Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Zuruf von Meta Janssen-Kucz [GRÜNE])

Sie haben völlig vergessen, zu erwähnen, dass wir das Modell „Bewegter Kindergarten“ auf den Weg gebracht haben. Das alles hätten Sie auch machen können. Aber in den 13 Jahren, in denen ich dem Niedersächsischen Landtag als Abgeordnete der Opposition angehört habe, ging es im KitaBereich grundsätzlich immer nur um Quantität. Es ging nie um Qualität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dazu passt auch die Aussage des Noch-Kanzlers, dass das Thema „frühkindliche Bildung“ in die Ecke des Gedöns gehört. Diese Aussage entspricht der Tatsache, dass die SPD-Fraktion - damals noch unter Schröder - diesen Bereich nie aufgegriffen hat.

Wir gehen demgegenüber weiter. Wir wollen die neuesten Erkenntnisse der Hirnforscher und Entwicklungspsychologen in die Ausbildung, Fortbil

dung und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher mit einbringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist der entscheidende Punkt, Frau JanssenKucz. Dabei sind wir doch völlig auf einem Nenner. Wir alle wollen doch, dass unsere Kinder von klein auf optimal gefördert werden. Neben der Familie sind dafür die Fachkräfte in unseren Kitas zuständig.

Weiter haben wir uns die derzeitige Situation bei uns in Niedersachsen angeschaut. Wir haben in Niedersachsen bereits - das wissen Sie alle schon eine ganz phantastische Ausbildung: die vierjährige Erzieherausbildung an der Berufsfachschule und an der Fachschule. Sie wird den Anforderungen der KMK-Richtlinie definitiv gerecht.

Man könnte jetzt sagen: Das ist in Ordnung, dabei bleiben wir. - Nein, wir in Niedersachsen wollen mehr. Wir wollen, dass hier mehr gemacht wird. Also sagen wir: Auf der einen Seite müssen wir uns darüber Gedanken machen, welche jungen Menschen wir eigentlich in die Erzieherausbildung bringen wollen und welches Anforderungsprofil wir von diesen jungen Leuten erwarten. Wir können festhalten - bisher ist das Anforderungsprofil nicht da -: Wir möchten, dass die Erzieherinnen und Erzieher, die jetzt in die Ausbildung gehen, wenigstens im Bereich Deutsch eine entsprechende Vornote haben. Wir möchten definitiv eine entsprechende Vorbildung bzw. entsprechende Noten, damit wir sicher sein können, dass diese Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas pädagogisch gut arbeiten.

Nun sagen Sie: Das alles reicht uns nicht.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Selbstverständlich!)

Wir sagen: Das Zweitkraftniveau muss mindestens auf den Stand des Sozialassistenten angehoben werden. Sie sagen, das reicht Ihnen nicht aus. Sie möchten alles akademisieren - eine vollständige Akademisierung.

Wir von der CDU haben Ihnen - ich glaube, es war 1998 - bereits vor der Anhörung gesagt

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Letztes Jahrhundert jedenfalls!)

- korrekt, Herr Jüttner, gut gerechnet -, dass wir gerade vor dem Hintergrund der europäischen

Dimension - wir liegen an zweitletzter Stelle - den Eindruck haben, dass es sinnvoll ist, eine vollständige Akademisierung vorzunehmen. Wir haben dann in der Anhörung gehört, dass das nicht gewünscht wird. Wir haben uns dann weiter mit dieser Thematik auseinander gesetzt. Es ist ja leicht, immer nur einfach zu fordern. Das ist der einfachere Weg. Aber man muss sich immer die Frage stellen: Ist das auch sinnvoll und tatsächlich eine Verbesserung?

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Berufsfachschulen Sozialassistent/in und der Fachschulen für Sozialpädagogik in Niedersachsen sagt heutzutage völlig zu Recht: Aus unserer Sicht bringt das Ersetzen der Fachschulausbildung durch eine Fachhochschulausbildung keinerlei Verbesserungen der Berufsqualifikation. - Ich habe es schon gesagt: Das ist schon bei der Anhörung in der letzten Legislaturperiode sehr deutlich geworden.

Herr Kollege Robbert, Sie werden wahrscheinlich gleich darauf beharren, dass es trotzdem gut ist und dass wir das trotzdem machen sollten. Ich sage Ihnen: Wir können unsere jetzigen Erzieherinnen und Erzieher in unseren Fachschulen super aus-, weiter- und fortbilden, wenn die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung und der Entwicklungspsychologie in das entsprechende Anforderungsprofil aufgenommen werden.

Wir haben auch gesagt: Unsere Erzieherinnen und Erzieher müssen mindestens einen befriedigenden Leistungsstand im Fach Deutsch erzielen und berufsspezifische Anforderungen erfüllen. Ist das eigentlich zu viel verlangt? - Jetzt ist das noch nicht einmal vorgeschrieben. Wir gehen also zwei Schritte weiter, als es bisher der Fall war.

Wir gehen aber noch einen weiteren Schritt weiter. Wenn wir uns schon nicht darauf verständigen können, die Ausbildungssituation insgesamt zu akademisieren, dann können wir uns möglicherweise darauf verständigen - das war unsere Zielrichtung - für die Leitungs-, Führungs- und Beratungsfunktion bei entsprechender Nachfrage Fachschulangebote zu schaffen. Sie haben gesagt: Nein, das wollen wir auch nicht. - Ich finde es frappierend, dass die Damen und Herren von der SPD-Fraktion und von der Fraktion der Grünen den Antrag heute ablehnen - einen Antrag, in dem es uns um die Verbesserung der Ausbildung, der Weiter- und Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher geht. Aber die linke Seite des Hauses sagt: Da machen wir nicht mit, das ist uns zu we

nig. - Man kann immer sagen, dass es zu wenig ist. Aber das ist jetzt eine Verbesserung der Situation - und darauf kommt es an.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Deswegen kann ich Sie nur auffordern: Stimmen Sie unserem Änderungsvorschlag zu; denn dieser hat das zum Ziel. Frau Eckel und ich haben in der letzten Woche auch bei der Fachtagung von McKinsey gehört, dass wir die besten Leute und die besten Architekten für unsere Kinder brauchen. Wir müssen früh investieren, anstatt spät zu reparieren. Das machen wir mit dieser Landesregierung. Sie ist auf dem richtigen Weg. Mit dem heutigen Antrag setzen wir noch ein weiteres Mosaiksteinchen dazu.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, während Frau Vockert sprach, war es sehr laut. Ich wollte sie nicht unterbrechen. Aber ich meine, wir sollten den jeweiligen Rednern gegenüber etwas fairer sein und die Gespräche nicht hier, sondern draußen führen.

Jetzt hat Herr Kollege Robbert von der SPDFraktion das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Vockert, ich habe Ihren Redebeitrag ja schon kommen sehen.

(Ursula Körtner [CDU]: Der war zu erwarten!)

Er wird niemanden weiter verwundert haben.

Ich möchte - so wie Sie - auf die erste Beratung eingehen - danach hat ja auch nicht mehr viel Beratung stattgefunden - und noch einmal unterstreichen, worum es geht. Mir ist nicht ganz klar, woher Sie Ihre Kenntnisse haben. Auch Sie müssen ja Kindertageseinrichtungen kennen. Wir haben im Land ungefähr 4 200 Kindertageseinrichtungen mit einer Vielzahl von Trägern. Das ist der Hintergrund, vor dem wir uns bewegen. Diese Einrichtungen sind unter Umständen regional unterschiedlich geprägt, d. h. sie arbeiten mit unterschiedlichen Profilen. Sie haben bei der ersten Beratung - und heute eigentlich auch - abgesprochen, dass in diesem Bereich Bildungsarbeit in

einem Ausmaß stattfindet, das dem Bildungsauftrag des Gesetzes gerecht wird. Das ist nach meiner Auffassung völlig daneben, Frau Vockert.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich darf daran erinnern, wie es 1990 war - einfach deswegen, weil ich in diesem Bereich gearbeitet habe und die Schwierigkeiten und Mühen kenne, die die damalige Regierung bezüglich der pädagogischen Konzepte auf sich genommen hat. 1988 und 1989 wollten die Region Cuxhaven und auch andere Regionen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam erziehen. Sie hat hierfür Konzepte entwickelt. Die damalige Landesregierung war aber nicht bereit, auch nur ein Modell zu genehmigen. Dafür mussten wir ein Jahr kämpfen, und es war nicht klar, ob das Modell danach als Projekt weitergeführt werden durfte. Erst nach dem Regierungswechsel 1990 ist 1991 entschieden worden, dass die Modellphase ausläuft - sie war befristet - und dass das Projekt weiterentwickelt wird. Das heißt, seinerzeit ist aufseiten der Einrichtungen, aufseiten der Träger und der Kommunen ein Bildungskonzept entwickelt worden - in diesem Fall vor dem Hintergrund der gemeinsamen Erziehung -, und es ist überhaupt nicht zu erkennen, wie irgendjemand behaupten kann, dass im Land landesweit der Bildungsauftrag nicht wahrgenommen worden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben in diesem Fall den Erzieherinnen und Erziehern sowie den Trägern dafür herzlich zu danken.

(Beifall bei der SPD)

Immer wieder nehmen Sie Bezug auf die Ergebnisse der Hirnforschung. Die sind sehr wichtig. Ich darf daran erinnern: Hier im Hause hat in der letzten Wahlperiode Professor Roth, damals Leiter des Hansekollegs, Dinge vorgetragen, die meines Erachtens zu einer neuen Sicht führen müssen. Ein Kernsatz bezogen auf die frühkindliche Erziehung ist: Man kann und darf nicht davon ausgehen - wie es gemeinhin der Fall ist -, dass ein Kind erst mit seiner Geburt über seine Hirnfähigkeiten verfügt. Das ist schon vorher der Fall. Wenn man das weiß, muss das zu anderen pädagogischen Ausrichtungen führen. Das passiert ja auch. Die Frage ist aber, ob das erst dann passiert, wenn diese Ergebnisse der Hirnforschung verbreitet werden oder wenn sie so, wie Sie es tun, zum Nonplusultra erhoben werden.

Die Konzepte, von denen ich gerade gesprochen habe, haben sich ja auch orientiert. Der Satz von Piaget „Das Kind ist Motor seiner Entwicklung“ ist ja nichts anderes als die Ausrichtung der pädagogischen Arbeit auf das Kind, um das Kind zum zentralen Punkt eines Bildungskonzeptes zu machen.

Insofern ist, glaube ich, der Vorwurf, dass die Vorgängerregierung immer auf Quantität statt auf Qualität gesetzt hat, völlig unberechtigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Denn nur mit einer Regierung, die diese Konzepte auch unterstützt, die also auch begleitende Maßnahmen dazu entwirft, ist es möglich, in dieser Art und Weise zu arbeiten.

Die Beratung des Antrages, den die Fraktion der Grünen gestellt hat, war ja eigentlich keine echte Beratung. Sie hatten eine festgelegte Position. Ich meine, es wäre nicht gerecht, zu sagen, wir hätten darüber beraten. Im Ausschuss ist es behandelt worden, mehr schlecht als recht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Frau Vockert, ich möchte noch die Rolle der Volkshochschulen beschreiben. Sie haben in diesem Zusammenhang von mehr als 1 000 Erzieherinnen und Erziehern gesprochen, die dort inzwischen für das Projekt „Gemeinsame Erziehung“ ausgebildet worden sind. Warum ist das denn so gelaufen? - Weil es Träger gibt - es sind vor allen Dingen konservative Träger -, die nicht bereit waren, ihre Erzieherinnen und Erzieher für diese Fortbildung freizustellen. Die mussten das in ihrer privaten Zeit machen. Bei dem Cuxhavener Modell war es anders. Die Cuxhavener und andere, die in diesen Modellprojekten gesteckt haben, die das erarbeitet haben, haben mit daran gearbeitet, für die Fortbildung bei der Volkshochschule Konzepte zu entwickeln. So ist das gelaufen. Ich meine, das ist vernünftig so gelaufen. Dann sind die Konzepte auch tragfähig.

Heute ist bei den Kindertagesstätten viel in Bewegung, weil die neuen Anforderungen auch da ihre Wellen schlagen. Ich glaube schon, dass es hilfreich ist, den Orientierungsplan zu haben. Ich habe schon einmal gesagt, dass es wichtig ist, ihn auch verpflichtend zu machen. Aber die Qualität der Beratungen möchte ich noch einmal damit skizzieren, dass ich mich sehr gewundert habe, Frau Vockert, dass Sie aus Ihrer Koalition heraus einen

Änderungsantrag stellen, der drei Tage jünger ist als die Veröffentlichung im Schulverwaltungsblatt. Denn das, was dort in der November-Ausgabe ab Seite 557 steht - das kann man nachlesen -, haben Sie in dem Änderungsantrag in Stichworten zusammengefasst.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun ist ja in der Politik ein Plagiat nicht strafbar, sondern es dient manchmal dem Erfolg. Aber wenn man das abschreibt, was die von Ihnen gestützte Regierung schon durchführt oder zumindest durchzuführen bekannt gibt, dann ist das schon ein sehr seltsames parlamentarisches Verständnis.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das zeigt auch, wie ernst wir Sie mit Ihren inhaltlichen Aussagen nehmen müssen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Kollege Hans-Werner Schwarz von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Schwarz!