Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir werden diesem Entschließungsantrag zustimmen. Sie gestatten allerdings, dass ich, auch wenn breite Einigkeit über das Instrument an sich besteht, doch einige Gedanken darlege, die wir uns zu dieser Sache machen, weil die Debatte im Allgemeinen dann auch Erkenntnisse befruchtet. Wir in Niedersachsen wollen ja auch weiterkommen.
Das persönliche Budget ist natürlich, auch wenn das manchmal so durchklingt, keine niedersächsische Erfindung. Es handelt sich um eine seit langem erhobene Forderung der Behindertenverbände und der Selbsthilfegruppen, und es ist von der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzt worden. Nur darauf basiert das, was in Niedersachsen und auch in anderen Bundesländern getan worden ist.
Bei diesem Instrument geht es um die Stärkung der Selbstbestimmung, der selbständigen Lebensführung und der Ausübung des Wunsch- und Wahlrechtes, soweit das eben möglich ist. Das ist etwas, was lange überhaupt nicht eingelöst worden ist, weil sehr viele behinderte Menschen entweder von Geburt an stationär untergebracht wurden oder bei ihren Eltern lebten und dann, wenn die Eltern die Betreuung nicht mehr leisten konnten, in eine stationäre Unterbringung umsiedeln mussten. Es hat eigentlich bis in die 80er-Jahre gedauert, bis vorsichtig solche Formen wie betreutes Wohnen in der Wohngemeinschaft oder in Einzelwohnungen aufgebaut wurden. Darauf baut das Konzept „Persönliches Budget“ auf, und dahinter steht ein sehr hoher emanzipatorischer Anspruch, der mit Leben gefüllt werden muss.
Das ist genau das, worüber wir uns hier und auch in anderen Bundesländern unterhalten. Dabei muss noch sehr viel gelernt werden. Lernen müssen die Mitarbeiter der möglicherweise abgebenden Einrichtungen, aus der Fürsorglichkeit herauszukommen und teilweise auch Emanzipation zuzutrauen. Das betrifft auch die Eltern, die ihre behinderten Kinder pflegen und sich etwas anderes in Ausübung des Fürsorgegedankens sehr oft nur schwer vorstellen können. Ich glaube, viele Menschen müssen viel lernen.
Aber - diese Gefahr besteht immer bei der Implementierung neuer Instrumente - es gibt auch andere Erwartungen. Insbesondere hoffen manche Kostenträger, damit zu Einsparungen zu kommen. Eines muss man ganz deutlich sagen: Das persönliche Budget ist kein Sparschweinmodell. Die Höhe der Eingliederungshilfe wird dadurch nicht sinken; denn Art und Umfang der Hilfen müssen vom Betroffenen her buchstabiert werden und sich am Bedarf bemessen und nicht umgekehrt. Insofern ist es richtig, dass auch Sie, Herr Matthiesen, fordern, die Deckelung zu beseitigen und vom anderen Ende her zu denken.
Das Modell in Niedersachsen war von Anfang an relativ schmalbrüstig. Es hat sich tatsächlich nicht mit den anderen Möglichkeiten beschäftigt, nämlich mit dem trägerübergreifenden Budget als Komplexleistung, mit dem integrierten Budget oder auch mit dem Pflegebudget. Es wird jetzt gefordert, das Modell auch auf die Pflege auszudehnen. Besser spät als nie! Aber das hätte man schon längst tun können, und dann wären wir ein ganzes Stück weiter, meine Damen und Herren.
Ich möchte noch kurz auf die Frage der notwendigen Budgetassistenz eingehen. Es kann nicht sein, dass die Budgetassistenz aus dem schmalen Budget selbst bezahlt und damit sozusagen die Menge der Möglichkeiten, sich Leistungen einzukaufen, begrenzt wird. Ich glaube, wir sollten darüber nachdenken, ob es zweckmäßig ist, sich dem schwedischen Modell zu nähern. Dort läuft die Budgetassistenz semiprofessionell, also quasi ehrenamtlich. Man könnte das eventuell mit der hiesigen Übungsleiterpauschale vergleichen. Ich glaube, das ist ein Weg, über den wir ernsthaft nachdenken sollten. Dieses Geld kann der behinderte Mensch allerdings keinesfalls aus seinem Budget aufbringen.
Das heißt, wir sind auf einem guten Weg. Wir könnten ein bisschen weiter sein, aber natürlich wollen wir diesen Schritt jetzt gerne mit Ihnen gemeinsam gehen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gern greife ich den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP auf, das persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln. Die zweijährige Modellphase ist mit dem Ende letzten Jahres ausgelaufen. Anfang 2005 wurde der Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung veröffentlicht.
Wir konnten damals zweierlei feststellen: Erstens. Das persönliche Budget fördert die Autonomie behinderter Menschen. Zweitens. Es verhilft ihnen zu gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Ich will dem Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung, der in Kürze veröffentlicht wird, nicht vorgreifen. Ich halte es aber für wichtig, schon jetzt über die Fortführung dieser Form der Hilfe nachzudenken. Daher begrüße ich den Entschließungsantrag der Fraktionen sehr. Ich freue
mich auch darüber, dass es in dieser wichtigen Frage, bei der es um behinderte Menschen geht, parteiübergreifend Konsens gibt.
Sie haben sicherlich Recht, Frau Helmhold, wenn Sie sagen, dass der Bund die Anregung gegeben hat. Aber entscheidend ist nicht nur die Anregung, sondern entscheidend ist die Umsetzung für Niedersachsen.
Ziel der Politik der Landesregierung für Menschen mit Behinderungen ist die Verwirklichung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben. Mit dem Modellversuch haben wir es in Niedersachsen Menschen mit wesentlichen Behinderungen ermöglicht, Eingliederungshilfeleistungen selbstbestimmt einzukaufen. Mehr als 50 Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung haben sich am Modellvorhaben beteiligt. Das ist ein außerordentlich erfreuliches Ergebnis. Es ist auch deshalb erfreulich, weil die drei beteiligten Gebietskörperschaften, nämlich die Landkreise Emsland und Osnabrück und die Stadt Braunschweig, erklärt haben, das persönliche Budget den Betroffenen auch nach Dezember 2005, also nach Abschluss des Projektes, weiter zu gewähren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat sich gezeigt, dass die Absicht, das persönliche Budget zu Beginn nicht zu überfrachten, sondern zunächst ausschließlich auf ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe, also auf Sozialhilfeleistungen, zu beschränken, ein wichtiges Element für den Erfolg in Niedersachsen war.
(Christa Elsner-Solar [SPD]: Aber das war doch bekannt! Denken Sie an Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz!)
Wir haben uns auf Kernbereiche beschränkt, die das Land und die beteiligten Kommunen als Träger der Sozialhilfe einer Lösung zuführen konnten. Das persönliche Budget ist keine neue Hilfeart, sondern eine neue Form der Hilfegewährung. Sie lässt sich dort am zügigsten umsetzen, wo es schon gute Formen der ambulanten Eingliederungshilfe gab.
Ich würde mich freuen, wenn die anderen Landkreise und Städte die Erfahrungen aufgriffen, die im Modellprojekt gemacht wurden, und ebenfalls das persönliche Budget einführen würden. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe stehen allen Interessierten für Auskünfte und Hilfe zur Verfügung. Auch die Vorlage des Abschlussberichtes der wissenschaftlichen Begleitforschung wird zum Anlass zu nehmen sein, für eine flächendeckende Einführung des persönlichen Budgets in Niedersachsen zu werben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, hinsichtlich der Budgetassistenz und der Einbeziehung von Leistungen der Pflegeversicherung in das persönliche Budget liegen erst wenige Erfahrungen vor. Sie sind auszuwerten, um gute Empfehlungen für alle Beteiligten erarbeiten zu können. Ich bin aber sicher, dass uns dies gelingen wird.
Lassen Sie mich zum Schluss kurze Worte des Dankes an die beteiligten Landkreise Emsland und Osnabrück sowie an die Stadt Braunschweig, an Betroffenenverbände wie die Lebenshilfe und an verschiedene Einrichtungen der Behindertenhilfe richten. Ihre offene Zusammenarbeit hat dem Modellprojekt zum Erfolg verholfen.
Ich freue mich, dass künftig noch viel mehr Menschen mit wesentlichen Behinderungen in Niedersachsen durch das persönliche Budget ein deutlich höheres Maß an Selbstbestimmung erhalten werden. - Schönen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, zur zweiten Beratung dieses Antrages liegt die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 2550 vor. Sie lautet auf unveränderte Annahme.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. - Vielen Dank.
Tagesordnungspunkt 22: Zweite Beratung: Die wissenschaftlich begleitete Befragung zur Berufszufriedenheit der Polizei im Jahr 2006 wiederholen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2317 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/2551
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag der SPD-Fraktion bereits im Ausschuss und in einer ersten Beratung im Plenum behandelt. Sie, die Fraktionen der CDU und der FDP, haben damals deutlich gemacht: Wir lehnen diesen Antrag ab. Wir sind gegen eine erneute Befragung zur Berufszufriedenheit innerhalb der Polizei, auch wenn sie wissenschaftlich begleitet wird. Nein, das wollen wir nicht. - Sie werden sicherlich gleich noch einmal ausführen, warum Sie das auch weiterhin nicht wollen.
Nachvollziehbar ist Ihre Position, wenn man sich in Ihre Situation versetzt: Sie kennen die Stimmung innerhalb der Polizei. Ich will Ihnen noch einmal einige der Gründe nennen, warum die Stimmung innerhalb der Polizei schlecht ist:
Ein Grund ist die Streichung des Weihnachtsgeldes, die für die Beschäftigen im Dezember 2005 zum ersten Mal hart spürbar geworden ist. Mit Interesse werden wir - Sie sicherlich auch - die Musterklagen des Deutschen Beamtenbundes verfolgen, die darauf abzielen, durch eine verfassungsgerichtliche Überprüfung feststellen zu lassen, ob die von Ihnen durchgesetzte völlige Streichung des Weihnachtsgeldes im Hinblick auf den Beamtenstatus und das Abstandsgebot haltbar ist. Diese Klagen sind gut begründet; das muss man schon sagen.
Ein zweiter Grund ist die Veränderung bei den Bereitschaftsdiensten im Kontext mit Castortransporten. Auch das war ein Grund dafür, dass die Stimmung innerhalb der Polizei schlecht ist.
Drittens wird die von Ihnen durchgesetzte Verlängerung der Lebensarbeitszeit für Polizeibeamtinnen und -beamte in Niedersachsen allein zwischen 2009 und 2011 dazu führen, dass innerhalb der Polizei etwas mehr als 900 Beförderungen weniger stattfinden können. Auch das führt zu schlechter Stimmung.
Ein weiterer Grund ist das Personalverteilungsmodell, das Sie mit dem Slogan „Stärkung der Fläche“ realisiert haben. Ich nenne einen Beispielfall: Im Bereich der Polizeiinspektion Hameln/Holzminden hat diese Stärkung der Fläche bei der Polizei zu einer Kürzung um 24 Stellen geführt. Das ist ein überzeugender Beleg für die Realisierung Ihres Ansatzes.
Schließlich haben andere die Initiative übernommen, nachdem Sie gesagt haben: „Wir machen so etwas nicht“. Im Bereich der Polizeidirektion Göttingen hat es unter den Beschäftigten eine Umfrage zur Berufszufriedenheit gegeben. Diese war nicht vom Polizeipräsidenten initiiert - dieser durfte das natürlich nicht -, sondern sie war von der GdP initiiert. Ich unterstelle, diese Umfrage ist durchaus repräsentativ auch für andere vergleichbare Polizeidirektionen. Das Ergebnis dieser Umfrage war: Die Stimmung ist miserabel. - Das ist sehr ausführlich belegt.
Der letzte Punkt, der ein Stück weit in die Zukunft weist: Ihre Pläne zur Umorganisation der Ausbildung werden zu schlechter Stimmung führen. Die Abschaffung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Hildesheim und die Zerlegung der einzelnen Disziplinen stoßen u. a. bei der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung in der ganzen Bundesrepublik auf Unverständnis.
Ich zitiere aus einem Schreiben des Leiters dieser Rektorenkonferenz. Er sagt: „Die Gründung einer monostrukturierten Berufsakademie führt in eine ausbildungspolitische Sackgasse.“
Meine Bilanz ist - damit komme ich zum Schluss -: Ein modernes, dialogorientiertes Personalmanagement würde die Beschäftigen, beispielsweise
durch eine solche Form der Befragung, einbeziehen. Das ist, Herr Minister, aber nicht Ihre Vorgehensweise. Sie sind offensichtlich ein Anhänger des paternalistischen Führungsstils. Dazu gehört sicherlich nicht der Dialog, sondern Befehl und Gehorsam sind immer noch oberste Prinzipien in Polizeiorganisationen. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es spricht schon für sich, dass dieser SPD-Antrag von Herrn Professor Dr. Lennartz von Bündnis 90/Die Grünen begründet wird. Meine Ausführungen zielen auf den SPD-Antrag ab. Aus den Protokollen der bisherigen Beratungen lässt sich entnehmen, dass die SPD nicht so sehr an der Auseinandersetzung im Parlament und in den Ausschüssen interessiert war, sondern sich vielmehr mit fragwürdigen Presseberichten beschäftigt hat.