Protokoll der Sitzung vom 24.02.2006

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie sieht der jetzige Reformentwurf aus? - Die bisher in Artikel 91 a des Grundgesetzes geregelte Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ soll aufgegeben und in die Zuständigkeit der Länder übertragen werden. Die bisherigen Haushaltsmittel des Bundes für den Hochschulbau sollen zu 70 % - das entspricht jährlich 700 Millionen Euro - auf die Länder übertragen werden. 30 % behält der Bund und kann sie für überregionale Forschungsförderung, also Forschungsbauten und Großgeräte, verwenden.

Die jeweiligen Anteile der Länder errechnen sich aus dem Durchschnitt der Mittel, die die Länder im Zeitraum 2000 bis 2003 erhalten haben. Und genau hier liegt der Hund begraben! Kommt dieser Schlüssel zur Anwendung, werden diejenigen Länder bevorzugt, die schon in der Vergangenheit finanziell in der Lage waren, sich ein großes Stück vom Kuchen zu sichern - mehr, als ihnen nach dem Königsteiner Schlüssel eigentlich zustehen würde. Während sich z. B. Baden-Württemberg seit 1970 2 Milliarden Euro zusätzlich gesichert hat, liegt Niedersachsen mit 620 Millionen Euro im Rückstand. Wenn jetzt die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder nach dem Durchschnittsanteil eines jeden Landes im Zeitraum 2000 bis 2003 errechnet wird, bedeutet dies eine Zementierung der ungerechten Verteilung mindestens bis 2013.

Diese Benachteiligung ist allen bekannt. Selbst Wissenschaftsminister Stratmann hat sie inzwischen bemerkt und fordert eine Nachbesserung. Ich zitiere den Minister in der HAZ vom letzten

Samstag: „Wir werden Millionenbeträge weniger haben. Deshalb sollten wir versuchen, auf eine Veränderung der Mittelverteilung hinzuwirken.“

(Norbert Böhlke [CDU]: Ist das falsch?)

Herr Minister, uns haben Sie auf Ihrer Seite. Jetzt müssen Sie nur noch Ihren Ministerpräsidenten überzeugen. Liebe Kollegen und Kolleginnen von CDU und FDP, da Sie dem Minister immer so begeistert zujubeln, wenn er Sie mit rüden Beschimpfungen der Opposition erfreut:

(Bernd Althusmann [CDU]: Das geht gleich wieder los! Achten Sie darauf! - Jens Nacke [CDU]: Dabei ist das ein so netter Kerl!)

Vielleicht stärken Sie ihm auch einmal den Rücken, wenn es um die Sache geht, nämlich um die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun durften wir am Mittwoch aus dem Munde des Ministerpräsidenten erfahren, die SPD-Vorgängerregierung sei schuld, dass Niedersachsen bei der Verteilung so schlecht abschneide; die SPD habe zu wenig in den Hochschulbau investiert, und dann habe Sigmar Gabriel auch noch den für Niedersachsen ungünstigen Verteilungsschlüssel ausgehandelt. Ach ja, und man selbst habe natürlich immer davor gewarnt. So billig will sich der Ministerpräsident wieder aus der Verantwortung schleichen: Erst zulasten des eigenen Landes als Blockade-Duo Koch/Wulff Karriere machen, dann Stoiber in der Föderalismuskommission hofieren und der für Niedersachsen schädlichen Neuregelung zustimmen - das hat er nämlich getan -, und jetzt, wo die Sache unangenehm wird, sollen für das eigene Versagen Gabriel und Oppermann herhalten.

(Axel Plaue [SPD]: Ein echter Wulff!)

Das scheint der neue Stil der Landesregierung zu sein: Selbst Fehler machen und sie dann anderen in die Schuhe schieben!

(Beifall bei der SPD)

Zu den Fakten. Es stimmt: Auch in den Zeiten von Gabriel und Oppermann wurde der Königsteiner Schlüssel nicht erreicht. Mit einem Anteil von 6,93 % am Bundestopf haben wir 20 Millionen

weniger bekommen, als uns nach dem Königsteiner Schlüssel zugestanden hätte.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Daran liegt es doch!)

Aber verglichen mit dem, was diese CDULandesregierung heute abliefert, waren das für den Hochschulbau in Niedersachsen goldene Jahre.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Jetzt wissen wir wenigstens, wie es zu der hohen Verschuldung gekommen ist! - Gegenruf von Axel Plaue [SPD]: Sie reden jetzt über Promille!)

Die Ausgaben in 1999 für den Hochschulbau lagen bei 94 Millionen DM. 1999 wurde dann per Kabinettsbeschluss ein Hochschulbauplafond mit einem Volumen von 242 Millionen DM jährlich für den Mipla-Zeitraum bis 2002 festgeschrieben. Damit sollten die Landesmittel für den Hochschulbau abgesichert werden. Durch diesen Plafond wurden wichtige Großinvestitionen möglich. Ich erwähne nur den Neubau der Transplantationsmedizin und Frauenheilkunde der MHH, Investitionskosten über 100 Millionen Euro, oder den Neubau der Physik in Göttingen, Investitionskosten von 60 Millionen Euro.

Schon im Jahre 2000 stiegen die Gesamtausgaben für den Hochschulbau auf 121 Millionen Euro an. 2001 waren es 171 Millionen Euro, 2002 sogar 172 Millionen Euro und 2003 162 Millionen Euro. Es gibt übrigens nur ein einziges Jahr in der Geschichte des Hochschulbaus in Niedersachsen, in dem mehr für den Hochschulbau ausgegeben wurde; das können Sie nachlesen. Das war 1974. Es regierte ein Sozialdemokrat: Kubel. - So weit zu den Fakten.

(Beifall bei der SPD)

Und Ihre Bilanz, Herr Stratmann? Was steht in Ihrem Haushalt für den Hochschulbau? - Nur noch 119 Millionen Euro. Wer eine solche Bilanz aufzuweisen hat, Herr Minister, sollte besser nicht mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Was die Behauptung des Ministerpräsidenten und der CDU betrifft, Gabriel habe an der Benachteiligung Niedersachsens Schuld, denn dieser habe den Referenzzeitraum ausgehandelt, so sind wir

sehr gespannt darauf, welche Belege der Ministerpräsident für seine Behauptung hat.

Der Verteilungsschlüssel für die Bundesmittel war im vorläufigen Abschlussprotokoll der Föderalismuskommission vom 13. Dezember 2004 doch gar nicht enthalten.

(Bernd Althusmann [CDU]: Hoffentlich ist da ein Haken dran!)

Er wurde erst danach von Länderseite in die Debatte gebracht und taucht das erste Mal in einem Protokoll von April 2005 auf, eingebracht von Bayern.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Aber ohne Haken dran!)

Anschließend fand dieser Verteilungsschlüssel Eingang in den Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe und wurde abgenickt. Der Ministerpräsident hieß zu diesem Zeitpunkt Wulff und nicht Sigmar Gabriel. - So weit zur Wahrheitsfindung.

Zur Wahrheitsfindung, Herr Minister Stratmann, gehört auch, dass die SPD bereit ist, in der parlamentarischen Beratung Veränderungen des jetzigen Entwurfs zu diskutieren. Wenn Sie in der letzten Woche die Föderalismusdebatte im Bundestag verfolgt haben, dann wissen Sie das auch. Die SPD ist bereit, falsche Weichen neu zu stellen. Jetzt ist die Landesregierung am Zuge.

(Beifall bei der SPD)

Ich beantrage, federführend den Wissenschaftsausschuss einzusetzen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das sollte eigentlich in den Innenaus- schuss! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Das können Sie von der CDU-Fraktion dann ja gerne beantragen. - Jetzt hat Herr Professor Zielke von der FDP-Fraktion das Wort.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Diese Dinge werden jetzt immer im Innen- ausschuss beraten! Dieter Möhrmann nickt schon! - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In alt gewohnter Weise malt die größere der beiden Oppositionsparteien den Teufel an die Wand. Das ist ihr gutes Recht. Es ist nur die Frage, ob die Menschen in unserem Lande das nicht allmählich satt haben und die SPD sich mit derartigen Manövern einen Gefallen tut.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Uns kann Ihr Agieren im Grunde nur recht sein. „Ihr Agieren“ heißt: Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin saß die Crème der niedersächsischen Sozialdemokratie am Verhandlungstisch.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Crème? Wer ist das denn?)

Nicht nur die frühere Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, sondern auch Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel, Peter Struck, Frank-Walter Steinmeier und Brigitte Zypries.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das hätte ich nicht als Crème de la crème bezeichnet!)

Die haben den Berliner Koalitionsvertrag und darin diese detailgenaue Regelung für den Hochschulbau mit festgeschrieben, mit unterschrieben und mitgetragen. - Und jetzt wollen Sie davon nichts mehr wissen!

Statt hier zu lamentieren, sollten Sie z. B. Frau Bulmahn fragen, wieso sie als Niedersächsin und Bildungsexpertin so etwas mitgetragen hat. Der Schlüssel basiert auf den tatsächlich in Anspruch genommenen Hochschulbaumitteln aus den Jahren 2000 bis 2003. Das ist für Niedersachsen deshalb nicht besonders günstig, weil die von der SPD getragene Niedersächsische Landesregierung unter Sigmar Gabriel in dieser Zeit weniger Mittel für den Hochschulbau abgerufen hat, als sie hätte abrufen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Hört, hört! - Hans-Christian Biallas [CDU]: Jetzt erfährt man mal etwas Neues!)

Dieser Fehler rächt sich jetzt. Wer dann als Allererster die unglückliche Idee hatte, gerade diesen Schlüssel vorzuschlagen, ob es Herr Gabriel oder Herr Oppermann selbst gewesen ist, ist vielleicht

zweitrangig. Entscheidend ist, wer diesen Schlüssel dann beschlossen hat.

Nun ist der vorliegende Antrag ein Antrag der niedersächsischen SPD, und die hätte ja durchaus einige Wochen Zeit gehabt, sich nach dem Abschluss des Koalitionsvertrages in Berlin die Sache noch einmal gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Am 14. November 2005 hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe diesen Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit gebilligt. Das ist einer genaueren Betrachtung wert.

(Ulrike Kuhlo [FDP]: Vielleicht waren da keine niedersächsischen Abgeord- neten!)

Denn es gab 15 Gegenstimmen und fünf Stimmenthaltungen bei insgesamt 518 stimmberechtigten Anwesenden. Das heißt - da beißt keine Maus einen Faden ab -: Auch die weitaus meisten niedersächsischen Delegierten der SPD müssen diesem Koalitionsvertrag zugestimmt haben. Ich gehe davon aus, dass sie dies nach reiflicher Überlegung getan haben. Und auch viele von Ihnen, die Sie hier sitzen, meine Damen und Herren von der SPD,