Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Es war bisher breiter Konsens, insbesondere auch bei meinen Vorgängern Herrn Glogowski und Herrn Bartling: Wer nach Deutschland kommt und sich wegen falscher Angaben zu seiner Person hier aufhält oder seine Ausreise verhindert hat und in nicht unerheblicher Höhe - meistens geht es sogar um mehrere 100 000 Euro - öffentliche Leistungen kassiert hat, muss wieder ausreisen, und wenn er das nicht freiwillig tut, muss er im Extremfall auch abgeschoben werden, so schwer einem eine solche Entscheidung auch fällt.

(Beifall bei der CDU)

Derjenige, der die Hilfegewährung missbräuchlich in Anspruch nimmt, kann nicht mit großzügiger Verlängerung seines Aufenthalts rechnen.

Darüber hinaus hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschieden, dass Personen, denen die Ausreise möglicherweise unzumutbar erscheint - das bedeutet auch, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar erscheint -, eine Aufenthaltsgenehmigung nicht erteilt werden kann. Eine entsprechende Empfehlung an die Ausländerbehörde wäre eindeutig rechtswidrig.

Meine Damen und Herren, ich will mich insbesondere an meinen Vorgänger Herrn Bartling wenden. Es war bisher absolut Konsens, dass wir so verfahren.

Ich muss leider feststellen, dass dieser Konsens mittlerweile aufgekündigt wird, und zwar immer dadurch, dass man Fälle in die Öffentlichkeit zieht und immer nur die halbe Wahrheit darstellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Merk, Sie haben gerade einen Fall geschildert. Ich habe Ihnen den Brief dazu geschickt; ich weiß nicht, ob Sie ihn schon bekommen haben.

(Heidrun Merk [SPD]: Sie haben ihn nicht beantwortet!)

Vielleicht hätten Sie diesen Brief zitieren sollen. Sie haben hier gesagt, wir hätten eine Frau G. S. abgeschoben. - Diese Frau G. S. ist als libanesische Staatsbürgerin eingereist und hat damit ein Bleiberecht bekommen. Dann aber wurde festgestellt, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit hat. Meine Damen und Herren, Sie hat das Bleiberecht nur unter Vorspielung einer falschen Staatsangehörigkeit bekommen.

Auch wenn es menschlich schwierig ist, kann ich nur sagen: So etwas können wir nicht hinnehmen, und deshalb muss auch nach 10 oder 15 Jahren wieder zurückgeführt werden. Eine andere Entscheidung wäre nicht rechtsstaatlich.

(Beifall bei der CDU)

Frau Merk, zu dem Vergleich von Frau Lorberg haben Sie gesagt, eine Flut dauert vielleicht nur zwei Monate, aber die Leute sind zehn Jahre hier. Ich frage Sie: Warum sind die denn erst nach zehn Jahren wieder zurückgeführt worden? Die Ursachen dafür müssen wir auch uns noch einmal vor Augen führen.

(Beifall bei der CDU - Christa Elsner- Solar [SPD]: Die Frau war acht Jahre alt! Hat die das damals übersehen können?)

- Sie können sich nachher noch einmal melden. Ich habe jetzt relativ wenig Zeit.

Ich weiß natürlich, wie schwierig es gerade auch für unsere Partei ist, wenn die Kirchen sich in diesen Fällen zu Wort melden. Deshalb habe ich der Bischöfin Frau Käßmann u. a. Folgendes geschrieben:

„Ich weiß, dass viele Menschen hierbei aus der christlichen Grundüberzeugung der Barmherzigkeit heraus handeln. Wenn sie in dem scheinbaren Konflikt zwischen Recht und Mitmenschlichkeit Letzterem den Vorrang geben, ist dies menschlich verständlich. Als verantwortlicher Minister ist es meine über den Einzelfall hinausgehende Pflicht, das Wohl des

Gemeinwesens zu wahren, hier also konkret die ausländerpolitischen Grundentscheidungen, wie sie ihren Ausdruck in den in diesem Bereich mit überwältigender Mehrheit verabschiedeten Gesetzen des demokratisch gewählten Parlaments gefunden haben, so gut es geht in die Praxis umzusetzen. Und dabei muss ich in Kauf nehmen, dass es schwierig ist, die Öffentlichkeit sachlich und differenziert zu unterrichten, wenn erst einmal einseitige und unvollständige Darstellungen mit publikumswirksamen Schlagworten in den Medien verbreitet werden.“

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, die fünf Minuten sind um.

Frau Präsidentin, ich glaube, diese Debatte ist von so einer Wichtigkeit, dass ich bitte, vielleicht noch den einen oder anderen Satz sagen zu dürfen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das gilt dann aber für alle! Dann brauchen wir eine allgemeine Redezeitverlänge- rung, Herr Schünemann, wenn Sie hier Sonderrechte beanspruchen!)

Ich glaube, dass man sich vielleicht sogar auch von den anderen Fraktionen noch einmal zu Wort meldet, weil es eine grundsätzliche Debatte ist, in der Argumente nicht nur in ein oder zwei Sätzen vorgebracht werden können. Ich bitte da um Verständnis.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das wollen wir dann aber für alle!)

Herr Schünemann, während der Aktuellen Stunde geht das leider nicht, weil dann auch die Fraktionen längere Redezeiten bekommen müssten. Ich bitte Sie, sich dann noch einmal zu melden.

Dann würde ich mich setzen und mich gleich wieder zu Wort melden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Er hätten weiterreden können! - Zuruf von der CDU: Schwachsinn hoch zehn!)

Meine Damen und Herren, wir sind in der Aktuellen Stunde. Da ist die Redezeit auf fünf Minuten festgesetzt. Wir als Präsidium müssen das auch durchsetzen; denn hier muss gleiches Recht für alle gelten. Es ist allenfalls möglich, diesen Tagesordnungspunkt als Besprechung durchzuführen. Dafür müsste eine Fraktion einen entsprechenden Antrag stellen.

Jetzt hat sich noch einmal Herr Schünemann zu Wort gemeldet. Danach ist Herr Wenzel dran.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist un- glaublich! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Herr Schünemann, das ist eine peinliche Nummer!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dann werde ich angegriffen, weil wir, gerade was die Rückführung - -

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wenn Sie in fünf Minuten nicht in der Lage sind, Ihre Linie zu erklären, Herr Schüne- mann, dann setzen Sie sich hin! Das ist peinlich!)

- Entschuldigen Sie, ich habe die Punkte hier doch ganz in Ruhe dargestellt.

(Unruhe - Bernd Althusmann [CDU] - zu Stefan Wenzel [GRÜNE] -: Nun pöbeln Sie hier mal nicht so herum! Flegel! - Weitere Zurufe)

Herr Wenzel, ich hatte Herrn Schünemann das Wort gegeben. Sie haben danach das Wort.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist un- glaublich! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Herr Schünemann, das ist eine peinliche Nummer!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun werde ich - -

Frau Merk hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Bitte schön, Frau Merk!

Frau Merk, Sie hatten sich gemeldet.

(Zuruf von Heidrun Merk [SPD])

- Ach so, das war keine Frage. - Dann Herr Schünemann, bitte!

Meine Damen und Herren, ich werde angegriffen, dass wir in Niedersachsen in hohem Maße Abschiebungen durchführen. - Meine Damen und Herren, wir sind das Land, das sich sehr große Mühe gibt, die freiwillige Rückkehr zu ermöglichen. Wir unterstützen in diesem Bereich die IOM, die dieses führend im ganzen Land umsetzt.

Wir haben auch - das sollten Sie sich angucken in Bramsche Maßnahmen ergriffen, damit diejenigen, die zurückgeführt werden, weitergebildet werden. Es werden ihnen handwerkliche Fähigkeiten vermittelt, damit sie dann, wenn sie zurückgeführt werden, in ihrem Heimatland den Anschluss finden und dort integriert werden können.

Das ist die Politik, die wir hier vor Ort umsetzen. Das halten wir für absolut notwendig und richtig. Schauen Sie sich das an, bevor Sie solche Angriffe gegen die Landesregierung und meine Fraktion führen!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass es eine Diskussion gibt. Die Frage, ob Kinder dafür

verantwortlich gemacht werden können, dass ihre Eltern Vergehen oder Straftaten begangen haben, dass sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier vielleicht sogar ein Bleiberecht bekommen haben, ist sicherlich nur sehr schwer mit Ja oder mit Nein zu beantworten.

(Uwe Harden [SPD]: Als Kleinkinder!)

Darüber gibt es auch in meiner Fraktion Diskussionen. In dieser Situation stelle ich mir die Frage, was denn tatsächlich mit diesen Kindern passiert. Genauso aber müssen wir die Frage stellen, was wäre, wenn wir einfach die Augen davor verschließen und sagen würden: Wir sanktionieren es, dass Eltern hier straffällig geworden sind. - Ist das mit unserem Rechtsstaat tatsächlich in Einklang zu bringen? Und: Welche Folgewirkungen hätte das? Wir würden, wenn wir so verfahren würden, diejenigen bestrafen, die rechtstreu freiwillig zurückgeführt worden sind, und würden diejenigen belohnen, die hier straffällig geworden sind. Das ist in unserem Rechtsstaat aus meiner Sicht nicht umsetzbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)