Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

Dann erzählen Sie uns, wir würden die Leute nach Gorleben treiben. Sagen Sie das einmal den Leuten in Gorleben! Dort läuft der Widerstand schon von ganz allein, weil die nicht wollen, dass das Land Niedersachsen Gorleben wie Sauerbier als Atomklo anbietet.

(Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Wir müssen überhaupt niemanden dorthin treiben. Die Leute gehen schon von ganz allein dorthin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Althusmann, Sie haben die globalen Steigerungsraten angeführt. Das heißt natürlich, dass sich andere Länder entwickeln. Aber wir können unseren Energieverbrauch mit vernünftigen Technologien bis zum Jahr 2050 um 50 % senken und davon können wir die Hälfte mit regenerativen Energien machen. Das ist zukunftsweisend, das ist innovativ und nicht das, was Sie hier immer erzählen.

Ein letztes Wort, meine Damen und Herren.

Aber wirklich ein letztes Wort!

Sie reden hier darüber, dass Atomkraft sicher sein könne. Ich finde, das ist nach dem, was wir in diesem Bereich schon erlebt haben, indiskutabel. Nachdem es nicht einmal möglich ist, für die Be

völkerung einsturzsichere Eislaufhallen vorzuhalten,

(Starke Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

finde ich es eine Unverschämtheit zu sagen, Atomkraft sei beherrschbar, und das in diesem Jahr, in dem wir am 26. April 20 Jahre Tschernobyl haben. Niemand kann diese Energie als sicher bezeichnen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Frau Helmhold, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde die Sitzung gern fortsetzen wollen, weil ich gehört habe, dass einige noch weit zu fahren haben.

Meine Damen und Herren, ich will auch das klar und deutlich sagen: Was auf diesem Aufkleber stand, interessiert das Präsidium nicht. Es geht darum, dass ein Button mit einem Aufkleber an der Kleidung war. Das ist in diesem Haus nicht gestattet, auf Sportplätzen ja, aber nicht in diesem Parlament. Ich habe es überprüft. Deswegen ist dagegen interveniert worden.

Nun hat sich der Abgeordnete Dehde zu Wort gemeldet. Nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich ihm drei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redebeiträge und insbesondere der des Ministers veranlassen natürlich dazu, insbesondere zu seinen falschen Behauptungen hinsichtlich der Haltung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Fraktion im Europäischen Parlament Stellung zu nehmen. Er hat den Eindruck erweckt, als sei die gängige Regelung so, das sei die Geschichte.

Ich würde nie auf die Idee kommen, wegen bestimmter

Einzelmeinungen bei CDU oder FDP - nehmen wir mal Hohmann oder Thümmler - Sie und Ihre Fraktion als rechtsradikalen Haufen zu bezeichnen.

(David McAllister [CDU]: Was ist hier los? - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Daher sollten auch Sie bei den Fakten bleiben. Herr Minister, Sie sind hier ohne Frage erneut Belege schuldig geblieben. Sie haben versucht, mit falschen Argumenten Eindrücke hervorzurufen, die so absolut nicht zutreffend sind.

(Beifall bei der SPD)

Sie meinen Ratschläge geben zu müssen, was wir in Niedersachsen machen müssten. Ich meine, gerade wir in Niedersachsen müssten alles dafür tun, dass die Endlagersuche auch in Bayern, auch in Baden-Württemberg stattfindet und der Müll nicht nur zu uns kommt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das wäre eine reguläre Vertretung der Interessen des Landes Niedersachsen und nicht dieses Herbeibeten des gesamten Atommülls in unser Bundesland. Dann würden wir unsere Aufgaben tatsächlich gemeinschaftlich ernst nehmen.

Lassen Sie mich eines aus der Ortskenntnis sagen: Ich empfehle Ihnen allen, kommen Sie während der Castortransporte nach Lüchow-Dannenberg, am besten ohne Wärmflasche, weil die ohnehin schnell kalt wird.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Haben wir uns angeschaut!)

Kommen Sie und schauen sich an, welche Menschen aus allen Alters-, Bevölkerungs- und Berufsgruppen dort auf der Straße protestieren, weil sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Dann würden Sie hier nicht mehr einen solchen Unsinn erzählen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Althusmann, ich kann nachvollziehen, dass Sie in Bezug auf Aufkleber den parlamentarischen Brauch pflegen wollen. Der Präsident hat dazu eine Entscheidung getroffen. Ich kann an dem Aufkleber nichts Verwerfliches entdecken. Eingesteckt habe ich ihn auch schon.

Aber Ihnen, Herr Althusmann, würde ich empfehlen, Ihrem zuständigen Atomaufsichtsminister einmal beizubringen, dass er sich nicht mit „Kerngesund im Dienst“ in der Atomwirtschaft abbilden lassen sollte.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass die Debatten im Landtag lebhaft sind. Wir alle sollten uns aber überlegen, welche Worte wir im Landtag wählen. Dies wird uns deutlich, wenn wir die Reden im Protokoll nachlesen. Es ist niemand davon ausgenommen.

Bevor sich das weiter zuspitzt, will ich darum bitten, die Debatte ruhig und sachlich fortzusetzen und die Argumente auszutauschen. Wir wollen auch nicht die Argumente der anderen bewerten, sondern austauschen. Am Ende stimmen wir darüber ab.

(Zuruf von Annette Schwarz [CDU])

Ich würde ein bisschen ruhiger sein, Frau Schwarz. Das täte manchmal ganz gut.

Herr Dürr, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Ich gewähre Ihnen zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dehde, auf das, was Sie zum Schluss gesagt haben, muss ich doch noch eingehen. Es ist sicherlich richtig, dass man über alles ruhig und sachlich diskutieren sollte. Das heißt aber auch, dass man sich beide Seiten anschaut.

Ein Großteil der Abgeordneten von FDP und CDU war während der Castortransporte in Gorleben. Ich weiß nicht, wer aus der SPD-Fraktion bereits in Finnland war und sich die dortige Situation angeschaut hat.

(Zurufe von der SPD)

- Dann freut mich das umso mehr. Schade, dass Sie dort nicht zu neuen Erkenntnissen gekommen sind.

Frau Kollegin Helmhold, Ihren Vergleich mit der Eislaufhalle in Bad Reichenhall fand ich etwas merkwürdig. Schließlich war es Ihr Kollege Meih

sies, der vorhin deutlich gemacht hat, dass neue Kraftwerkstechnologien auch neue Sicherheitsperspektiven eröffneten. Ich kann ihm da nur beipflichten. Sollte sich diese Erkenntnis in der GrüneFraktion durchsetzen, wären wir darüber sehr glücklich.

Eines müssen wir aber noch klarstellen. Herr Dehde, in Ihrer ersten Rede haben Sie zwei Punkte angesprochen. Erstens das Thema Netznutzungsentgelte. Ich kann mir beim besten Willen - auch nach langem Nachdenken - nicht erklären, wie Sie zu dem Schluss kommen, dass das Abschalten von Kernkraftwerken zu günstigeren Netznutzungsentgelten führt. Das macht für mich, mit Verlaub, überhaupt keinen Sinn.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens haben Sie die Windenergie angesprochen. Es geht nicht darum, die Windenergie als solche zu diskreditieren, sondern es geht um die Frage, wie die Rahmenbedingungen politisch gesetzt werden. Neue Windenergieräder erfordern einen Ausbau des Netzes. Insofern werden die Netznutzungsentgelte gerade wegen der Windenergie leider noch weiter ansteigen - weil wir zurzeit noch nicht über die erforderlichen Speichertechnologien verfügen und weil Sie darauf bestehen, dass die Windenergie nach wie vor 1 : 1 in das Netz eingespeist wird. Darin liegt der eigentliche Fehler, meine Damen und Herren.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, den Herr Dehde ebenfalls genannt hat. Wie liberal, wie marktwirtschaftlich ist denn der Strommarkt? Wir von der FDP haben die Bundesregierung auch in den letzten sieben Jahren immer wieder aufgefordert, hier nachzusteuern. Passiert aber ist nichts. In einem Punkt müssen Sie von der SPD und von den Grünen sich an die eigene Nase fassen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie wir im Landtag über die Ministererlaubnis zu E.ON Ruhrgas diskutiert haben. Es war Ihre Bundesregierung, die den Wettbewerb in diesem Bereich kaputt gemacht hat. - Das muss doch einmal deutlich gesagt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Abgeordneter Dürr, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits überzogen.

Ich komme zum Schluss. - Ich würde mich freuen, wenn die Debatte versachlicht würde, wenn wir uns an den Technologien orientieren und wenn wir gucken würden, was die Wissenschaftler in unserem Land dazu sagen, statt immer nur auf politische Polemik zu setzen. - Danke schön.