„Unternehmen haben kaum ein Interesse daran, psychisch kranke Straftäter auf ein straffreies Leben vorzubereiten, um sie zu entlassen. Dies ist ein Risiko für die Bevölkerung.“
Ich habe vorhin das Dollarzeichen in Ihren Augen erwähnt. Der erwartete Geldsegen wird langfristig jedoch ausbleiben. Er ist eine Art Fata Morgana. Dazu schreibt der ehemalige CDU-Staatssekretär aus Niedersachsen und Strafrechtler Prof. Dr. Hans-Ludwig Schreiber in der taz unter dem Titel „Staat soll bleiben“:
„Die Berechnungen der Landesregierung beruhen auf einem wirtschaftlichen Irrtum. Auf das Land kämen hohe Folgekosten zu.“
Der niedersächsische Maßregelvollzug ist im bundesrepublikanischen Vergleich absolute Spitze. Dies gilt für alle Bereiche, nämlich für Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und qualitativ hochwertige Therapie. Wer zur Wirtschaftlichkeit noch Informationsbedarf hat, wage einfach einmal einen Blick über den Gartenzaun in Richtung Thüringen. Dort hat die Privatisierung die Kosten für das Land bis zur Schmerzgrenze in die Höhe getrieben. In Niedersachsen müssen die Steuerzahler pro Tag pro Untergebrachtem 190 Euro bezahlen. In Thüringen, wo privatisiert wurde, ist man bereits bei 240 Euro pro Tag pro Person angelangt. Umgerechnet ergäben sich für Niedersachsen 18 Millionen Euro zusätzlich, die zulasten der Landeskasse gingen. Von diesem Geld könnte Herr Busemann eine ganze Menge Lehrerstunden für Ganztagsschulen bezahlen.
Es ist uns unverständlich, dass Sie so etwas Kostenintensives kopieren wollen. Ihre Pläne rechnen sich nicht, gehen zulasten der Patienten und gefährden die hoheitlichen Aufgaben im Maßregelvollzug. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Zuruf von der SPD: Herr Kollege, wie finden Sie es eigentlich, dass die Jus- tizministerin nicht anwesend ist?)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heute zur Entscheidung anstehende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, der allein und ausschließlich zum Inhalt hat, einen möglichen Trägerwechsel im Bereich der Forensik zukünftig völlig auszuschließen und damit zukunftsweisende Wege für unsere Landeskrankenhäuser ausdrücklich un
Wie Sie wissen, ist Niedersachsen nicht das einzige Bundesland, das in seinen landesrechtlichen Vorschriften bewusst - zu Recht, wie ich finde - die Heranziehung privater oder kommunaler Träger für Einrichtungen des Maßregelvollzugs ausdrücklich zulässt. Auch eine Vielzahl weiterer Bundesländer hat in ihren verfassungsrechtlichen Vorgaben einen entsprechenden Spielraum, und das ist gut so. Mit dieser rechtlichen Grundlage werden Landesregierung und Parlament ihrer Verantwortung gerecht, im Einklang mit der Verfassung richtungsweisende, auf die Zukunft ausgerichtete Entscheidungen zu treffen, um Krankenhäuser mit veränderten Rahmenbedingungen zukunftsfest zu rüsten und dafür Sorge zu tragen, dass Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit auch für die Zukunft gewährleistet sind.
Es bleibt einfach Fakt, meine Damen und Herren, dass das Land Niedersachsen bereits unter der SPD-Regierung der Forensik trotz finanzieller Anstrengungen nicht die Bettenkapazitäten zur Verfügung stellen konnte, die bedarfsorientiert notwendig gewesen wären. Hiervon unberührt bleibt selbstverständlich der verfassungsrechtliche Auftrag, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Das schließt allerdings nicht aus, dass eine Übertragung gewisser Aufgaben, wenn deren Kernbereich im Staat verbleibt, auf Private möglich ist. Bei privaten Dritten ist die Aufgabenregel mit einzubeziehen. Auch kommunale Lösungen sind sehr genau zu prüfen. Die Verfassung schließt dies ausdrücklich nicht aus. Uns kommt es darauf an, in der derzeitigen Situation die notwendigen klugen Antworten bei der Umsetzung entsprechend zu formulieren.
Meine Damen und Herren, vergessen wir nicht: Die absolut regierende SPD unter Sigmar Gabriel hat noch in der letzten Wahlperiode ausdrücklich diesen Ansatz der Privatisierung dargebracht.
Kaum dass Sie in der Opposition waren, haben Sie die Rolle rückwärts gemacht und Ihre Position völlig überarbeitet.
- Das ist die Wahrheit. Sie hätten gestern einmal bei der Podiumsdiskussion mit ver.di dabei sein sollen. Ihr Kollege Schwarz hat dies ausdrücklich bestätigt.
- Das hat er aber. Waren Sie dabei, oder war ich dabei? - Ich war dabei. Sie behaupten das Gegenteil, ohne dabei gewesen zu sein.
Die zwischenzeitlich spürbar zu verzeichnende, sich versachlichende Diskussion - gerade hatten wir leider einen kleinen Ausbruch dessen - bestätigt uns in dieser Haltung. Wir möchten nochmals betonen, dass alle Möglichkeiten geprüft und nicht von vornherein bestimmte Lösungsansätze aus ideologischen Gründen verworfen werden sollten.
Entscheidungen über die künftige Neuordnung der Eigentumsverhältnisse unserer Landeskrankenhäuser werden selbstverständlich mit der Verfassung im Einklang stehen und transparent sein. Hier geht es nicht ausschließlich um den finanziellen Aspekt - ich meine, auch das haben wir hinlänglich deutlich gemacht, sowohl die Fraktionen, die die Regierung tragen, als auch unsere Sozialministerin -, sondern sehr wohl auch um die Interessenlagen der Beschäftigten, insbesondere der Patienten und nicht zuletzt auch des Landes. Dies miteinander in Einklang zu bringen, ist eine ganz wichtige Aufgabe, der sich diese Regierung stellt. Wir wollen sie unterstützen. Wir sind überhaupt der Auffassung, dass es nicht einzusehen ist, dass ein Gesetz, das seit Anfang der 80er-Jahre Gesetzeskraft hat, bisher nicht kritisiert wurde und schon gar nicht mit verfassungsrechtlichen Bedenken belegt worden ist, nunmehr derartig beschnitten werden soll. Damit nähmen wir uns Möglichkeiten, die andere Bundesländer sinnvoll nutzen.
Frau Kollegin Bockmann, noch einmal: Sie hatten bis zum Ende der letzten Legislaturperiode 13 Jahre lang Zeit, dieses Gesetz zu ändern. Das haben Sie nicht gemacht, sondern Sie haben auf diesem Gesetz sogar die entsprechenden Vorgaben getätigt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
- Es gibt immer einen Anlass, ein Gesetz zu ändern, insbesondere dann, wenn man der Auffassung ist, dass bestimmte Wege, die zugelassen sind, nicht mehr gegeben sein sollen.
Lassen Sie mich noch einmal grundsätzlich darauf hinweisen, dass es uns darum geht, die Dinge fortzuentwickeln und nach intelligenten, richtungsweisenden, zukunftsorientierten und neuen Lösungswegen zu suchen. Uns geht es darum, Wege zu beschreiten, die den niedersächsischen Maßregelvollzug qualitativ nicht infrage stellen, die die hochwertige Versorgung psychisch kranker Menschen in Niedersachsen sicherstellen und die Sicherheit der Bevölkerung garantieren.
Die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern sind hierbei besonders zu berücksichtigen, und - wie ich bereits betonte - die Interessenlage des Landes ist in diesem Zusammenhang in Gänze zu beachten.
Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, hätten Sie sich diesen Zielen bereits während Ihrer Regierungszeit verschrieben, dann wären wir auf einem anderen Niveau und die Handlungsfähigkeit und Qualität der Einrichtungen für die Zukunft längst gewährleistet. Es gibt keinen Anlass dazu, Ihnen zu folgen. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf aus Überzeugung ab.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Böhlke, kurz vorab: Ich war gestern bei der Veranstaltung dabei und möchte betonen, dass ich Ihre Interpretation dessen, was Herr Kollege Schwarz dort gesagt haben soll, nicht teile. Er möge sich aber selbst dazu äußern.
Ich habe gedacht, dass wir in der Diskussion eigentlich schon ein bisschen weiter wären; denn schließlich haben Sie sich bereits öffentlich dahin gehend festgelegt, zumindest den Maßregelvollzug nicht privatisieren zu wollen. Insofern bleibt es Ihr Geheimnis, warum Sie diesem Gesetzentwurf, in dem ja ausdrücklich steht, dass der Maßregelvollzug nicht privatisiert werden soll, nicht zustimmen können.
Ich möchte die guten Argumente der Kollegin Bockmann nicht wiederholen. Sie hat ausgeführt, aus welchen Gründen sich eine Privatisierung in diesem Bereich verbietet. Ich frage mich, warum Sie sich so zieren. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass Sie die Regelung, die unter ganz anderen Voraussetzungen beschlossen worden ist, vermutlich doch als Hintertürchen nutzen wollen, um weitestgehend das zu tun, was Sie vorhaben. Deswegen wollen Sie heute das, was Sie gesagt haben, hier nicht beschließen.
Wie Sie sich verhalten, verunsichert die Beschäftigten sowie die Patienten und Patientinnen der Landeskrankenhäuser in erheblichem Maße. Der Titel der Veranstaltung gestern in Hannover lautete: „Quo vadis Landeskrankenhäuser?“ Ich frage: Quo vadis Landesregierung und Regierungskoalition? - Es wird Zeit, dass Sie diese Frage endlich einmal beantworten; denn Ihr Formelkompromiss - es soll nicht um jeden Preis und zu jedem Preis verkauft werden -, den Sie gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit erzählen, trägt nicht lange. Sie müssen uns einmal erzählen, was Sie eigentlich damit meinen, meine Damen und Herren.
Auch gestern hörten wir immer nur Antworten, wie sie im Grunde auch die Sphinx orakeln würde: Wir prüfen nach allen Seiten. Wir sind für alle Lösungen offen. Alternativen hören wir uns gerne an. Wir alle werden ja immer schlauer. - Sie wollen sich aber nicht festlegen. Bei den Betroffenen verfestigt sich der Eindruck, dass haushaltspolitische Vorgaben und ideologische Scheuklappen den Blick auf
die notwendigen Weichenstellungen, die in der Psychiatrie erforderlich sind, erheblich verstellen, meine Damen und Herren.