Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Meine Damen und Herren, das eigentliche Problem liegt für uns in der Person des Umweltministers. Nicht nur, dass er sich bezüglich Liberalisierung und Privatisierung wiederholt weit aus dem Fenster gelehnt hat. Nein, vor allem in der jüngsten Vergangenheit konnte man den Presseorganen landesweit entnehmen - Herr Sander, ich habe hier ein ganzes Paket -, dass es mit seiner Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit gerade im Bereich der Abfallwirtschaft nicht sonderlich gut bestellt ist. Das wird morgen früh noch eingehender thematisiert. Ich bin schon ganz gespannt darauf.

Wir sehen hier einmal mehr die Gefahr, dass dem Minister mit der vorliegenden Beschlussempfehlung sein Lieblingsspielfeld der Privatisierung nur hergerichtet wird und er sich dann dort wieder einmal nach seinem Gusto austoben kann. Ich kann hier nur sagen: Wehret den Anfängen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Brandes. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Bereich der Versorgung mit Strom, Gas und Frischwasser und im Bereich der Entsorgung von Abwasser und Abfall ist die Zeit des Staatsmono

pols vorbei. Wir haben bereits heute in vielen Kommunen Modelle, bei denen das operative Geschäft entweder vermehrt durch private Unternehmen betrieben wird oder diese Aufgaben sogar schon vollständig privatisiert sind. Ihr Antrag zur Abfallwirtschaft will diese Entwicklung verhindern oder offenbar sogar umkehren. Sie versuchen, den Menschen Angst zu machen, indem Sie die Privatisierung als Schreckgespenst darstellen. Sie warnen vor Müllmonopolen, die letztlich die Preise diktieren und schließlich zu Gebührenerhöhungen führen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist ja wohl berechtigt!)

- Nein, das ist eben nicht berechtigt. Ich werde Ihnen das gleich noch erklären.

Sie wollen den Menschen weismachen, dass Umweltstandards bei privatisierter Abfallentsorgung nicht mehr garantiert seien.

Meine Damen und Herren, nicht wir, sondern Sie setzen mit Ihrem Antrag ein falsches politisches Signal. Sie tun dies genauso wie Ihre Kollegen in denjenigen Kommunen, in denen Sie in der Opposition sind und keine politische Verantwortung tragen. Sie verunsichern die Menschen mit den Diskussionen über die „bösen Müllkonzerne“, die nichts anderes im Sinn haben, als Gewinne zu machen.

(Walter Meinhold [SPD]: Auf Kosten der Natur!)

Sie argumentieren, nur die guten alten kommunalen Reinigungsämter, Reinigungsbetriebe und Stadtwerke seien Garanten für eine kostengünstige und umweltverträgliche Abfallentsorgung.

Meine Damen und Herren, das richtige politische Signal ist, dass wir im Interesse der Bürger eine umweltverträgliche und kostengünstige Abfallentsorgung haben wollen.

(Beifall bei der CDU)

Wenigstens in diesem Ziel sollten wir uns hier in diesem Hause einig sein. Also kann es doch nur um den richtigen Weg gehen, wie wir dahin kommen, und da sollten Sie Ihre Scheuklappen ablegen.

Wie war denn die Situation, als ausschließlich kommunale Entsorgungsträger die Abfallsammlung und -entsorgung betrieben haben? - Da gab es

keinen Wettbewerb, da gab es ein Monopol, und zwar ein staatliches. Da gab es zu hohe Kosten, weil viele Reinigungsämter nicht optimal organisiert waren und weil sie zu viel Personal hatten, technisch veraltete Fuhrparke und keine moderne Anlagen und Verfahren. Durch solche Strukturen kam es zu steigenden Gebühren.

In diesem Bereich gibt es auch heute noch große Unterschiede und Verbesserungsmöglichkeiten. Deswegen brauchen wir mehr Wettbewerb. Dort, wo öffentlich-rechtliche Entsorger weiterhin tätig bleiben wollen, müssen sie den Beweis antreten, dass sie es besser und kostengünstiger können. Dazu müssen sie sich am Markt behaupten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun möchte ich noch etwas dazu sagen, wie wir es uns in der Abfallwirtschaft vorstellen. Nach wie vor sollen die Entsorgungsträger vor Ort entscheiden können, welche Lösung für sie die beste ist und welche Lösung die höchste Entsorgungsqualität und die günstigsten Gebühren gewährleistet. Es muss allerdings mehr Transparenz in die Kosten und Leistungen der Abfallwirtschaft kommen, damit sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch die Bürger die Entsorgungslösung beurteilen und mit anderen Lösungsmöglichkeiten vergleichen können. Genau dabei wollen wir die Kommunen unterstützen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Sie wis- sen auch nicht, worüber die längsten Ratsdebatten stattfinden! Nämlich über die Gebührenordnungen!)

- Da debattiert man oft im Nebel.

Zum Schluss noch ein paar Sätze aus der Praxis; denn das kann ja manchmal auch nicht schaden. In Braunschweig sind wir den Weg, über den wir jetzt in der Theorie diskutieren, in der Praxis schon erfolgreich gegangen. Wir haben dabei folgende Erfahrungen gemacht:

Zunächst haben wir unser Stadtreinigungsamt teilprivatisiert. Durch die Beteiligung eines privaten Entsorgers haben wir in unsere StadtreinigungsGmbH kaufmännischen Sachverstand bekommen. Erst dadurch kam Transparenz in die Kosten und in die Leistungen. Alle Entsorgungsleistungen wurden erst einmal klar definiert und optimiert. Schließlich wurde über Leistungsverträge konkret abgebildet, welche Leistungen zu welchen Kosten

zu erbringen sind. Dadurch wurde erst einmal Klarheit in die Gebührenordnung gebracht.

In einem zweiten Schritt haben wir vollprivatisiert, was meiner persönlichen Einschätzung nach auch besser ist. Die Vollprivatisierung ist deshalb besser, weil es von der Unternehmenssituation her problematisch ist, wenn derjenige, der eine Leistung bestellt und bezahlt - wenn also die Kommune der Kunde ist -, einerseits als Beteiligter das Interesse des Unternehmens vertreten muss, andererseits aber immer in der Versuchung steht, sich für seine Interessen als Kunde einzusetzen. Dazu sind die Aufsichtsgremien eines Unternehmens tatsächlich und auch rechtlich der falsche Ort.

Meine Damen und Herren, heute haben wir eine leistungsfähige Abfallentsorgung, stabile Gebühren und keine Angst vor einer weiteren Liberalisierung.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Sie ha- ben Ihr System so verschachtelt, dass kein Bürger mehr durchblickt!)

- Das ist überhaupt nicht verschachtelt. Frau Steiner, das ist falsch. Wir haben in der Abfallentsorgung und in der Gebührenrechnung endlich Transparenz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

- Vielleicht sollten Sie sich einmal etwas mehr mit der Praxis als mit der Theorie beschäftigen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Habe ich! Habe ich! Reichlich!)

Die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass die weitere Liberalisierung der richtige Weg ist und dass Ihre Bedenken unbegründet sind. Die zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften haben auch bei einer weiteren Liberalisierung die Möglichkeit, gute Verträge über Entsorgungsleistungen abzuschließen und ihre hoheitlichen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen. Das trauen wir unseren Kommunen durchaus zu.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dürr! Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Steiner, ich gebe zu, an dieser Stelle habe ich von Ihnen - im Übrigen auch von der SPD - nicht viel anderes erwartet. Ihre Beiträge gingen in die Richtung, dass alles so bleiben müsse, es dürfe sich um Gottes Willen nichts ändern, ein Blick nach links oder rechts sei nicht erlaubt. Deswegen haben Sie offensichtlich unbewusst - ich gehe davon aus, dass es keine Absicht war - einen Spiegelstrich unseres Antrages unterschlagen. Dort steht nämlich:

„Deshalb bittet der Landtag die Landesregierung, die Transparenz der Kosten in der Abfallwirtschaft herzustellen, um dadurch preiswerte und effiziente Entsorgungslösungen als Grundlage für zukünftige Entscheidungen identifizieren zu können, und die Ergebnisse zu veröffentlichen.“

Um Transparenz geht es, meine Damen und Herren, aber genau die wollen Sie nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dann haben Sie über das Thema Gewerbeabfall gesprochen und beklagt, wie furchtbar es sei, dass hier bereits die Liberalisierung stattgefunden habe. Ich habe mir einmal eine Pressemitteilung des Kollegen Haase - ihn zitiere ich gerne - vom 16. Februar 2006 herausgeholt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Gerne!)

Da heißt es: „Haase: Falsche Beratung der Kommunen bei Abfallentsorgung“

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Wer trägt denn seit 2003 Verantwortung?)

Ich war in den 90er-Jahren noch nicht Mitglied des Parlaments. Aber wer hat denn den Kommunen die mechanisch-biologischen Anlagen wärmstens empfohlen und gleichzeitig Müllverbrennungsanlagen aus purer Ideologie verteufelt? - Es ist geradezu unglaublich, welche Kehrtwende Sie hier vorgenommen haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Die alte Landesregierung hat massiv Druck gemacht, dass in den Kommunen nicht so sehr thermische, sondern vor allem mechanisch-biologische

Anlagen errichtet werden. Dies war ideologisch motiviert. Uns geht es an dieser Stelle um Wirtschaftlichkeit. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Da fehlt völlig die Logik!)

Auch deshalb, Frau Kollegin Steiner, fühle ich mich in unserem Änderungsvorschlag zu dem ursprünglichen Antrag der Grünen voll bestätigt. Es geht um das, was in der Überschrift steht: „Kommunen auf dem Weg zu einem fairen Wettbewerb in der Abfallwirtschaft unterstützen“. Wir unterstützen die Kommunen am besten, indem wir für mehr Transparenz beim Thema Abfall sorgen. Es macht eben vielfach Sinn, private Unternehmen in die Hausmüllentsorgung einzubeziehen. Dort, wo dies geschieht, ist es nicht selten sogar wesentlich günstiger.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: 80 % Private sind bereits einbezogen! Nehmen Sie das mal zur Kenntnis!)

Ich lade Sie herzlich ein, einmal in den Landkreis Oldenburg zu kommen. Dort ist die Abfallentsorgung weitestgehend in privater Hand. Frau Kollegin Steiner, kommen Sie vorbei, dann gucken wir uns das zusammen an. Vor einiger Zeit sind die Gebühren sogar gesenkt worden. Übrigens haben wir einen SPD-Landrat; mit ihm hat das wunderbar funktioniert. - Dies nur nebenbei.