Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Das alles wird korrigiert.

Jetzt fange ich noch einmal an.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie kön- nen es auch kurz machen!)

- Ich mache es sowieso kurz, Herr Althusmann, weil mir insgesamt weniger Zeit zur Verfügung steht als beispielsweise Ihrer Fraktion, was aber auch nicht unbedingt schlimm ist. Wenn man sich konzentriert, kann man vielleicht mehr rüberbringen, als wenn man mit seinen Ausführungen so in die Breite gerät, wie das nach meinem Eindruck eben Herrn Biallas gelungen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber einige Vorbemerkungen möchte ich doch noch machen. Herr Biallas, Sie haben kritisiert, die Opposition würde durchs Land ziehen und schlechte Stimmung verbreiten, sie würde eine fiktive schlechte Stimmung herbeireden. Ich will Sie einmal daran erinnern, dass Ihre Bundestagsfraktion, die CDU/CSU, doch die Spezialisten für die Verbreitung schlechter Stimmung war. Nach dem Prinzip „Erst die Partei, dann das Land“ haben Sie doch bis zum Tag der Bundestagswahl Politik gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Biallas, wenn Sie anlässlich einer Demonstration der Gewerkschaft der Polizei in Hannover sich über Demonstrationsteilnehmer in der Weise äußern, dass Sie fragen „Was laufen denn da für Gestalten rum?“,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Sie waren doch dabei!)

dann sorgt das nicht nur bei der GdP für schlechte Stimmung, sondern dann sorgen Sie damit explizit für schlechte Stimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich werde jetzt wegen der Kürze der Zeit nur die aus unserer Sicht aktuellen bemerkenswerten Dinge thematisieren. Ich werde nicht in einem Rundumschlag auf Konnexität, auf das Verhältnis Land/Kommunen oder auch auf die Verwaltungsreform eingehen.

Ich will mit dem Stichwort „Lebensarbeitszeitverlängerung für Polizeibeamte“ anfangen, das in den bisherigen Reden bereits mehrfach angesprochen worden ist. Diese Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist eine weitere Maßnahme zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Polizei in Niedersachsen. Das kann man objektiv einfach festhalten. Sie, CDU und FDP, haben im Rahmen Ihrer Haushaltsklausur in diesem Bereich einige kleine Korrekturen vorgenommen.

(David McAllister [CDU]: Das ist doch was!)

Sie hatten die gegenüber der ursprünglichen Regelung - Renteneintritt mit 60 Jahren - verlängerte Lebensarbeitszeit mit einer wesentlich verbesserten technischen Ausstattung der Polizei gerechtfertigt. Meine Damen und Herren, schauen Sie doch einmal an, wie NIVADIS läuft, also das System, mit dem die meisten Polizeibeamten in Niedersachsen zu arbeiten haben. Falls Sie nicht Insider sind, lassen sich relativ schnell Informationen beschaffen, aus denen klar wird, dass dieses System überhaupt nicht optimal läuft. Dass Sie sagen, wegen der besseren technischen Ausstattung der Polizei könne man die Arbeitsbedingungen verändern und verschlechtern, passt überhaupt nicht.

Ich komme jetzt zu den Korrekturen, die Sie vorgenommen haben. Als Ausgleich für die kleine Gruppe von Leuten, die eventuell nach 25 Jahren Dienst in Wechselschicht gegenüber Ihrem ursprünglichen Plan zwar vorzeitig, im Vergleich mit der Istsituation aber später in den Ruhestand treten kann, nämlich statt wie bisher mit 60 erst mit 61 Jahren, wollen Sie 42 zusätzliche Anwärterstellen schaffen mit einem Volumen von

145 000 Euro. Gleichzeitig haben Sie ein kleines Volumen von 150 000 Euro für 50 Stellenhebungen eingesetzt. Diese Korrekturen sind in meinen Augen ein Witz. Wenn ich die Zahlen in Relation zu dem setze, was in punkto zusätzliche Stellen im Justizbereich, im Einzelplan 11, erfolgen soll, dann sieht man, dass das in keinem Verhältnis zueinander steht. Das ist ein Armutszeugnis für den Innenminister, der es ja klugerweise vorzieht, heute zur Innenministerkonferenz zu fahren und sich deshalb hier nicht mit den Zahlen auseinander setzen muss.

(Zuruf von Annette Schwarz [CDU])

Ein weiterer Punkt sind die Stellenhebungen im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit. Ursprünglich wurde gesagt: Die Sozialgerichte brauchen neun zusätzliche Stellen, um die Rechtsfragen zu entscheiden, die sich aus Hartz-IV ergeben. - Dann wurde nachgelegt und gesagt: Wir brauchen mehr, wir brauchen 22 Stellen. - Das war schon eine sehr üppige Ansage. Dann aber sagen die Landesregierung und CDU und FDP: Wir schaffen 32 Stellen. Die waren nie gefordert. Man muss die Zahlen einmal vergleichen. Hätten Sie nur 22 Stellen in den Haushalt eingestellt, hätten Sie im nächsten Haushalt etwa 1 Million Euro eingespart. Wenn Sie diese 1 Million Euro dann noch in den Bereich der Korrekturen für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und für Dämpfungsfaktoren eingesetzt hätten, könnte man wenigstens ansatzweise von einer Korrektur sprechen.

Nächster Punkt: Erfolgskontrolle für die Polizeireform. Der Innenminister - er ist leider nicht da muss einmal damit beginnen, auch die Schwachstellen der Polizeireform zu analysieren und zu bilanzieren. Dann würde klar, dass beispielsweise durch die Umstrukturierung der landkreisspezifisch existierenden Polizeiinspektionen auf Polizeikommissariate in bestimmten zentralen Bereichen, etwa in der Verkehrssachbearbeitung oder auch im Bereich der Kriminalprävention, eine Reduzierung des Arbeitsvolumens eingetreten ist. Das sind konkret belegbare Kritikpunkte aus der Fläche. Zu den Stichworten „Personalverteilung der Polizei“, „neues Personalverteilungsmodell“, „Fläche stärken“ möchte ich einmal den Heimatlandkreis des Innenministers, die Polizeiinspektion HamelnHolzminden, als Beispiel heranziehen, der heute über 24 Polizeibeamte weniger verfügt als in der Zeit vor der Polizeireform. Das ist aufgrund ihres Personalverteilungsmodells Ihr Ergebnis zu dem Stichwort „Stärkung der Fläche“.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ein letzter Punkt: Nachdem Herrn Schünemann sein Spielzeug, die Hilfspolizei, weggenommen worden ist, muss er sich neue Felder suchen. Er hat kürzlich einen maßgeblichen Beitrag zu symbolischer Politik geliefert, der in der Öffentlichkeit aber relativ unbeachtet geblieben ist, weil er nur in der Netzzeitung zu lesen war. Der Vorschlag von Schünemann war, man möge doch potenziell islamistische Gewalttäter in Sicherungshaft nehmen. Diese Diskussion gibt es zurzeit in der großen Koalition in Berlin. CDU-Vertreter plädieren für Sicherungshaft, die ich Vorbeugehaft nenne. Die SPD weist das zurück. Schünemann hat einen kreativen Ergänzungsvorschlag: Wenn über diese Leute, die wir nicht ausweisen können, keine Sicherungshaft verhängt werden kann, wir sie aber auch nicht verurteilen können, weil wir keinen Tatverdacht haben, obwohl wir einfach den Instinkt haben, dass sie potenzielle Gewalttäter sein könnten, dann müssen wir für diese Leute die elektronische Fußfessel einführen. Das ist doch ein genialer Vorschlag! Damit sind wir wieder bei dem, was Herr McAllister gestern mit dem Begriff „die ganze Härte des Rechtsstaates“ präzisiert hat. Das ist der Versuch einer Umdefinition des Rechtsstaatsbegriffes. Dies ist für meine Begriffe Politik nach der Art des Brauhauses Ernst August.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von der SPD)

Aber das ist konkret „die ganze Härte des Rechtsstaats“. Was Schünemann in Bezug auf die elektronische Fußfessel vorschlägt, ist kein Rechtsstaat mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Parallel dazu wurden landesweit seit 2003 verdachtsunabhängig Personenkontrollen vor Moscheen durchgeführt. Inzwischen sind über 15 000 entsprechende Maßnahmen durchgeführt worden. Das ist in meinen Augen inzwischen - spätestens seit 2004 - nicht mehr verhältnismäßig gewesen, weil es aus diesen Maßnahmen keinerlei Erkenntnisgewinne gegeben hat. Dementsprechend: Was in diesem Bereich nicht verhältnismäßig ist, ist rechtswidrig. Nehmen Sie das bitte, auch wenn Herr Schünemann selbst nicht anwesend ist, als Vertretung für ihn zur Kenntnis.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, letzter Punkt: Die Einbürgerungen oder die Erteilungen von Aufenthaltserlaubnissen für Leute, die in Deutschland in islamischen Kontexten leben, werden zunehmend erschwert. Dazu werden dubiose Stellungnahmen des Landesamtes für Verfassungsschutz herangezogen. Vereine, die nicht einmal im Verfassungsschutzbericht als Objekte genannt werden, werden als Anknüpfungspunkt dazu herangezogen, damit man eine Aufenthaltserlaubnis nicht mehr erteilt.

Gleichzeitig wird im Haushalt eine Stellenhebung für den Vizepräsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz vorgesehen. Für den Landesbeauftragen für den Datenschutz wird hingegen eine Stellensenkung vorgesehen. Das alles passt, gar keine Frage, meine Damen und Herren. Ihre Politik ist insoweit eindeutig klar, aber eben eindeutig falsch. - Schönen Dank.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bartling, ganz im Gegensatz zu Ihren Ausführungen kann ich feststellen: Seit 2003 ist die Innenpolitik in Niedersachsen frisch lackiert, und zwar mit Hochglanz und völlig ohne Kratzer.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Nur Fassade, nichts dahinter!)

In diesem Glanz spiegelt sich selbstverständlich auch die erfolgreiche Arbeit von CDU und FDP in der Innenpolitik wider.

(Zustimmung bei der FDP)

Wir haben als erstes Flächenland den Mut gehabt, die Bezirksregierungen abzuschaffen, und eine bürgerfreundliche, eine effektive, eine schnelle zweistufige Landesverwaltung zu schaffen,

(Heiner Bartling [SPD]: Oh Gott! Da fragen Sie einmal die Bürger!)

und zwar allen Unkenrufen von Ihnen und Ihren Kollegen in der SPD zum Trotz, Herr Bartling. Es hat funktioniert. Dieses Reformvorhaben war ein ganz großer, ein voller Erfolg der Koalition.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiner Bartling [SPD]: Ein voller Flop!)

Auch wenn Sie und Herr Jüttner es nicht wahrhaben wollen: Zahlen und Fakten können nun einmal nicht lügen. Die Verwaltungsreform hat im Jahr 2006 - ich habe es hier einmal mitgebracht - knapp 111 Millionen Euro an Einsparungen im Personalbereich gebracht. 2009 werden es dann bereits - Sie können es hier noch einmal sehen - über 215 Millionen Euro sein. All das ist vom Rechnungshof bestätigt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Inzwischen kommen andere Länder zu uns, und die Verwaltungsreform wird ein Exportschlager. Nordrhein-Westfalen, Bayern und andere interessieren sich, informieren sich und wollen von uns lernen. Ja, die Verwaltungsreform geht auch weiter: Die Reform der Ausbildung, der EDV-Technik, des Gebäudemanagements, der Labore usw. - all dies werden wir jetzt erfolgreich umsetzen.

Herr Jüttner hat hier gestern einen Schwerpunkt bei den Kommunen gesetzt, und Herr Bartling hat heute noch einen draufgesetzt. Dabei haben beide die neue Bundesregierung in Berlin in den höchsten Tönen gelobt.

(Heiner Bartling [SPD]: Ich habe kein Wort über die Bundesregierung ge- sagt!)

Das verwundert hier in Niedersachsen doch schon ein wenig. Denn wer war es denn, wer hat den Zuschuss für die Kosten der Unterkunft bei Hartz IV einfach mal so auf null gesetzt und hat so versucht, den Kommunen noch einmal schnell etliche Milliarden Euro wegzunehmen? War das nicht etwa die alte rot-grüne Bundesregierung? Setzt nicht Ihr Vizekanzler, der Herr Müntefering, dieses System jetzt fort? Ist das nicht die Wahrheit?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ja!)

Was sagen denn die kommunalen Spitzenverbände dazu? - Ich höre dazu nur, dass man für dieses Verhalten keinerlei Verständnis hat und diesen Umgang nicht tolerieren will. Man vermisst übrigens dort und auch in allen niedersächsischen

Kommunen, deren Vertreter ich bislang getroffen habe, immer noch die versprochenen zweieinhalb Milliarden Euro umfassende Entlastung. Oder hat sich Ihr Exkanzler Gerhard Schröder da nur einmal versprochen?

Wer sich so wie die SPD im Bund positioniert, darf hier im Landtag nicht den kommunalen Robin Hood spielen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dann erzählt Herr Jüttner hier doch gestern noch, die SPD hätte sich bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin durchgesetzt und die Gewerbesteuer im Koalitionsvertrag gerettet.