Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf den gesamten Komplex eingehen. Das Scheitern der Verhandlungen mit dem Ministerium im Frühjahr 2005, das bundesweite Festival „Theater der Welt“ nach Hannover zu holen, machte deutlich, dass es vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur offensichtlich keine Kraftanstrengungen in dieser Hinsicht gegeben hat und dass auch nicht zu erwarten war, dass es im Ministerium ernsthafte Bemühungen geben würde, das niedersächsische Festival „Theaterformen“ fortzusetzen. Im Gegenteil: Es war zu befürchten, dass die Landesregierung nun auch bei dem Festival „Theaterformen“ in Agonie verfallen würde.

Dieser Stillstand, sehr geehrte Damen und Herren, war Anlass, unseren Entschließungsantrag „Theaterformen in Niedersachsen fortsetzen“ einzubringen.

Welche Bedeutung hat das Festival „Theaterformen“ für das Land Niedersachsen? - Die „Theaterformen“ finden in Braunschweig und Hannover statt und sind inzwischen das wichtigste Theaterfestival in Deutschland überhaupt. Viele von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, haben einige der Aufführungen besucht und wissen, worüber wir reden, und wissen auch um die Bedeutung dieses Festivals. Nationale und internationale Theaterentdeckungen werden bei diesem Festival vorgestellt. Für viele Regisseure und Gruppen ist das Festival der Grundstein für ihren Weg in deutsche Staatstheater - wobei das natürlich nicht bindend ist.

Die „Theaterformen“ waren konzeptionell als Biennale angelegt. Das macht auch Sinn - wir kennen die Abläufe bei Festivals -, wenn man die Kontinuität eines Festivals erhalten und damit vor allem junge Zuschauer binden möchte. Auch die Abteilungsleiterin - ich habe mich damals sehr darüber gefreut - Frau Dr. Schwandner lobte bei der Eröffnung der „Theaterformen“ im Jahre 2004 in Braunschweig diese experimentelle und innovative Form des Festivals und versprach, sich für die Fortsetzung der „Theaterformen“ einzusetzen. Das Ministerium sprach von einem „Leuchtturm der Kultur“, der auch weiterhin strahlen solle. So weit, so gut. Wir alle dachten, es geht weiter. Diese Aussage ließ damals alle davon ausgehen, dass das Kulturministerium auch weiterhin an den „Theaterformen“ festhalten und ein tragbares Konzept zur Finanzierung entwickeln würde.

Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Gerd Hoffmann, warnte damals das Ministerium eindringlich vor einem Verzicht auf die „Theaterformen“, die für die wichtige Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Ausdrucksformen des Theaters stünden, und kündigte an - das fanden wir sehr in Ordnung -, den städtischen Zuschuss für die „Theaterformen“ von 110 000 Euro auf 330 000 Euro zu erhöhen.

Die Stadt Hannover erklärte nach wie vor ihr großes Interesse an der Fortsetzung des Festivals und steht nach wie vor zu ihrem Wort, sich auch finanziell erheblich an diesem Festival zu beteiligen. Beide Intendanten, sowohl Wilfried Schulz vom Schauspielhaus in Hannover als auch Wolfgang Gropper vom Staatstheater in Braunschweig,

setzten sich leidenschaftlich für die Fortsetzung dieses Festivals in Niedersachsen ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, Fazit ist: Diese Landesregierung hatte kompetente Partner, die sich auch finanziell beteiligen wollten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Allerdings war das alles noch nicht von Erfolg gekrönt. Erst unser Entschließungsantrag brachte das Ministerium dazu, sich wieder neu mit den „Theaterformen“ zu beschäftigen. Deswegen freut es mich umso mehr, dass es in unserer Debatte gelungen ist, eigentlich alle Fraktionen wieder für die „Theaterformen“ zu gewinnen, das Ministerium aus dem begonnenen Dornröschenschlaf zu erwecken und von ihm die Aussage zu erhalten, die Fortsetzung der „Theaterformen“ mit zu unterstützen. Es gab also eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den Fraktionen.

Leider - dies bedaure ich außerordentlich - hat die FDP-Fraktion im letzten Moment darauf bestanden, die gemeinsam gefundene Formulierung hinsichtlich der zu gewährleistenden Finanzierung durch das Ministerium unter Einbeziehung der Städte Hannover und Braunschweig zu ändern. Die FDP-Fraktion will das Handeln des Ministeriums auf Koordinierungsfragen reduzieren. Diese Formulierung, sehr geehrte Damen und Herren, wird der Aufgabe des Ministeriums im guten Sinne von Gestalten, Begleiten und Verantworten in keiner Weise gerecht.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch nach den Äußerungen der FDP-Fraktion im Ausschuss ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass die FDP kneift und sich ein Hintertürchen offen lassen will.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wie immer!)

Schade, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, hat sich doch gerade Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Rösler, der gerade nicht hier ist, als Retter und Kenner der freien Theater darstellen wollen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Tja!)

So ist das: Kultur, sehr geehrter Herr Rösler - Herr Riese, Sie werden es ihm berichten -, lebt nicht

von kurzfristigen Hurra-Rufen, sondern von einer kontinuierlichen und verlässlichen Politik.

Sehr geehrte Damen und Herren, aus den dargelegten Gründen lehnen wir den Änderungsvorschlag ab. Gleichzeitig sind wir alle uns aber im Wesentlichen einig: „Theaterformen“ in Niedersachsen werden fortgesetzt. Das ist insgesamt ein großer Erfolg. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Riese das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich sicherlich nur darüber einig sein, dass ein Festival wie „Theaterformen“ bundesweit, europaweit Beachtung findet, dass es ein positiver Beitrag zur Theaterkultur im Lande Niedersachsen ist.

(Beifall bei der FDP)

Andererseits wären wir natürlich sehr schlecht beraten, angesichts der Struktur unseres Haushalts, namentlich des Haushalts für Wissenschaft und Kultur, durch eine Parlamentsentscheidung zu einem Entschließungsantrag Festlegungen zu treffen, die den Minister in einer Weise binden, dass er am Ende die Finanzierung sicherzustellen hat. So, verehrte Frau Bührmann, wollten Sie das haben, die Sympathie, die wir alle miteinander empfinden, sollte den Minister nicht in dieser Weise binden.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Stadt Braunschweig ist zunächst sehr zu loben. Sie hat ihren Beitrag für zukünftige Finanzierungen des Festivals „Theaterformen“ von 110 000 Euro auf 330 000 Euro durch Garantieerklärung des Oberbürgermeisters erhöht. Das ist ein richtiger Schritt.

Wenn wir uns dem Lande Niedersachsen insgesamt zuwenden und überlegen, wo die knappen Mittel für Kultur, die wir ausgeben, verausgabt werden, dann stellen wir fest, dass mehr als zwei Drittel der Kulturmittel in ehemalige Landeshauptstädte fließen, nämlich nach Hannover, Braunschweig und Oldenburg, hauptsächlich gebunden

durch große Einrichtungen wie Staatstheater. Auch die Landesmuseen sind zu erwähnen. Allerdings auch im Bereich der freien Kultur wird an diesen Orten - das ist auch ganz gut so - noch viel weiteres Geld in den diversen Sparten ausgegeben.

Keinesfalls leben allerdings zwei Drittel der Bürger des Landes Niedersachsen in den drei genannten Orten. Mich fragen die Menschen in Twistringen, in Schneverdingen und auch in Elze: Was machst du, Roland Riese, Kulturpolitiker der FDP-Fraktion im Lande Niedersachsen im Bereich Kultur für uns? Wenn ich ihnen sage: „Ihr könnt ja nach Braunschweig fahren“,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jeder Ge- meinde ihr Staatstheater! - Twistrin- gen braucht ein Staatstheater!)

dann sagen die: „Das ist aber man weit weg.“

Von daher ist eine Einrichtung für ein Festival „Theaterformen“ - so ist es in dem Entschließungsantrag niedergelegt - zunächst eine Aufgabe der Orte, die es veranstalten wollen. Wenn die Intendanten wie Herr Schulz und Herr Gropper einen so großen Wert darauf legen, dann müssen sie natürlich aus ihren eigenen Etats beisteuern. Wenn die Städte einen so großen Wert darauf legen, dann muss Hannover dem Beispiel von Braunschweig folgen und sich angemessen an der Finanzierung beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur wachsen Koordinierungsaufgaben zu, wie es im Antrag beschrieben ist. Ich bin sehr sicher, dass sie bei unserem Minister für Kultur in allerbesten Händen sind. Wenn im Rahmen der Projektförderung, wie sie für andere hochwertige Kulturveranstaltungen im Lande Niedersachsen möglich ist, aus den dafür zur Verfügung stehenden Titeln, aus Stiftungsmitteln und anderen Mitteln, die durch Koordinierung des Ministers für Kultur verausgabt werden können, noch Landesmittel zur Verfügung stehen, dann ist das Festival gesichert.

Wir hören, dass sich für dieses hoch beleumundete Festival im Jahre 2004 doch nur 8 400 Zuschauer auf den Weg machen wollten. Das ist keine sehr hohe Zahl. Vor diesem Hintergrund ist der Appell, ein solches Festival auch unter dem Gesichtspunkt zu gestalten, dass es die Menschen anspricht, dass sie auch hingehen, selbst auch

einen finanziellen Beitrag leisten, eine sehr wohl zu vertretende Forderung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Twistringen kriegt jetzt ein Staatstheater, gleich neben der Stiftungsschule!)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Schrader das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Bührmann. Ich hatte aufgrund der Diskussion, wie ich sie im Fachausschuss wahrgenommen habe, festgestellt, dass sich das MWK dort relativ positiv gegenüber den „Theaterformen“ geäußert hat. Ich denke mir auch, dass wir als Fraktionen - ich meine alle vier Fraktionen - uns in der Sache einig sind, diese „Theaterformen“ wieder einzuführen. Darum sind wir von CDU und FDP Ihrem Ansinnen gefolgt, auch wenn wir einen Änderungsvorschlag vorgelegt haben. Wir sind uns aber in der Sache einig.

Was will die CDU? Die CDU will, dass das Festival „Theaterformen“ nach 2004 wieder ab 2007 in den Städten Hannover und Braunschweig ohne Wenn und Aber stattfindet.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sehr gut!)

Ich will nicht unbescheiden sein. Aber als Braunschweiger Abgeordneter - erlauben Sie mir das wäre es für mich eine Freude, wenn der Anfang in der Region Braunschweig gemacht würde. Aber so weit sind wir noch nicht. Gerade hat die Stadt Braunschweig gegenüber dem Fachministerium ausdrücklich erklärt - beide Vorredner haben es erwähnt -, ihre Beteiligung an den Kosten für das Festival von bisher 110 000 Euro auf 330 000 Euro zu erhöhen, also zu verdreifachen. Als Landeshauptstadt - das muss ich hier natürlich auch sagen - muss Hannover ein großes Interesse an der Fortsetzung des Festivals haben und kann sich nicht mit Absichtserklärungen - ich will es mal so bezeichnen - aus der Affäre ziehen.

(Christina Bührmann [SPD]: Nein, tun sie nicht!)

- Wir warten es ab. Der Betrag, mit dem sich die Stadt Hannover zu beteiligen hat, muss sich an der

Einwohnerzahl orientieren, die mit 500 000 Einwohner mehr als doppelt so hoch ist wie die von Braunschweig. Die Stadt Hannover kann aber nicht einerseits die Absicht erklären, Mittel in den Haushalt 2007 einzubringen, aber andererseits gleichzeitig auf den Vorbehalt entsprechender Ratsbeschlüsse verweisen. Nein, hier erwarten wir als CDU-Fraktion ein klares Bekenntnis der Stadt Hannover, eine klare finanzielle Zusage, sich am Festival zu beteiligen.

(Christina Bührmann [SPD]: Tut sie ja auch, Herr Schrader!)

- Okay, ich warte darauf; ich habe die Zahl noch nicht vorliegen.

Neben dem zugesagten Betrag aus der Stadt Braunschweig und den erwarteten Zusagen der Stadt Hannover gibt es positive Signale der Lottostiftung und der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz, das Festival „Theaterformen“ zu unterstützen. Dazu wurden auch weitere - sicherlich wird das MWK darauf eingehen Erfolg versprechende Gespräche mit anderen Stiftungen und Einrichtungen geführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn dann die finanziellen Zusagen alle so eintreten wie von uns erhofft, hat die CDU-Fraktion absolut kein Problem damit, dass das Kulturministerium das Konzept und auch die Finanzierung des Festivals sicherstellt.

Unabhängig von der Finanzierung sind das Kulturministerium und die Intendanten - Sie haben es auch schon erwähnt - der Staatstheater Hannover und Braunschweig ganz intensiv auf der Suche nach einer Festivalleitung für die „Theaterformen“. Ich denke, eine personelle Entscheidung wird noch im Jahre 2005 getroffen. Nach einer Einarbeitungszeit so Mitte des Jahres 2006 sollte dann die Festivalleitung gemeinsam mit den Intendanten der Städte Braunschweig und Hannover das Konzept und die Zeitplanung dem Fachausschuss vorstellen.