Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

Meine Damen und Herren, ich danke den Vertretern der Gewerkschaft IG BCE und des VCI herzlich, insbesondere aber dem VCI-Nord, denn dort haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam ein Ziel vor Augen, nämlich das Ziel, dass wir unsere mittelständische Industrie wettbewerbsfähig halten. Daher, meine Damen und Herren, ist es ein Thema, das nicht nur für die chemische Industrie von Bedeutung ist, sondern es ist im Prinzip für den gesamten mittelständischen Bereich von Bedeutung, der mit diesen Produkten im Zusammenhang steht. Das ist insbesondere auch die Automobilindustrie.

Wir brauchen einen hohen Standard an Umweltschutz, aber wir brauchen auch ein hohes Maß an Praktikabilität, das wir in den nächsten Monaten im Auge behalten müssen, damit wir es auf europäischer Ebene erreichen. Wir gehen davon aus, dass wir in der neuen Bundesregierung mehr Unterstützung finden werden als in der alten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst absprachegemäß über die Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Ich sehe weder Gegenstimmen noch Stimmenthaltungen. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt.

Ferner stimmen wir, wie wir es vereinbart haben, über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sofort ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 22: Besprechung: Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Umsetzung der Lissabon-Strategie in Niedersachsen? - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/2095 Antwort der Landesregierung - Drs. 15/2150

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Tinius. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat diese Große Anfrage

gestellt, um eine ehrliche Auswertung in Bezug auf die Umsetzung der Lissabon-Strategie in Niedersachsen zu erhalten. Ein ehrliche Auswertung bedeutet auch, auf die Schwierigkeiten, die die Umsetzung mit sich bringt, hinzuweisen. Dass es welche gibt, ist doch keine Frage. Was Sie uns aber vorgelegt haben, heißt, mit Nebelkerzen zu werfen. Dabei müssen wir doch Perspektiven für Niedersachsen entwickeln.

Als ich die Antworten durchlas, musste ich feststellen: Hier fand keine Reflexion des Gewesenen statt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Tinius, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Plaue?

Finden Sie es nicht merkwürdig, dass nicht nur eine unbefriedigende Antwort gegeben wurde, sondern dass sich offensichtlich überhaupt kein Kabinettsmitglied für die Europapolitik und die Lissabon-Strategie zuständig fühlt?

(Minister Hartmut Möllring: Ich bin doch hier! - Bernd Althusmann [CDU]: Der Finanzminister ist doch anwe- send!)

Eigentlich müssten die zuständigen Kabinettsmitglieder anwesend sein. Ich bitte darum, den Ministerpräsidenten darauf aufmerksam zu machen - Europapolitik ist sein Ressort -, dass er heute hier anwesend zu sein hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Plaue, Sie haben jetzt nicht die Möglichkeit, einen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen. Frau Tinius hat nur die Möglichkeit, die Frage zu beantworten.

Ich vermisse sehr wohl jemanden seitens der Landesregierung, der für diesen Themenkomplex zuständig ist.

(Beifall bei der SPD)

Als ich die Antworten durchlas, musste ich feststellen: Hier fand keine Reflexion des Gewesenen statt. Hier wurden keine Ideen entwickelt, hier wurde nach dem alten Dreisatz des Neoliberalismus gehandelt: Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 18. September erhielten die Parteien bei der Bundestagswahl etwas ins Stammbuch geschrieben, und das lautet: Wir wollen keine neoliberalen Ideologen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Sinne gehe ich jetzt auf ausgewählte Fragen und deren Beantwortung ein. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn dabei aufgrund der eingeschränkten Redezeit andere Fragen zurückstehen müssen.

Zum Themenblock Wissenschaft und Forschung: Das, was wir im Bereich Wissenschaft und Forschung lesen konnten, ist mehr als das Werfen von Nebelkerzen. Sie versuchen, den Niedersächsischen Landtag - wie sagt man hier? - hinter die Fichte zu führen. Aber das schaffen Sie nicht. Ihr Zahlenwirrwarr kann über die Wirklichkeit nicht hinwegtäuschen.

(Beifall bei der SPD)

Die Antwort auf unsere Anfrage ist für Ihre Hochschulpolitik ein Bankrotterklärung.

(Beifall bei der SPD)

Die Entscheidung dieser Landesregierung, bei den Hochschulen zu streichen, ist falsch, da können Sie noch so viele Zahlen zitieren. Ihre Hochschulpolitik ist falsch, weil Hochschulen erstens kein Ballast für unser Land sind. Hochschulen sind Stätten für Innovationen und Lebensadern in den Regionen. Jeder Standort ist ein Wirtschaftsfaktor für Niedersachsen.

Die Kürzungen sind zweitens falsch. Die niedersächsischen Hochschulen sind schon jetzt viel schlechter ausgestattet als ihre Konkurrenz in Bayern und Baden-Württemberg. Allein die beiden

Universitäten in München können ein Budget inklusive Drittmitteln von 1,6 Milliarden Euro im Jahr ausgeben. Unsere niedersächsischen Hochschulen dagegen haben zusammen einen Etat von knapp 1,8 Milliarden Euro. Wie unsere Hochschulen im Ranking wieder nach oben klettern sollen, mit noch weniger Geld und schlechterer Ausstattung, bleibt ihr Geheimnis. Statt die Hochschulen für die Aufholjagd auszurüsten, werfen Sie ihnen Knüppel zwischen die Beine.

Die Kürzungen sind aber auch deshalb falsch, weil ein tragfähiges Konzept nicht erkennbar ist. Es sind gerade unsere forschungsstärksten Hochschulen und somit unsere Leistungsträger, die das meiste Geld abliefern müssen. Dieses so genannte Hochschuloptimierungskonzept hat dem Ansehen Niedersachsens als Forschungsland schon jetzt geschadet. Von all diesen Kürzungen ist in Ihrer Antwort gar nichts zu finden.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Antwort für das Parlament ist ein Hohn. Ich möchte das an Beispielen belegen.

Erstens. Um die Hochschulen für den anstehenden Generationswechsel zu wappnen, hatte Thomas Oppermann in nur drei Jahren die Mittel für Berufungen mehr als verdoppelt. Und Sie? Da rühmen Sie sich auf Seite 24 - ich zitiere -:

„Aus der Titelgruppe 06 08 - 74 (For- schungs- und Berufungspool) wurden 71 Berufungen in einem Gesamtumfang von 3,9 Millionen Euro gefördert.“

Wow! Hört sich ja gewaltig an! Aber, meine Damen und Herren, was ist Wirklichkeit? - Sie kürzen den Forschungsund Berufungspool um rund 2,8 Millionen Euro.

Zweitens. Die Landesregierung wird in dieser Legislaturperiode rund 360 Millionen Euro bei den Hochschulen kürzen. Davon entfallen 260 Millionen Euro auf das Hochschuloptimierungskonzept und rund 100 Millionen Euro auf Kürzungen im Rahmen des Zukunftsvertrages. Nie zuvor mussten die niedersächsischen Hochschulen so massive Einsparungen hinnehmen. Fast genauso schlimm wie der Mangel an Geld ist aber auch der eklatante Mangel an Ideen und Konzepten. Das zeigt Ihre Antwort erneut.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt ja eine Menge Zahlen in Ihrer Antwort. Aber die realen Zahlen und Ihre eigenen Kürzungen verschweigen Sie.

Drittens. Der Anteil an Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt soll insgesamt auf 3 % gesteigert werden. Wie sieht es aber aus? - Baden-Württemberg gibt 3,9 % aus, Niedersachsen 2,4 %. Diese Zahlen sagen eigentlich schon alles über Ihren Umgang mit der Lissabon-Strategie.

Nun einige Anmerkungen zu dem Themenblock Finanzen. Eine wichtige europäische Aufgabe besteht in der Harmonisierung der Steuersätze. Die gegenwärtige breite Streuung der einkommensabhängigen Steuern wird auf Dauer nicht haltbar sein. Es ist bezeichnend, dass die Landesregierung die Frage, welche Steuern konkret harmonisiert werden sollen, nicht beantwortet. Sie verliert sich erneut in allgemeinen Schuldzuweisungen an die Bundesregierung und fordert wörtlich: „Wünschenswert wäre eine Angleichung der Steuersätze auf einem möglichst niedrigen Niveau.“ Ja bitte, welches Niveau meinen Sie denn? Das von Lettland oder das von Tschechien?

(Beifall bei der SPD)

Auch diese Landesregierung sollte endlich begreifen, dass wir einen Steuersenkungswettbewerb nicht gewinnen können. Es ist unfinanzierbar, die niedrigen osteuropäischen Steuersätze auf Deutschland übertragen zu wollen. Auch der Hinweis auf einheitliche Bemessungsgrundlagen hilft da nicht weiter.

Ernüchternd ist auch Ihre Bilanz für den Themenbereich Arbeitsmarkt. Erstaunlich ist, dass die Frauenerwerbstätigkeit in Niedersachsen 2004 erstmals wieder rückläufig ist. Anders als im Bundesdurchschnitt ist die Quote von 63,1 % auf 62,7 % zurückgegangen. Damit hat sich der seit 1998 ausgewiesene Positivtrend umgekehrt. Das Land liegt hier unter dem Schnitt der westdeutschen Länder und unter dem Bundesschnitt. Ich kann nicht erkennen, wie die Politik der Landesregierung oder die Forderungen der sie tragenden Parteien das Ziel einer weitergehenden Frauenerwerbstätigkeit befördern sollen. Ihre auf Bundesebene geplanten Anschläge auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz werden eher den gegenteiligen Erfolg haben.

Ich möchte noch einmal kurz auf die Antwort der Landesregierung zum Problem der Frührente ein

gehen. Sie haben bestätigt, dass Sie das faktische Renteneintrittsalter erhöhen wollen. Ich frage mich, wie das im Verhältnis zu der Personalpolitik im Rahmen der Verwaltungsreform steht, bei der Sie bis zum 1. Juli dieses Jahres 423 Beamte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt haben.