Protokoll der Sitzung vom 27.01.2006

Ich stimme mit dem Umweltminister in dieser Äußerung in der Tat insofern überein, als ich keine Bedrohung durch die FFH-Richtlinie sehe, sondern ich halte die FFH-Richtlinie - seinerzeit 1992 von Herrn Dr. Kohl unterzeichnet, in der Amtszeit von Frau Merkel umgesetzt - für etwas, das in unserer Natur einen ganz wichtigen Zweck erfüllt.

Herr Abgeordneter Haase, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Busemann?

Nein, jetzt muss ich ein bisschen weiterkommen, Herr Präsident, ich bitte um Verständnis.

(Bernhard Busemann [CDU]: Schis- ser!)

Für diesen Zwischenruf, für diese Beleidigung muss ich dem Abgeordneten Busemann einen Ordnungsruf erteilen.

Ich bin da ja resistent, Herr Präsident. Ich wäre darüber hinweggegangen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Er wollte nur den Begriff „Angsthaase“ vermei- den!)

Meine Damen und Herren, was ist seitdem passiert? - Es gab weitere Gespräche mit der Kommission auf Arbeitsebene zur Konkretisierung der Nachmeldeforderungen. Herr Minister Sander betonte immer wieder, wie intensiv diese Gespräche waren, und glaubte offensichtlich, mit seinen Argumenten bei der Kommission durchzukommen. Das hat er uns jedenfalls immer erzählt. Das hat er auch den Betroffenen vor Ort erzählt, vielleicht auch dem MP, ich weiß es nicht.

Fakt ist aber, dass die EU-Kommission seit Frühjahr 2004 immer wieder auf die Defizite Nieder

sachsens hingewiesen hat, insbesondere bei den Ästuaren der Weser und der Ems, und eben nicht den rechtlich unhaltbaren Argumenten von Herrn Sander gefolgt ist. Erreicht hat er de facto nichts. So viel zur Überzeugungskraft unseres Umweltministers.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern Sie sich noch an die machtvollen Worte des Ministers „Dann soll uns die EU doch mal verklagen.“? Nichts davon - glücklicherweise, sage ich im Übrigen - ist passiert. Der Minister hat eingelenkt, ist auf ganzer Linie eingeknickt. Immerhin hatte wohl der Ministerpräsident in letzter Minute ein Einsehen, hat ein Machtwort gesprochen und hat versucht, die drohenden Strafzahlungen von Niedersachsen abzuwenden.

Aber, gut, dass es noch andere Akteure gab. Ich bin froh, dass wir mit Sigmar Gabriel in Berlin jetzt einen Bundesumweltminister haben, der die EU-rechtlichen Anforderungen ebenso im Blick hat wie die Interessen und Entwicklungsperspektiven der deutschen Wirtschaft.

(David McAllister [CDU]: Och nein! - Roland Riese [FDP]: Wir sind auch froh, dass er nicht mehr hier ist! - Ulf Thiele [CDU]: Eiertanzminister!)

Er hat Recht, wenn er sich dafür einsetzen will, dass bei zukünftigen Projekten die Güterabwägung, wie er es bereits vor einem Jahr gesagt hat, vor Ort - also auf Landesebene - vorgenommen werden soll.

(David McAllister [CDU]: Wollen wir hoffen, dass das stimmt! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Auf diesem Weg werden wohl wir alle ihn - das nehme ich auch für die Schwarzen an - gern unterstützen. Denn nur mit der erfolgten Meldung bekommen wir die notwendige Planungssicherheit für die weitere positive Entwicklung, z. B., Herr Busemann, an Ems und Weser.

Die FFH-Richtlinie bedeutet eben nicht wirtschaftlichen Stillstand in diesen Gebieten. Selbst bei erheblichen Beeinträchtigungen sind Projekte aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses möglich. Entscheider werden in der Regel die Landesbehörden sein. Sie sind dort zurzeit noch in Verantwortung.

(David McAllister [CDU]: Wenn alles möglich ist, warum wird dann gemel- det?)

Aber bitte vergessen wir bei all den Debatten nie - Frau Steiner hat darauf hingewiesen -, dass es um den nachhaltigen Schutz von Lebensräumen, auch für künftige Generationen geht! Sie, Herr Sander, haben dem Land mit ihrem Verhalten jedenfalls einen absoluten Bärendienst erwiesen. Vielleicht weil Sie die FFH-Richtlinie nie wirklich verstanden haben, sie nicht kannten oder sie nicht kennen lernen wollten. Denn das ist Ihre Bilanz - ich weise noch einmal darauf hin -: Sie haben die Betroffenen über die Folgen von FFH ständig falsch informiert, haben Horrorszenarien an die Wand gemalt, den Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie bewusst geschürt. Sie haben versucht, den Menschen vor Ort gegen die FFH-Richtlinie und gegen Brüssel in Stellung zu bringen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist doch Müll!)

Sie hätten auf der Grundlage der bekannten Defizite längst ein intensives Beteiligungs- und Abstimmungsverfahren anstrengen können. Jetzt reden Sie sich mit Zeitdruck durch die EU heraus.

(Beifall bei der SPD)

Sie kennen die formalen Fristsetzungen bei EU-Rechtsverfahren. In diesem Fall war die EU wirklich großzügig. Also tun Sie heute nicht so, als sei die so genannte begründete Stellungnahme mit der Fristsetzung zum 19. Februar 2006 für Sie überraschend gekommen. Sie haben auf ganzer Linie verloren, haben die Wirtschaft und die Menschen in Niedersachsen an der Nase herumgeführt, das partnerschaftliche Verhältnis zur EU massiv gestört und am Ende sogar enorme Strafzahlungen riskiert.

(Zustimmung von Alice Graschtat [SPD])

Sie sind - das hat Herr Dehde in einem anderen Zusammenhang vorhin schon einmal sehr schön gesagt - ein Minister des Scheiterns.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Ontijd [CDU]: Machen Sie sich doch nicht lä- cherlich!)

Jeder andere an Ihrer Stelle würde die Konsequenzen aus dieser desaströsen Niederlage ziehen und seinen Hut nehmen.

Für unser Land bleibt zu hoffen, dass die nun vorgenommenen Meldungen - Frau Steiner ist darauf eingegangen - den Anforderungen der EU tatsächlich gerecht werden. Auf Einzelheiten kann ich jetzt nicht eingehen. Wenn es allerdings doch zu Strafzahlungen käme - ich hoffe das wirklich nicht -, dann müsste man eigentlich Herrn Möllring bitten - rechtlich geht das ja leider nicht -, diese Rechnungen sofort an Sie weiterzuschicken; denn Sie sind dafür verantwortlich. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Thiele das Wort.

(David McAllister [CDU]: Der Gene- ral!)

- Wir sind hier im Plenarsaal.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, dass der Abgeordnete Haase seine Redezeit voll ausgenutzt hat, weil er nicht mehr ins Wochenende fahren will, da er sich nach dieser Rede in Emden nicht mehr blicken lassen kann. Das ist wohl uns allen klar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Er hat in einem Punkt Recht - das muss ich zugeben -: Die FFH-Richtlinie beschäftigt die Menschen in Niedersachsen inzwischen seit über zehn Jahren.

Zu Beginn möchte ich sagen: Ich habe einen netten Brief von Ihrem Fraktionsvorsitzenden bekommen, der jetzt leider nicht da ist. Drei Viertel von dem, was darin steht, wusste ich schon, das kannten wir alle übrigens schon.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Warum sagen Sie es dann?)

In dem Brief kam ein bisschen der Lehrer in ihm durch; ich hätte ihm das gerne persönlich gesagt. Er sollte vielleicht überlegen, ob es sinnvoll ist, diese Dinge niederzuschreiben. Hier steht, dass er sich seiner Verantwortung und der Verantwortung der SPD-Fraktion für die Menschen in diesem Land nach wie vor nicht bewusst ist.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das steht da nicht drin!)

Eines lasse ich nicht durchgehen: Herr Jüttner und Herr Gabriel haben im Jahr 2002, obwohl sie wussten und dieses heute und in den letzten Jahren dokumentieren bzw. dokumentiert haben, dass Druck und Handlungsbedarf da sind, nicht den Mut gehabt, dieses Thema vor den Landtagswahlen anzufassen. Sie haben es liegen lassen und verschleppt, und heute machen sie uns einen Vorwurf daraus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Steiner?

Auch ich möchte meinen Gedanken jetzt zu Ende führen. Ich möchte, ehrlich gesagt, nach dieser Rede gerne ins Wochenende. Ich kann mich nämlich noch zu Hause sehen lassen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Dann muss ich mich später noch einmal zu Wort melden!)

Ich darf an dieser Stelle - und das tue ich sehr gerne - unserer Landesregierung ein großes Lob aussprechen,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und zwar vor allem dafür, wie sie dieses Verfahren durchgeführt hat und dass und wie sie es jetzt zu Ende bringt. Auch wenn gegen unsere Überzeugung Ems und Weser sowie einige weitere Flächen in die abschließende Meldung einbezogen werden müssen, will ich der Landesregierung an dieser Stelle meinen Respekt dafür aussprechen, wie sie bis zum Schluss die Interessen des Landes Niedersachsen, der Betriebe, der Arbeitnehmer und der Menschen in diesem Land vertreten hat. Ich sage ausdrücklich: Wir werden das bis zur letzten Sekunde, bis zur Abgabe der Meldung durch die Bundesregierung weiter tun. Darauf können sich die Menschen in diesem Land verlassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für uns steht jetzt im Vordergrund, dass wir etwaige Strafzahlungen vom Land abwenden. Das ist klar. Wir haben momentan keine andere Wahl, als

diese Meldung so vorzunehmen. Dennoch will ich insbesondere an die Mitarbeiter der Meyer-Werft das Signal senden, dass wir bis zur letzten Sekunde für sie und für ihre Interessen kämpfen, dass wir bis zum Schluss verhandeln werden.

(Zustimmung bei der CDU)