Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Sehr geehrte Damen und Herren, es freut uns als SPD-Fraktion sehr festzustellen, dass es auch der Landesregierung inzwischen aufgefallen ist, dass wir ein Energieproblem haben. Mit Antritt der neuen CDU/FDP-Landesregierung wurde dies wohl noch völlig anders eingeschätzt. Wie sonst kann man es sich erklären, dass die Niedersächsische Energie-Agentur erst einmal in einzelne Bestandteile zerlegt und dann faktisch abgeschafft wurde? - Bis heute leistet sich das Land Niedersachsen den Luxus, keine Energie-Agentur zu haben, im Gegensatz zu ebenfalls unionsgeführten Landesregierungen wie in Bayern oder NordrheinWestfalen. Entspricht dies der Vorbildfunktion von Niedersachsen für ganz Deutschland, wie wir immer wieder von Herrn Ministerpräsidenten Wulff hören? - Mittlerweile haben Sie wohl eingesehen, dass es ohne nicht geht. Aber anstelle eine ganzheitliche Lösung ins Auge zu fassen, wird erst einmal 3N konzipiert. Das müssen Sie einmal jemandem erklären! Ein bisschen Kompetenzzentrum Biomasse hier, ein bisschen Kompetenzzentrum Brennstoffzelle da, etwas Biokraftstoffe dort usw. Wir haben uns die letzten zwei Tage bis zum jetzigen Zeitpunkt in diesem Hause sehr ausführlich mit diesen Themen befasst.

In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung: Von einer Unterstützung der FAL in Braunschweig, der Forschungsanstalt für Landwirtschaft, als Bio

massekompetenzzentrum seitens der Landesregierung habe zumindest ich bis heute nichts vernommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dieses Kompetenzzentrum für Biogas besteht schon seit mehr als 20 Jahren. Da können Sie Synergien schöpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jeder von uns, der sich ernsthaft mit dem Thema Energie auseinander setzt, insbesondere mit erneuerbaren Energien, wird feststellen, dass man nur mit ganzheitlichen Ansätzen zum Ziel kommt. Einzelne Elemente des Gesamtprozesses zu betrachten, bringt vielleicht eine gute Schlagzeile in den Medien, dient aber selten der Problemlösung. Deshalb der Beitrag unserer Fraktion: Wir fordern ein ganzheitliches Konzept und die Schaffung von arbeitsfähigen Strukturen, die dem Einsatz der alternativen und regenerativen Energien unterstützend zur Seite stehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dass wir dort ein strukturelles Defizit haben, beweist eine Biomassepotenzialstudie, die Anfang letzten Jahres vom Energie-Kompetenz-Zentrum Salzgitter für die Region Südostniedersachsen erstellt wurde. Selbstverständlich bieten wir an, in den Ausschussberatungen unsere Fachkompetenz und eigene konzeptionelle Vorstellungen mit einzubringen, die uns auf Landesebene weiterbringen.

Bundesseitig steht demnächst ein Energiegipfel an; er ist auf der Agenda. Der von Gerhard Schröder eingerichtete Nachhaltigkeitsrat wird seine Tätigkeit wieder aufnehmen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Der war nachhaltig!)

Hier sollten Sie sich einbringen und die Kompetenzen Niedersachsens schärfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was passiert stattdessen? - Überprüfen Sie einmal Ihren angeblichen Antrag im Hinblick auf die Realität der Presselandschaft in den letzten Wochen!

(Wilhelm Hogrefe [CDU]: Was heißt hier „angeblicher Antrag“?)

Voraussetzung dafür, dass das, was Sie hier vorbringen, glaubhaft ist, ist doch, dass Sie sich endlich einmal an die Koalitionsvereinbarung aus Berlin halten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Die gilt hier nicht!)

Voraussetzung dafür ist auch, dass Herr Wulff nicht zum Atomministerpräsidenten mutiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vieles von dem, was in CDU/FDP-Papieren an Aktivitäten ausgeführt wird, stammt noch aus der Zeit der vorigen SPD-geführten Landesregierung, so die Projekte Sunfuel mit Volkswagen und dem Land Brandenburg sowie seit kurzem auch mit Hessen und mit Unterstützung von CUTEC in Clausthal-Zellerfeld zur Entwicklung des synthetischen Kraftstoffes.

Nachdem unter der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung das Energieeinspeisegesetz verabschiedet wurde, ist das Thema Biogas zum bundesweiten Renner geworden, wohl auch in Niedersachsen. Erinnern Sie sich bitte an die Debatte heute Morgen. Es ist also keine Initiative der Niedersächsischen Landesregierung, wie Sie hier eventuell deutlich machen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das soll hier noch einmal deutlich herausgestellt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie rechnen in Ihrem Antrag ja vor, was Energie alles kostet. Das ist sicherlich Ihre Motivation. Aber nicht ein einziges Wort in Ihrem Antrag befasst sich mit der Energieeffizienz. Dieses Wort steht mittlerweile mindestens einmal täglich in der Presse, mit Vorschlägen, wie Energie eingespart werden kann; denn neben der Substitution von fossilen Energien gilt es, Energie einzusparen. Das ist der erste und wichtigste Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP will die biogenen Kraftstoffe fördern. Offensichtlich ist hier in erster Linie an Forschung und Entwicklung gedacht. So habe zumindest ich es herausgehört. Es fehlt völlig der Ansatz einer Verbraucherförderung und -beratung, die den Verbraucher anregt oder eventuell sogar belohnt, vermehrt Biokraftstoffe zu tanken sowie Energiesparmaßnahmen in Haus und Wohnung vorzunehmen. Viele Förderprogramme sind den privaten Verbrauchern gar nicht bekannt. Eine bessere Kommunikation wäre hier mehr als überfällig, auch vonseiten der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es reicht nicht aus, nur dann aktiv zu werden, wenn wieder einmal ein neuer Benzinpreisrekord in der Bild-Zeitung gemeldet wird; denn eines ist sicher: Die nächste Benzinpreisrekordmeldung kommt bestimmt.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Tolle Nummer! - Jörg Bode [FDP]: Und wer ist daran schuld?)

Da wäre es mir schon viel lieber, eine Zielrichtung vorzugeben, wie sie vom Fraunhofer-Institut UMSICHT für die bevorstehende Februar-Veranstaltung BIO-raffiniert formuliert wurde. Schon heute zeichnen sich zahlreiche Faktoren deutlich ab, die unser Leben künftig bestimmen werden: zunehmender Ressourcenkonflikt, verteiltes, aber kooperatives Arbeiten, Klimawandel, um nur einige zu nennen. Schon heute haben wir den Spielraum, unsere Zukunft aktiv zu gestalten. Dazu brauchen wir innovative Sichtweisen und Konzepte. Mit der Bioraffinerie greift das Fraunhofer-Institut eines dieser visionären Konzepte heraus. Das hilft, den wachsenden Ressourcenkonflikt zu entschärfen und der Petrochemie heutiger Prägung evolutionäre Impulse zu eröffnen.

Die Bioraffinerie, das integrative Gesamtkonzept für die biochemische und thermochemische Umwandlung nachwachsender Rohstoffe zu Chemikalien, Werkstoffen sowie Brenn- und Kraftstoffen unter möglichst vollständiger Ausnutzung der gesamten Biomasse, treibt derzeit internationale Unternehmen und Forscher an. Auch in Deutschland wächst die Zahl der wissenschaftsbasierten Gremien, die sich mit diesem Thema befassen. Die

Vision lautet, im Jahr 2020 20 % der Chemikalien, Werkstoffe, Brenn- und Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in Bioraffinerien zu erzeugen. Diese Richtung sollten wir auch bei den niedersächsischen Aktivitäten debattieren und das Thema Bioraffinerien weiter nach vorn bringen.

Noch steht die Bioraffinerie am Anfang. Bei fast allen Prozessschritten gibt es teils erheblichen Innovationsbedarf. Auch die Fragen nach den sinnvollen Eingangsstoffen aus der Fülle des pflanzlichen Spektrums und nach den profitabelsten Produkten sind erst ansatzweise bearbeitet.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Es gibt also noch viel zu tun. Aber bitte keine Energieverschwendung durch ein unkonventionelles und konzeptionsloses Vorgehen, wie es Ihr Antrag schon wieder erahnen lässt. Werden Sie konkreter in Ihrer Regierungsarbeit, und belassen Sie es nicht beim Abwarten, dass andere und der Markt es schon regeln werden! - Herzlichen Dank, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich Herrn Minister Sander das Wort. Er wird uns sicherlich auch erklären, was „ablative Flashpyrolyse plus Upgrading“ ist.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP liegt voll und ganz auf der Linie der Niedersächsischen Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Hans-Dieter Haase [SPD]: Überraschung! - Weite- re Zurufe von der SPD)

Ich möchte Sie, Herr Kollege Haase, Herr Kollege Schneck, insofern aufklären: Auch im Miteinander versucht diese Regierung immer, Energien zu bündeln und dementsprechend effizient zu arbeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daher ist es im Grunde genommen gleichgültig, ob der Umweltminister oder der Wirtschaftsminister diese Themen hier bespricht. Entscheidend ist, dass die Landesregierung diese Initiative nach vorn bringt. Das ist der Maßstab unseres Handelns.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Schneck, Ihnen ist vielleicht entgangen, dass insbesondere Niedersachsen bei der Brennstoffzellentechnik sehr weit zurückgelegen hat. Dieses Thema haben wir im Jahr 2004 sehr stark nach vorn gebracht. Wir haben zu einer Vernetzung der unterschiedlichen Aktivitäten beigetragen und wollen damit an die Spitze kommen, weil wir davon überzeugt sind, dass die Brennstoffzellentechnik sowohl im stationären als auch im mobilen Bereich eine Zukunftstechnologie ist.

Trotz des EEG machen wir diese Projekte, Herr Schneck, wobei wir wissen, dass das EEG notwendig ist, um diese einzelnen Projekte zum Erfolg zu bringen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das EEG ist doch gut!)

Herr Schneck, eines hätte ich Ihnen nicht zugetraut, nämlich dass Sie

(Heidrun Merk [SPD]: Jetzt werden Sie nicht polemisch!)

noch über die Energie-Agentur streiten. Damals haben Sie aus gutem Grund nicht darüber gesprochen. Denn der Landesrechnungshof hatte einige Dinge angesprochen, bei denen Sie in Ihrer Regierungszeit Geld vernichtet haben, Steuerzahlergeld. Allerdings haben wir diese Energie-agentur nicht abgeschafft, sondern aufgelöst.

(Lachen bei und Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden weiter dafür sorgen, dass insbesondere die mittelständischen Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihr Know-how, also ihr Wissen, weiter umzusetzen. Dazu brauchen sie natürlich Eigenkapital. Dieses haben diese Unternehmen häufig nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, damit sie weiter in diese Zukunftstechnologien investieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)