Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig für die Zukunft und die Leistungsfähigkeit der EU ist auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie sich weiter vergrößert. Die EU muss in der
Lage sein, eine Aufnahme weiterer Mitglieder tatsächlich zu verkraften. Eine objektive Bestandsaufnahme des derzeitigen Zustands - insbesondere nach dem Scheitern des letzten JuniGipfels - zeigt jedoch sehr deutlich, dass die Union weder von der Schaffung der institutionellen Voraussetzungen noch vom Zustand der Finanzstrukturen her in der Lage ist, weitere Staaten aufzunehmen. Sie ist nicht in der Lage, diese aufzunehmen, wenn diese bevölkerungsreich sind und unter dem Durchschnitt der Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten liegen.
Ich freue mich deshalb, dass das Kriterium der Aufnahmefähigkeit Eingang in die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Berlin gefunden hat. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD haben sich auf eine gemeinsame Haltung zu einem EU-Beitritt der Türkei verständigt. Danach könne ein Beitritt sowohl daran scheitern, dass die Türkei nicht in der Lage sei, alle mit einer Mitgliedschaft verbundenen Verpflichtungen voll und ganz einzuhalten, als auch daran, dass die EU nicht aufnahmefähig sein sollte. In diesem Fall müsse aber das privilegierte Verhältnis der Türkei zur EU weiterentwickelt werden. Das sind die Gegenstände und Vereinbarungen im Rahmen der geltenden Koalitionsvereinbarung. Ich bin froh, dass man hier zu einer Verständigung und damit auch zu einem gleichen Signal an die Beitrittswilligen gekommen ist.
Meine Damen und Herren, es wäre verantwortungslos, der Europäischen Union in ihrem derzeitigen Zustand zusätzliche Erweiterungen zuzumuten. Mit einer überstürzten Erweiterungspolitik muss Schluss sein. Wie ein Unternehmen nach einer starken Wachstumsphase braucht auch die Europäischen Union eine Konsolidierungs- und Integrationsphase, um mit der bei weitem größten und komplexesten Erweiterung ihrer Geschichte fertig zu werden.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zum Thema EU-Rechtsetzung. Die EU-Kommission selbst schätzt, dass Überregulierung die europäische Industrie jährlich rund 50 Milliarden Euro kostet. In Deutschland betragen die Kosten für Bürokratie schätzungsweise 48 Milliarden Euro jährlich.
Vor zwei Jahren forderten die Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens: Bei politischen Entscheidungen müssen wir uns daran erinnern, dass sich die europäische Industrie im globalen Wettbewerb behaupten muss. Sie kann nicht als Feld für Regulierungsexperimente benutzt werden, die Kosten und Belastungen für Arbeitgeber erhöhen. - Dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Wir begrüßen, dass auch bei der Kommission die Einsicht gewachsen ist, endlich wirksame Maßnahmen zum Bürokratieabbau einzuleiten. In einem ersten Schritt hat sie 68 EU-Vorschriften ausgemustert. Das ist aber erst ein Tropfen auf den heißen Stein. Weiterreichende Eingriffe sind dringend notwendig.
Angesichts des Regulierungswahns einer überbordenden Brüsseler Bürokratie fordern wir deshalb, den Subsidiaritätsgedanken endlich ernst zu nehmen. Wir wollen, dass vor jeglicher beabsichtigter Regulierungsinitiative der Kommission geprüft wird, ob die Angelegenheit nicht besser von den Mitgliedstaaten selbst erledigt werden kann.
Zweifelsohne gibt es Bereiche, in denen eine EUweite Abstimmung sinnvoll ist. Angesichts der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus denke ich dabei z. B. an Absprachen in Sicherheitsfragen oder Vereinbarungen zu Menschen -, Drogen- und Waffenhandel.
Es gibt aber auch andere Beispiele. Gegenwärtig wird im Europaparlament die erste Lesung zum REACH-Verordnungsentwurf vorbereitet. Die Ausschussberatungen zumindest im Binnen- und Industrieausschuss konnten dazu beitragen, die völlig inakzeptable Entwurfsfassung in der Kommission praktikabler zu gestalten. Der dann aber von der britischen Präsidentschaft vorgelegte so genannte Kompromissvorschlag nähert sich in vielen Punkten dem Ursprungsvorschlag der Kommission wieder an.
Ich hoffe hier noch auf eine politische Einigung, wie sie von der neuen Bundesregierung gemeinsam avisiert wird. Das ist auch für Niedersachsen
sehr wichtig. Anderenfalls wird REACH in einem nicht mehr akzeptablen Maße die Unternehmen belasten und verschlechtert damit deren internationale Wettbewerbsposition.
Manche Absurdität macht sich aber auch im Kleinen fest. Bei meinen Gesprächen mit Mittelständlern und Vertretern der Industrie- und Handelskammern bin ich wiederholt auf Überregulierungen oder kostenintensive Vorgaben hingewiesen worden. So habe ich beispielsweise erfahren, dass Arbeitgeber verpflichtet werden sollen, ihre Arbeitnehmer u. a. vor natürlicher Sonneneinstrahlung zu schützen. Ich glaube, das ist nur ein Beispiel von vielen, die wir nicht weitertreiben wollen und auf die wir schlicht achten müssen. Wir wollen nicht zum Opfer von Dogmen werden. Deshalb lehnen wir auch die Dienstleistungsrichtlinie, das Antidiskriminierungsgesetz und auch das Port Package entschieden ab.
Die Zustimmung in Deutschland zur EU liegt mittlerweile unter 50 %. Ich bin mir sicher, dass Überregulierung und das Gefühl der Bevormundung durch eine letztlich anonyme EU-Bürokratie einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
Die Menschen in Deutschland haben kein Verständnis mehr dafür, dass auf der einen Seite ein für sie weitgehend anonymer Apparat immer mehr Geld fordert, aber dass auf der anderen Seite nicht erkennbar wird, was sie dafür erhalten. Auch die zukünftige Bundesregierung plädiert dafür, für die neue Finanzperiode von 2007 bis 2013 nur 1 % des Bruttoinlandseinkommens zum Haushalt beizusteuern.
Meine Damen und Herren, ich sage aber auch: Der so genannte Britenrabatt - immerhin 4,6 Milliarden Euro jährlich - kann nicht auf Ewigkeit Bestand haben.
Großbritannien steht heute besser da als vor 20 Jahren. Dem muss auch Rechnung getragen werden. Ob es aber der britischen Präsidentschaft gelingt - das ist ja schon angeklungen -, den Bei
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Eine Regie- rungserklärung ist nicht beantragt worden! - Heidrun Merk [SPD]: Es gibt vereinbarte Redezeiten! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Frau Ministerin, einen Augenblick, bitte! - Meine Damen und Herren, es ist richtig, im Ältestenrat sind Redezeiten vereinbart worden.
Diese sind auch für die Landesregierung richtungweisend; sie sollte sich daran halten. Die Redezeit ist schon fast um das Dreifache überschritten.
Ich kann der Ministerin das Wort aber nicht entziehen. Sie hat das Wort und wird es auch weiterhin haben.
Ich hoffe schlicht und ergreifend darauf, dass die Nachfolgepräsidentschaft Österreichs den Dingen, die nicht geklärt werden konnten, zu einem positiven Ende verhelfen wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.
- Meine Damen und Herren, eigentlich ist es üblich, dass man ruhig ist, wenn der Präsident spricht, um zu erfahren, wie die Sitzung weitergeht.
Tagesordnungspunkt 18: Einzige (abschließende) Beratung: Theaterformen in Niedersachsen fortsetzen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2023 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 15/2299
Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Fassung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass wir den Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP ablehnen.
Ich will aber hinzufügen: Ich freue mich sehr, dass die Ausschussberatungen dazu geführt haben, dass sich meine Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der CDU inhaltlich darüber einig sind, dass wir das Festival „Theaterformen“ fortsetzen wollen.