und eben nicht ein von oben angeordnetes Reformpaket vorgelegt haben.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Wo wird denn von oben etwas angeordnet?)

Herr Meyerding hat auf einer Klausurtagung der SPD-Fraktion ausdrücklich betont, dass für die jetzt weitergehende Verwaltungsreform gute Vorarbeit geleistet wurde. Besucht man heute die verschiedenen Landesbehörden - das kann ich eigentlich nur allen Kolleginnen und Kollegen empfehlen -, so ist von Motivation nicht mehr viel zu spüren. Ganz im Gegenteil: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich verschaukelt. Sie sind wütend. Für die Agrarverwaltung kam die Anordnung - anders kann man das gar nicht bezeichnen - „Zusammenführung der verschiedenen Aufgabenträger der Agrarverwaltung unter dem Dach der Landwirtschaftskammern“ völlig überraschend. Der

Startschuss für das Reformvorhaben ist am 28. April gegeben worden - so die offizielle Pressemitteilung aus dem Ministerium. Die inhaltliche Zielvorgabe ist die Zusammenführung der verschiedenen Aufgabenträger der Agrarverwaltung: der Ämter für Agrarstruktur, der Landwirtschaftskammern und der entsprechenden Fachdezernate der Bezirksregierungen. Die Domänen- und Moorverwaltung und die NLG sollen ebenfalls mit in die Betrachtung einbezogen werden. Bei dieser inhaltlichen Zielsetzung, meine Damen und Herren, finden Sie unsere volle Unterstützung. Die politische Zielrichtung von Herrn Minister Ehlen ist die einheitliche Agrarverwaltung unter dem Dach der Landwirtschaftskammern. Eine Festlegung, die, wenn man Verwaltungsreform ernst nimmt und diese unter fachlichen und sachlichen Kriterien durchführt, erst am Ende eines Reformprozesses - quasi als Untersuchungsergebnis - stehen kann. Wenn aber bereits heute feststeht, was hinten raus kommt, wozu brauchen wir dann eigentlich einen teuren Staatsmodernisierer? - Noch zweifelhafter wird die Vorgehensweise, wenn man die zeitliche Vorgabe betrachtet. Arbeitsauftrag: Der Lenkungskreis muss der Spitze des ML Ende Juli/Anfang August ein zwischen Land und Landwirtschaftskammern abgestimmtes Grobkonzept zur Entscheidung vorlegen.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Hier wird gehandelt!)

Woher kommt dieser Termin, Herr Kethorn? - Herr Minister Ehlen wünscht sich zu seinem Geburtstag - damit Sie es alle wissen, das ist der 20. August ein fertiges Konzept. Ein Geburtstag ist also die zeitliche Vorgabe für eine zukunftsfähige Verwaltungsreform. Diesen Zusammenhang habe ich mir nicht ausgedacht. Ich hätte, leider, Minister Ehlen, gar nicht gewusst, wann Sie Geburtstag haben.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Das steht im Handbuch!)

- Da gucke ich aber nicht unbedingt nach, Herr Kethorn. Ich weiß auch nicht, wann Sie Geburtstag haben. - Diese Begründung wird auch noch lautstark vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Agrarverwaltung abgegeben. Wann hat eigentlich Herr Meyerding Geburtstag? - Vielleicht wäre das etwas passender.

(Beifall bei der SPD)

Nun müssen sich alle sputen. Arbeitsgruppen, Lenkungskreise und der Beirat. Es werden vier

Arbeitsgruppen gebildet: Organisation, IuK, Rechtsangelegenheiten und Haushalt. Aber alle sind direkt und indirekt von der Arbeitsgruppe ‚Organisation‘ abhängig. Denn hier sollen die Bestandsaufnahme gemacht und die Aufgabenkritik durchgeführt werden. Vorhandene Untersuchungen - z. B. das AFC-Gutachten - sollen miteinbezogen werden, Arbeitsprozesse sollen zusammengeführt werden. Die Fragen der Privatisierung, der Kommunalisierung, der Aufgabenverlagerung, Standortfragen, Fragen der Personalentwicklung, der künftigen Aufgabenentwicklung und noch vieles mehr sollen geklärt werden. All diese Untersuchungen müssen zum größten Teil vorliegen, damit die anderen Arbeitsgruppen überhaupt Arbeitsgrundlagen haben - und das alles in acht Wochen, sprich in fünf bis acht Sitzungen. Wer jetzt noch meint, dass das alles sauber und seriös ablaufen kann, der ist ein Traumtänzer. Und dass man den Staatsmodernisierer eigentlich gar nicht dabei haben möchte, wird deutlich, wenn man sich die uns vorliegende Gremienstruktur und Besetzung anschaut. Ich meine, wir haben mittlerweile fast alle dieses Papier. Auf diesem Papier taucht der Reformbeauftragte nur im Beirat auf.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das geht natürlich nicht!)

Wahrscheinlich hätte Herr Minister Ehlen nichts dagegen gehabt, wenn Herr Meyerding sein Amt erst am 1. August angetreten hätte.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Am 21. August!)

Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag einige für uns wichtige Punkte aufgelistet. Die politische Zielvorgabe und der zeitliche Druck sind kontraproduktiv und lassen große Zweifel daran aufkommen, ob es wirklich um Verwaltungsmodernisierung, um Verschlankung von Aufgaben oder lediglich um politisch/ideologisch motivierte Zielsetzung geht.

Herr Meyerding hat auf der Klausurtagung der SPD-Fraktion auf konkrete Nachfrage ausdrücklich erklärt, dass am Anfang der Verwaltungsreform eine gründliche Aufgabenkritik steht und erst danach eine Bewertung erfolgt. Er sah sich nicht in der Lage - auch nachdem wir ausdrücklich nachgefragt haben -, die Aufgabenkritik für den Bereich der Agrarverwaltung schon in diesem Jahr abzuschließen.

In diesen Tagen gab es eine Pressemitteilung aus dem Innenministerium: Alleingänge der Ressorts soll es nicht geben. Die Verwaltungsreform soll in möglichst einheitlichen Strukturen erfolgen. - Davon ist leider nichts zu spüren. Einzelne Ressorts haben sich schon längst verselbständigt. Das gilt - wie eben beschrieben - für die Agrarverwaltung, für die Forstverwaltung, Vorgabe: Anstalt öffentlichen Rechts. Das gilt für die Katasterverwaltung, Vorgabe: 75 % Privatisierung - und für viele Bereiche mehr. Der Journalist, der unlängst einen Pressebericht zur Verwaltungsreform mit der Überschrift „Wer hat eigentlich den Hut auf?“ versah, liegt mit seiner Ahnung wahrscheinlich nicht so verkehrt, auch wenn man das natürlich gleich - ich gehe davon aus - vehement bestreiten wird.

Die Realität sieht leider anders aus. Gestern hatten wir alle den neuesten Ratsbrief des Städte- und Gemeindebundes in unseren Fächern. Dort steht als Empfehlung an das Land: Die angekündigten Niedersachsen-Reformen sollten in drei Reformschritten erfolgen:

(Friedrich Kethorn [CDU]: Sofort al- so!)