Protokoll der Sitzung vom 07.12.2005

Allein der Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die Reform der Beihilfe für Beamte entlasten die niedersächsischen Kommunen in der Summe um ca. 70 Millionen Euro jährlich und damit dauerhaft.

Natürlich wissen wir, dass die finanzielle Lage der Kommunen weiterhin schwierig ist. Eine umfassende Gemeindefinanzreform auf Bundesebene bleibt deshalb ein ganz wichtiges Thema.

(Beifall bei der CDU)

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass längst nicht alle Städte und Gemeinden in Niedersachsen vergleichbare Konsolidierungsanstrengungen unternehmen, wie sie beim Land seit zweieinhalb Jahren Praxis sind. Als Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder habe ich mich überdies sehr gewundert, wie man angesichts der Kassenlage der Kommunen einen Tarifabschluss zu Konditionen akzeptiert hat, die wir uns als Land längst nicht haben leisten können. Allein für das Land wären das Mehrbelastungen von mindestens 60 Millionen Euro pro Jahr gewesen, und bei den Zahlen wissen Sie, dass das nicht geht.

Aus meiner Sicht ist es ein äußerst fragwürdiges Vorgehen, einen Vertrag abzuschließen - in diesem Fall einen Tarifvertrag -, der erhebliche finanzielle Mehrbelastungen auslöst, und dann beim Land mit der Forderung vorstellig zu werden, dass es dies bezahlt. Ich muss jetzt allerdings fairerweise sagen, dass vor wenigen Tagen der Kommunale Arbeitgeberverband in Niedersachsen die entsprechenden Verträge gekündigt hat und sich damit von der Bundeslinie gelöst hat, sodass hier wenigstens eine Stringenz zu erkennen ist.

(Beifall bei der CDU)

Dem Schreiben der kommunalen Spitzenverbände vom 27. Oktober dieses Jahres ist ein Bericht zur Finanzlage der kommunalen Gebietskörperschaften in Niedersachsen und zur fehlenden finanziellen Mindestausstattung angefügt. Die Landesregierung hatte bereits am 22. Juni den jährlichen Be

richt zur Entwicklung der Finanz- und Haushaltslage des Landes Niedersachsen und der niedersächsischen Kommunen vorgelegt, der erheblich ausführlicher die finanzielle Situation sowohl der Kommunen als auch des Landes dokumentiert und auch als Entscheidungsgrundlage für den kommunalen Finanzausgleich dient.

Dieser Bericht geht auf die Kassenkredite der Kommunen ein, die in den letzten Jahren angestiegen sind. Interessanterweise sind von diesem Anstieg nicht alle Kommunen in Niedersachsen in gleichem Maße betroffen. Diejenigen, die betroffen sind, haben zum Teil gleichzeitig ihre Kreditmarktschulden in ganz erheblichem Umfang abgesenkt.

Ich will gar nicht die Frage stellen, ob Kassenkredite im Einzelfall günstiger sein können als Kreditmarktschulden, vor allem dann, wenn sich das dem Kämmerer vor Ort wirtschaftlicher darstellt. Meine Bitte ist aber, dann keine besonderen Belastungen für die Kommunalhaushalte allein aus der Höhe der stichtagsbezogen erfassten Kassenkredite abzuleiten, sondern die Kreditmarktschulden und daraus resultierende Zinsbelastungen in die Betrachtung einzubeziehen. Denn dann ergibt sich ein ganz anderes Bild.

Die Zinsausgaben der niedersächsischen Gemeinden erreichten in den Jahren 1993 und 1994 mit jeweils 643 Millionen Euro ihren bisherigen Höchststand. Seitdem allerdings gingen sie kontinuierlich zurück. Im vergangenen Jahr haben die Gemeinden 489 Millionen Euro an Zinsen gezahlt und liegen damit deutlich unter dem Ausgabeniveau der 90er-Jahre.

Da also die Zinsausgaben absolut zurückgehen und in der Folge auch die Zins-Steuer-Quote, sollte man aus der alleinigen Betrachtung der Kassenkredite keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Meine Damen und Herren, Herr Althusmann hat im Haushaltsausschuss noch eine Reihe von Zahlen vorgetragen, die belegen, dass auch nach Absenkung der Steuerverbundquote die Verteilungssymmetrie gewahrt bleibt.

Es ist deshalb nach unserer Einschätzung kein Zufall, wenn die Spitzenverbände in ihrer letzten Stellungnahme betonen, das Land verletze den Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung der Kommunen. Abgehoben wird danach also nicht mehr auf dieses große Ganze, sondern auf die Haushaltslage einzelner Gemeinden.

Dieser Protest kann nach meiner Überzeugung dann aber nicht mehr gegen das Finanzverteilungsgesetz gerichtet sein; denn der Staatsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2001 anerkannt, dass sich das Land bei der Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs an der Verteilungssymmetrie orientiert und diese Verteilungssymmetrie mit der Gegenüberstellung der Finanzierungssalden der beiden Ebenen beurteilt. Wie anders sollten wir es als Landesregierung denn auch machen? Wir können nur die Salden zugrunde legen. Soweit es zu Verwerfungen zwischen Kommunen kommt, kann dann im Einzelfall über Bedarfszuweisungen nachgesteuert werden. So ist die gängige Praxis. Alternativen dazu haben auch die kommunalen Spitzenverbände nicht vorgelegt. Stattdessen fordert man vom Land schlicht mehr Geld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei allem Verständnis für die finanziellen Nöte der Kommunen: Man kann doch nicht antreten mit dem Hinweis, die vom Land zugrunde gelegten und vom Staatsgerichtshof anerkannten Finanzierungssalden interessierten uns nicht. Das kann man schon deshalb nicht, weil: Wenn man vor dem Staatsgerichtshof klagt, kann man schlecht sagen, dass man die Argumente des Staatsgerichtshofs schlicht negiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer so vorgeht, verkennt, dass sich an der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte alle Ebenen beteiligen müssen. Das ist vielleicht nicht schön, aber notwendig und vor allem alternativlos. Wir als Landesregierung und Sie als Landesparlament werden noch erleben, dass wir auch zu der Konsolidierung des Bundeshaushaltes unser Scherflein beitragen müssen. Das ist völlig unausweichlich. Wir werden das gemeinsam tragen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir beachten dabei streng die Leitsätze des Staatsgerichtshofs aus dem Jahre 2001, die ich an dieser Stelle gerne noch einmal auszugsweise zitiere:

„Soweit sich das Land bei der Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfes hilfsweise am Prinzip der Verteilungssymmetrie orientiert hat, ist dies weder grundsätzlich noch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verlet

zung dieses Prinzips zu beanstanden.“

Bezogen auf den Landesgesetzgeber formuliert der Staatsgerichtshof Folgendes:

„Solange die Richtigkeit seiner Einschätzung nicht widerlegt ist, sind seine Entscheidungen mithin verfassungsrechtlich hinzunehmen.“

Das bezieht sich auf den Gesetzgeber.

Natürlich ist es nicht schön, wenn man als Landesregierung mit Klagen konfrontiert wird. Wem sagt man das? - Was die entsprechenden Ankündigungen einiger Kommunen betrifft, so kann ich dazu jedenfalls nur festhalten, dass wir notfalls auch vor dem Staatsgerichtshof für unsere Sichtweise werben werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir das erfolgreich durchstehen werden.

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist Ausdruck der überaus schwierigen Finanzsituation des Landes. Er ist aber kein reiner Sparhaushalt. Wir investieren nämlich in den Bau des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven, dem vielleicht wichtigsten infrastrukturellen Landesprojekt der letzten Jahre.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Das ist eine Maßnahme, die meines Erachtens nur mit dem Bau des Mittellandkanals vor ca. 100 Jahren vergleichbar ist. Das ist eine Infrastrukturmaßnahme, die ein paar Jahre in Anspruch nehmen wird, die aber realisiert werden muss und die dann eine Menge bringt, und zwar für Niedersachsen und für Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir investieren in die Einführung des Digitalfunks, um unsere Polizei mit der erforderlichen Technik für eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung auszustatten. Beide Maßnahmen werden im Jahre 2007 die höchste Investitionsrate haben, sodass wir Ihnen - wegen dieses Sondereffektes; das sage ich extra dazu - voraussichtlich bereits 2007 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen können.

Wir geben unseren Hochschulen Planungssicherheit, indem wir einen Zukunftsvertrag abgeschlossen haben und mit der angekündigten Einführung von Studiengebühren zusätzliche Mittel bereitstel

len. Über diesen Zukunftsvertrag wird in dieser Woche ja noch abgestimmt.

Es ist selbstverständlich, dass wir gerne noch mehr investieren würden. Welcher Politiker täte das nicht gerne? - Ständig irgendwelche ersten Spatenstiche, Richtfeste, Schnüre durchschneiden und Einweihungsfeiern. Aber wir haben nun einmal das Geld nicht.

Wir würden gerne in der Sozial- und in der Verkehrsinfrastruktur mehr tun, in den Schulen und Hochschulen. Aber wir können das Geld nun einmal nicht drucken, sondern alles, was wir ausgeben, müssen wir unseren Bürgern vorher wegnehmen. Das geht nur von zwei Seiten: zum einen durch entsprechende Steuern - mehr Steuern sind aber nicht verantwortbar - und zum anderen, indem wir uns das Geld bei ihnen leihen. Das heißt dann Kreditaufnahme, und auch eine höhere Kreditaufnahme ist nicht zu verantworten. Wir müssen also mit dem auskommen, was wir haben. Adam Riese gilt im öffentlichen Bereich wie auch im Privatleben; da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Umso wichtiger ist es, dass die Koalition auf Bundesebene in den nächsten Monaten und Jahren erfolgreich arbeitet, damit wir mehr Beschäftigung sowie zusätzliches Wachstum haben und höhere Steuereinnahmen erwirtschaften können. Ich habe es hier schon mehrfach gesagt: 1 % Wachstum bedeutet 250 Millionen Euro Mehreinnahmen für das Land Niedersachsen. Deshalb wäre es schön, wenn wir endlich wieder einmal Wachstumsraten von 2, 3 oder 4 % hätten; denn in diesem Jahrtausend hatten wir noch kein Wachstum, und wir müssen dringend nachholen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Haushaltskonsolidierung bleibt dabei eine Daueraufgabe; denn nur so können wir die Handlungsfähigkeit des Staates und die Stabilität unserer Währung sichern. Ich bin deshalb ausgesprochen dankbar, dass die Fraktionen von FDP und CDU dies ebenso sehen und uns auf diesem schweren, aber alternativlosen Weg begleiten. - Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, da ich keine weiteren Wortmeldungen sehe, sind wir am Ende der allgemeinpolitischen Aussprache über die Regierungsund Haushaltspolitik und auch am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich darf an das Weihnachtskonzert in der Lobby erinnern. Ich darf Sie auch daran erinnern, dass wir die Debatte morgen um 9 Uhr fortsetzen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

Schluss der Sitzung: 18.16 Uhr.